Vorstandshaftung bei Kapitalerhöhung

Hat der Vorstand einer Aktiengesellschaft mit Zustimmung des Aufsichtsrats bei der Ausnutzung des genehmigten Kapitals mit Bezugsrechtsausschluss unter Verstoß gegen seine Amtspflichten Entscheidungen getroffen, die von den gesetzlichen Vorgaben und/oder dem Ermächtigungsbeschluss der Hauptversammlung nicht gedeckt sind, so kann der dadurch in seinen Mitgliedschaftsrechten beeinträchtigte Aktionär das pflichtwidrige Organhandeln zum Gegenstand nicht nur einer (vorbeugenden) Unterlassungsklage, sondern auch einer (allgemeinen) Feststellungsklage machen, die jeweils gegen die Gesellschaft zu richten sind.

Maßgebliche Erwägung für die Zulassung eines derartigen gerichtlichen Rechtsschutzes gegen unrechtmäßiges, kompetenzüberschreitendes Organhandeln war, dass die durch die „Siemens/Nold “- Entscheidung beabsichtigte und bewirkte Erleichterung bei der Herbeiführung eines Ermächtigungsbeschlusses zur Schaffung von genehmigtem Kapital nicht zu einer die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre, darunter insbesondere das Bezugsrecht, ungerechtfertigt verkürzenden, unkontrollierten Blankettermächtigung der Geschäftsleitung führen darf. Mit dem Absenken der Anforderungen an den Ermächtigungsbeschluss zur Schaffung genehmigten Kapitals wurde allein auf die Erfordernisse des Wirtschaftslebens reagiert, Beteiligungs- und Erwerbschancen schnell und flexibel nutzen zu können. Keinesfalls aber sollte der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz der Aktionäre herabgesetzt und der Kompetenzbereich des Vorstands zu Lasten der Hauptversammlung erweitert werden. Angesichts der Lockerung der präventiven Schranken bei der Erteilung der Ermächtigung muss sichergestellt sein, dass im Rahmen der Ausübung der Ermächtigung eine angemessene, systemkonforme gerichtliche Kontrollmöglichkeit zur Verfügung steht; diese besteht – neben der im Hinblick auf das Zeitmoment nur beschränkt möglichen (vorbeugenden) Unterlassungsklage – vornehmlich in der allgemeinen Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO.

Die in einem solchen Fall von dem Feststellungskläger aufgeworfene Frage nach der Rechtswidrigkeit der mit einem Bezugsrechtsauschluss verbundenen Kapitalerhöhung berührt dessen Stellung als Aktionär und damit sein Rechtsverhältnis zur Gesellschaft. Sofern nämlich Vorstand und Aufsichtsrat unter Überschreitung des ihnen durch das Gesetz und den Ermächtigungsbeschluss gesteckten Rahmens pflichtwidrig von dem genehmigten Kapital Gebrauch machen, tun sie dies als Organe der Gesellschaft. Es ist daher Sache der Gesellschaft, durch ihre Organe Abhilfe zu schaffen und den betroffenen Aktionären dadurch Genüge zu tun, dass entweder – sofern noch möglich – eine (weitere) künftige Verletzung ihrer durch Art. 14 GG geschützten Mitgliedschaftsrechte bei einer etwaigen weiteren Ausschöpfung der erteilten Ermächtigung unterbleibt oder etwa bereits eingetretene Schäden kompensiert werden (vgl. BGHZ 83, 122, 126, 134 – Holzmüller). Wollte die Gesellschaft aber entgegen einem Feststellungsurteil den tatsächlich geschaffenen Zustand zum Nachteil der klagenden Aktionäre aufrechterhalten, so könnte das für diese die Grundlage für die Geltendmachung konkreter Sekundäransprüche im Klagewege bilden sowie entsprechende Anträge in der Hauptversammlung, etwa auf Versagung der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, auf Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder (§ 103 AktG) oder auf Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 147 AktG, rechtfertigen.

Bundesgerichtshof Urteile vom 10. Oktober 2005 – II ZR 90/03

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