Kann eine Eigentümergemeinschaft gegen einen Wohnungseigentümer vorgehen, wenn dieser zwar über 100 Kleintiere in seiner 2-Zimmer-Wohnung hält, aber keine konkrete Geruchsbelästigung oder Ausbreitung von Ungeziefer außerhalb der Wohnung festzustellen ist?
Hiermit hatte sich das Oberlandesgericht Köln zu beschäftigen. Das Oberlandesgericht urteilte, daß diese übermäßige Haustierhaltung in einer Eigentumswohnung auch dann eine von der Eigentümergemeinschaft nicht hinzunehmende unzumutbare und damit unbillige Belästigung darstellen kann, wenn keine konkrete Geruchsbelästigung oder Ausbreitung von Ungeziefer außerhalt der Wohnung festzustellen ist. Wann übermäßig viele Tiere in einer Wohnung gehalten würden, müsse im Einzelfall an Hand der allgemeinen Verkehrsanschauung festgestellt werden.
In den Entscheidungsgründen führte das Oberlandesgericht u.a. aus:
„Der Grundsatz des § 13 WEG, wonach jeder Wohnungseigentümer mit den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren darf, wird mit Rücksicht auf das notwendige Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft dadurch eingeschränkt, daß nach § 14 Nr. 1 WEG der Wohnungseigentümer verpflichtet ist, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, daß dadurch keinem anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidbare Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Damit wird wie in § 138 BGB (gute Sitten), § 242 BGB (Treu und Glauben) und § 276 BGB (die im Verkehr erforderliche Sorgfalt) auf die Verkehrsanschauungen verwiesen, die je nach den konkreten Verhältnissen zu unterschiedlichen Beurteilungen führen können. Dabei ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß unbeschränkte Haustierhaltung in einer Eigentumswohnung – auch wenn die Teilungserklärung eine Beschränkung nicht vorsieht – eine unzumutbare Belästigung anderer Wohnungseigentümer darstellt und damit unbillig ist, ohne daß es auf eine konkrete Geruchsbelästigung einzelner Wohnungseigentümer ankommt (vgl. KG NJW 1956, 1679, 1680; BayObLGZ 1972, 90, 93; KG NJW-RR 1991, 1116, 1117).
Dieser Auffassung folgte der Senat. Es liegt auf der Hand, daß übermäßige Tierhaltung die Besorgnis vermehrt störender Geruchsbelästigung oder gar der Ausbreitung von Ungeziefer mit sich bringt. Bereits eine solche typischerweise bestehende Gefahr rechtfertigt es, die Zahl der in einer Eigentumswohnung zu haltenden Haustiere unter Berücksichtigung der konkreten Umstände durch gerichtliche Entscheidung auf die zumutbare Anzahl zu beschränken (so auch KG NJW 1991, 1116, 1117).
Danach kommt es auf die konkreten Auswirkungen der Tierhaltung nur insoweit an, als ein begründeter Anlaß für die Besorgnis vermehrter Geruchsbelästigung bzw.der Verbreitung von Ungeziefer vorliegen muß.
Darüber hinaus wird in vielen Fällen bei übermäßiger Tierhaltung ebenso wie bei der Haltung exotischer Tiere, die üblicherweise nicht zur allgemeinen Lebensführung gehören, die vorgegebene Nutzung der Eigentumswohnung zu Wohnzwecken nicht eingehalten worden sein und eine unzulässige Zweckentfremdung vorliegen. Diese kann dazu führen, daß bei Fortdauer der beanstandeten Tierhaltung eine Wertminderung der Wohnungen der übrigen Miteigentümer eintritt. Es erscheint nämlich nicht ausgeschlossen, daß sich potentielle Käufer von Sondereigentum in dem fraglichen Hause deshalb gegen einen Erwerb entscheiden, weil sie keine Wohnnutzung bzw. Nutzung im Rahmen des Verkehrsüblichen vorfinden (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 1990, 1430, 1431 – für unzulässige Schlangenhaltung).
Letzteres kann vorliegend dahinstehen, denn jedenfalls besteht die Besorgnis vermehrter Geruchsbelästigung sowie der Verbreitung von Ungeziefer. Die Antragsgegnerin hält in ihrer Wohnung nach den Feststellungen des Amtsgerichtes über 100 Kleintiere wie Chinchillas, Kaninchen, Vögel, darunter Beos und exotische Ziervögel, Hamster und Mäuse. Die Wohnung ist – auch ausweislich der vom Amtsgericht in Bezug genommenen, bei den Akten befindlichen Fotos – mit Tierkäfigen zugestellt, es finden sich offene Futterbehältnisse, der Boden ist teilweise mit Futterresten und Streu bedeckt. In einem Falle sind bereits Maden aus einem umgekippten Mülleimer in den Hausflur gelangt.
Die Gesamtumstände, wie sie sich bereits nach den getroffenen Feststellungen darstellen, geben jedenfalls Grund zu der Besorgnis, daß störende Geruchsbelästigungen auftreten können und vor allem Ungeziefer sich verbreiten kann.
Dieser, das gedeihliche Zusammenleben der Hausgemeinschaft tangierenden Besorgnis ernsthafter Störungen läßt sich nach Auffassung des Senates nur dadurch begegnen, daß die Antragsgegnerin alle in ihrer Wohnung befindlichen Kleintiere entfernt und ihr Wohnungseigentum durch ein Fachunternehmen entwesen und desinfizieren läßt. Diese Maßnahmen sind aus der Sicht der übrigen Wohnungseigentümer und aus objektiver Sicht geeignet und erforderlich um zu gewährleisten, daß es künftig nicht zu Geruchsbelästigung und Ungezieferverbreitung kommen wird.
Das bedeutet nicht, daß die Antragsgegnerin alle Tiere abschaffen muß. Die Frage, in welcher Art und Weise und in welchem Umfang die Antragsgegnerin künftig Kleintiere halten können wird, ist nach der Verkehrsanschauung zu beantworten. Danach ist ohne weiteres zu verlangen, daß eine Tierhaltung künftig nur noch in hygienisch einwandfreier Weise erfolgen darf. Der Umfang der Tierhaltung kann hingegen bereits deshalb nicht verbindlich festgelegt werden, weil der Senat nicht weiß, welcher Art die Tiere sein werden, die die Antragsgegnerin künftig halten wird. Es ist aber nicht angängig, wie beantragt, der Antragsgegnerin die Tierhaltung nur „in einem die übrigen Wohnungseigentümer nicht beeinträchtigenden Umfang“ zu gestatten. Die Beeinträchtigung soll verhindert werden, kann jedoch nicht Maßstab für die ordnungsgemäße Nutzung sein. Der Maßstab muß ex ante aufgrund tatrichterlicher Würdigung abstrakt feststellbar sein und hat sich im Hinblick auf die in § 14 Nr. 1 WEG kodifizierte Grundregel des Zusammenlebens an der allgemeinen Verkehrsanschauung zu orientieren. Demzufolge ist auszusprechen, daß sich die Tierhaltung künftig im Rahmen des nach der allgemeinen Verkehrs-auffassung Üblichen zu halten hat.“
Oberlandesgericht Köln, Beschluß vom 26.09.1995 – 16 Wx 134/95