Die generelle Ablehnung der Eintragung einer Verschmelzung von Gesellschaften in das Handelsregister in Deutschland, wenn eine der Gesellschaften ihren Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat hat, verstösst gegen das Gemeinschaftsrecht, wie jetzt der Europäische Gerichtshof auf eine Vorlage des Landgerichts Koblenz entschied.
Diese unterschiedliche Behandlung von Gesellschaften nach Maßgabe dessen, ob es sich um eine innerstaatliche oder um eine grenzüberschreitende Verschmelzung handelt, stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar und kann nicht mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden.
In seinem Urteil stellt der Gerichtshof zunächst fest, dass die Niederlassungsfreiheit für die Gesellschaften u. a. das Recht auf Gründung und Leitung dieser Gesellschaften nach den Bestimmungen des Aufnahmestaats umfasst, die für Gesellschaften seines eigenen Rechts gelten. Sodann führt der Gerichtshof aus, dass grenzüberschreitende Verschmelzungen wie andere Gesellschaftsumwandlungen den Zusammenarbeits- und Umgestaltungsbedürfnissen von Gesellschaften mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten entsprechen. Sie stellen besondere, für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes wichtige Modalitäten der Ausübung der Niederlassungsfreiheit dar und gehören damit zu den Wirtschaftstätigkeiten, hinsichtlich deren die Mitgliedstaaten die Niederlassungsfreiheit nach Artikel 43 EG beachten müssen. Der Gerichtshof führt weiter aus, dass eine unterschiedliche Behandlung von Gesellschaften nach Maßgabe dessen, ob es sich um eine innerstaatliche oder um eine grenzüberschreitende Verschmelzung handelt, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt und nur zulässig sein kann, wenn mit ihr ein legitimes, mit dem EG-Vertrag vereinbares Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Schutz der Interessen von Gläubigern, Minderheitsaktionären und Arbeitnehmern oder die Wahrung der Wirksamkeit der Steueraufsicht und der Lauterkeit des Handelsverkehrs gerechtfertigt ist. Zusätzlich ist eine solche beschränkende Maßnahme nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der verfolgten Ziele geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was hierzu erforderlich ist. Wird in einem Mitgliedstaat die Eintragung der Verschmelzung einer Gesellschaft mit Sitz in diesem Staat mit einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft in das Handelsregister generell verweigert, so werden grenzüberschreitende Verschmelzungen auch dann verhindert, wenn die oben genannten Allgemeininteressen nicht bedroht sind. Eine solche Regelung geht über das hinaus, was zur Erreichung der verfolgten Ziele, nämlich zum
Schutz der besagten Interessen, erforderlich ist.
Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 13. 12.2005 – C-411/03