Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte über die Zulässigkeit der Abgabe von „Bonus-Talern“ von Apotheken an Kunden zu entscheiden.
Die beklagten Apotheker warben in der öffentlichen Presse mit der Ausgabe von sogenannten D.-Talern, die zum Bezug von Waren des täglichen Bedarfs wie Pralinen, Kaffeebecher, Reisewecker berechtigten und auch in bestimmten anderen Geschäften, z. B. bei Tankstellen, als Zahlungsmittel akzeptiert wurden. Nach der Werbeanzeige erhielt man einen Bonustaler u.a. bei Kauf von Ware aus dem Selbstbedienungssortiment, bei berechtigter Reklamation, bei mehr als fünfminütiger Wartezeit, bei fehlender Bevorratung des Produkts. Die Beklagten hatten zumindest gelegentlich auch beim bloßen Erwerb verschreibungspflichtiger preisgebundener Arzneimittel Bonus-Taler an ihre Kunden ausgegeben.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten durch die Gewährung der D.-Taler beim Erwerb verschreibungspflichtiger preisgebundener Arzneimittel gegen die Arzneimittelpreisverordnung verstoßen und damit wettbewerbswidrig handeln.
Das Landgericht Offenburg hat die Beklagten verurteilt, es zu unterlassen für den Erwerb von verschreibungspflichtigen preisgebundenen Arzneimitteln den Bonustaler zu gewähren.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe versagte der Berufung der Beklagten den Erfolg mit folgender Begründung: Die Beklagten handeln wettbewerbswidrig i.S. der §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, wenn sie Bonus-Taler für den bloßen Erwerb von rezeptpflichtigen preisgebundenen Arzneimitteln gewähren. Die Ausgabe von Bonus-Talern ist in diesen Fällen als Preisnachlass zu bewerten. Die auf der Grundlage von § 78 AMG erlassene Arzneimittelpreisverordnung schreibt ein Preisbildungsverfahren vor, das zu einem bestimmten einheitlichen Preis für das jeweilige Medikament führt. Der wesentliche Zweck dieser Regelung besteht darin, bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln auf der letzten Handelsstufe, also im Verhältnis zwischen Apotheker und Verbraucher einen Preiswettbewerb auszuschließen, um dadurch eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten.
Diese arzneimittelrechtlichen Preisvorschriften stehen im Einklang mit unmittelbar anwendbarem Europarecht. Die maßgebliche UPG-Richtlinie berührt nicht nationale Vorschriften im Bereich des Gesundheitsschutzes, zu denen die gen. Preisvorschriften gehören. Belange des Gesundheitsschutzes als zwingende Gründe des Verbraucherschutzes können demnach Unterschiede in den nationalen Wettbewerbsregeln rechtfertigen. Der Senat verkennt nicht, dass die Anwendung dieser Preisvorschriften eine Ungleichbehandlung mit ausländischen Anbietern mit sich bringen kann, soweit letztere im Inland nicht an die genannten Vorschriften gebunden sind. Dies ist jedoch als Folge dieser Rechtslage hinzunehmen.
Unzutreffend ist die Ansicht der Berufung, das Bonus-System stelle keine unlautere Geschäftspraxis i. S. der maßgeblichen Richtlinie dar, weil die Gewährung eines Bonus-Talers nicht dazu geeignet sei, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich zu beeinflussen. Das Gegenteil ist der Fall. Schließlich verfolgt das Bonus-System das Ziel, in nennenswertem Umfang Kunden beim Arzneimittelkauf an die betreffende Apotheke zu binden. Es ist hierzu aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise auch geeignet. Obwohl der wirtschaftliche Wert eines einzelnen Bonus-Talers von ca. 0,50 € relativ niedrig ist, lohnt sich das Sammeln der vielseitig verwendbaren Taler durchaus. Dies kann gerade Patienten, die regelmäßig Rezepte einlösen müssen, dazu veranlassen, Stammkunden einer Apotheke mit Bonus-System zu werden.
Ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung liegt nicht nur dann vor, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem sich aus der Verordnung ergebenden Preis abgibt. Die Bestimmungen werden vielmehr auch dann verletzt, wenn für das Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber – gekoppelt mit dem Erwerb des Arzneimittels – Vorteile gewährt werden, die den Erwerb für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen.
Die Gewährung der Bonus-Taler stellt sich hier aus Sicht des Kunden in erster Linie als Rabatt auf das Erstgeschäft über den Kauf preisgebundener Arzneimittel dar. Dies gilt vor allem, weil die Bonus-Punkte auch außerhalb der Apotheke der Beklagten in breitem Umfang für Bedarfsgeschäfte des täglichen Lebens ausgegeben werden können. Gerade hierdurch gewinnen sie eine Geldersatzfunktion, die sie von handelsüblichen geringwertigen Zugaben, aber auch von Bonus-Systemen unterscheidet, bei dem der Bonus nur für nicht preisgebundene Artikel aus dem Sortiment der werbenden Apotheke umgesetzt werden kann. Ob im letztgenannten Fall ein Verstoß gegen die Arzneimittelpreisverordnung vorliegt, kann dahinstehen. Jedenfalls dann, wenn die Bonus-Punkte den Kunden in nennenswerter Breite zur Ersparnis alltäglicher Ausgaben einladen, begibt sich die werbende Apotheke auf das durch die Arzneimittelpreisverordnung verschlossene Gebiet des Preiswettbewerbs.
Die Revision ist im Hinblick auf abweichende Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen worden.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 12.02.2009 – 4 U 160/07