Ein Unternehmer, dessen Leistungen mit denen des Wirtschaftsbetriebes einer Gemeinde konkurrieren, kann vom Finanzamt Auskunft darüber verlangen, ob die Umsätze eines solchen Betriebes bei der Umsatzsteuerfestsetzung berücksichtigt worden sind, wenn für ihn Anlass zu der Befürchtung besteht, die diesbezügliche Behandlung der Gemeinde entspreche nicht dem Steuergesetz. Das Steuergeheimnis steht der Auskunftserteilung nicht entgegen.
Dies hat der Bundesfinanzhof jetzt entschieden. Vorausgegangen war eine auf Ersuchen des BFH ergangene Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs, nach der ein Unternehmer, der mit einer Einrichtung des öffentlichen Rechts, die öffentliche Gewalt ausübt, in Wettbewerb steht und geltend macht, diese werde zu Unrecht nicht oder zu niedrig zur Umsatzsteuer herangezogen, sich auf die Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie (Richtlinie 77/388/EWG) berufen und die betreffenden Umsatzsteuerfestsetzungen vor Gericht angreifen könne.
Anlass des vom BFH entschiedenen Streitverfahrens war, dass nach dem Bestattungsrecht von Sachsen-Anhalt –wie in vielen Ländern– Einäscherungen außer von kommunalen Krematorien auch von privaten Anbietern durchgeführt werden dürfen. Der klagende Unternehmer, der ein Krematorium in Sachsen-Anhalt betreibt, meinte, die Umsätze des kommunalen Krematoriums in einer benachbarten Gemeinde würden zu Unrecht nicht zur Umsatzsteuer herangezogen. Dies habe bei ihm zu Umsatzeinbußen geführt, da die Gemeinde ihn aufgrund der Nichtbesteuerung ihrer Krematoriumsumsätze unterbiete. Um eine Konkurrentenklage wegen der Nichtbesteuerung der Gemeinde erheben zu können, benötige er Auskunft insbesondere darüber, wann und unter welcher Steuernummer der letzte noch anfechtbare Umsatzsteuerbescheid gegen die Gemeinde ergangen sei.
Eine solche Auskunft darf nach der Entscheidung des BFH erteilt werden und verletzt nicht das Steuergeheimnis. Ein konkurrierender Unternehmer könne nämlich im Rahmen einer Klage gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für die Gemeinde geltend machen, durch eine unzutreffende Besteuerung der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein. Es komme zumindest ernstlich in Betracht, dass eine von ihm erhobene Konkurrentenklage zulässig wäre. Ob der Kläger den gegen die Gemeinde ergangenen Steuerbescheid tatsächlich zu Fall bringen könnte, hat der BFH allerdings offen gelassen; dies sei erst bei der Entscheidung über die vom Kläger beabsichtigte Konkurrentenklage abschließend zu prüfen.
Einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch hinsichtlich der Besteuerung eines Konkurrenten hat ein Steuerpflichtiger unbeschadet des Steuergeheimnisses dann, wenn er substantiiert und glaubhaft darlegt, durch eine aufgrund von Tatsachen zu vermutende oder zumindest nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließende unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten konkret feststellbare, durch Tatsachen belegte Wettbewerbsnachteile zu erleiden und gegen die Steuerbehörde mit Aussicht auf Erfolg ein subjektives öffentliches Recht auf steuerlichen Drittschutz geltend machen zu können.
Die Auskunft darf erteilt werden, wenn die Konkurrentenklage nicht offensichtlich unzulässig wäre; die Auskunftserteilung setzt nicht die Feststellung voraus, dass dem Auskunftsantragsteller die von ihm behaupteten Rechte, die er auf der Grundlage der ihm erteilten Auskunft verfolgen möchte, tatsächlich zustehen.
Der in Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG enthaltene Grundsatz der steuerlichen Neutralität kann von einem Steuerpflichtigen im Wege der Konkurrentenklage geltend gemacht werden, wenn Einrichtungen des öffentlichen Rechts für die Tätigkeiten oder Leistungen, die sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausüben oder erbringen, als Nichtsteuerpflichtige behandelt werden und dies zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führt (Anschluss an das EuGH-Urteil vom 8. Juni 2006 Rs. C-430/04).
Es kommt ernstlich in Betracht, § 2 Abs. 3 UStG drittschützende Wirkung beizulegen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. Oktober 2006 – VII R 24/03