Die Ortsüblichkeit von Schneefanggittern

Sind Schneefanggitter für das Dach eines Hauses baupolizeilich nicht vorgeschrieben und sind diese wegen der Schneearmut der Region nicht ortsüblich (hier: Mannheim), stellen auch besondere bauliche Verhältnisse des Anwesens keine allgemeine Gefahr dar, die den Hauseigentümer verpflichteten, Schneefanggitter zu installieren. Beim Abgang einer Dachlawine steht dann der Zuerkennung von Schadensersatz für die Beschädigung des Kraftfahrzeugs, welches in Kenntnis der gefahrdrohenden Situation vor dem Anwesen im Gefahrenbereich abgestellt wurde, § 254 BGB entgegen.

Eine Mieterin verlangte von ihrem Vermieter als Hauseigentümer Schadensersatz für Beschädigungen an ihrem ordnungsgemäß geparkten Fahrzeug, weil dieses durch eine von dem betreffenden Haus herabstürzende Dachlawine beschädigt worden war.

Das Amtsgericht Mannheim hat die Klage abgewiesen.

Der beklagte Vermieter hat zunächst keine Verkehrssicherungspflicht dadurch verletzt, dass er das Haus nicht mit Schneefanggittern ausgestattet hat, so das Amtsgericht Mannheim. Grundsätzlich ist der Beklagte als für den Bereich der Gefahrenquelle verantwortlicher, die Sachherrschaft über das Anwesen ausübender Verfügungsberechtigter zwar verpflichtet, Vorkehrungen zu treffen, um die Schädigung Dritter durch von der Sache ausgehende Gefahren zu verhindern. Dabei können aber nur diejenigen Maßnahmen gefordert werden, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind.

Dies bedeutet für den Hauseigentümer im Hinblick auf die Gefahr von Dachlawinen1, dass dabei die zu treffenden Maßnahmen von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängig sind, wobei entscheidend auf die örtlichen Verhältnisse sowie die entstandenen und beachteten Verkehrsübungen abzustellen ist. Eine Verpflichtung zur Anbringung von Schneefanggittern besteht in Mannheim grundsätzlich nicht, da es sich hierbei um – von vereinzelten Ausnahmefällen abgesehen – ein äußerst schneearmes Gebiet handelt und eine solche Übung deshalb weder praktiziert noch durch eine Satzung oder eine behördlicher Einzelfallregelung vorgeschrieben wird1.

Anderes folgt auch nicht allein aus dem behaupteten Umstand, dass ein Dach eine Neigung von mehr als 45 Grad aufweisen soll. Derartige allgemeine Umstände erlauben noch nicht den Schluss auf eine erhöhte Schadensneigung und können deshalb auch keine konkrete Pflicht des Hauseigentümers begründen, Schneefanggitter zum Schutz vor Dachlawinen zu installieren, zumindest dann nicht, wenn – wie hier – Schneefanggitter baupolizeilich weder vorgeschrieben noch im Hinblick auf die Schneearmut der Region ortsüblich sind2.

Grundsätzlich ist es einem Hauseigentümer auch nicht zuzumuten, die Wetterverhältnisse und örtlichen Verhältnisse ständig so zu beobachten, dass er bei jeder Änderung, die zur Ablösung von Dachlawinen führen kann, Vorkehrungen treffen kann1. Anderes ergibt sich auch nicht aus den von Klägerseite behaupteten Umständen des konkreten Falles. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass sie den Beklagten über die gefahrdrohende Situation in Kenntnis gesetzt hätte. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob der Nachbar sein Dach hat räumen lassen. Selbst wenn dieses baulich identisch sein sollte, folgt hieraus zum einen keine auch den Beklagten bindende Rechtspflicht, zum anderen ist nicht ersichtlich, dass die konkreten Schnee- und Eisverhältnisse auf dem Dach des Anwesens des Beklagten konkreten Anlass zur sofortigen Einschaltung der Feuerwehr gegeben hätten.

Die Behauptung, die Wetterlage vor der Silvesternacht habe Anlass zu Sofortmaßnahmen gegeben, ist durch nichts mit Tatsachen unterlegt. Aus der behaupteten extremen Dachneigung und Eiszapfenbildung allein folgt dies jedenfalls nicht. Außerdem besteht bei dem Obergeschoss des Anwesens die Besonderheit, dass das eigentliche Dach über dem Gaubengeschoss ausweislich der vorgelegten Lichtbilder normal geneigt ist. Eine starke Neigung hat lediglich die Wand zwischen den Fenstern, wobei fraglich ist, ob diese Bauteil überhaupt als Bestandteil des Daches zu werten ist, da dieses ja zwischen den Fenstern die Funktion der Hauswand übernimmt. Der davor befindliche Teil des Daches ist jedenfalls wieder normal bauüblich geneigt. Aus den vorgelegten Lichtbildern lassen sich die Verhältnisse auch diesbezüglich hinreichend verlässlich zu entnehmen, ohne dass deshalb ein Ortstermin erforderlich ist.

Dazu fällt überdies ins Gewicht, dass die Klägerin selbst Mieterin des Anwesens ist. Sie war daher mit den konkreten und aktuellen Verhältnissen bestens vertraut, besser als der Beklagte, der nicht in dem Anwesen wohnt. Da sie ungeachtet der von ihr behaupteten Evidenz der Notwendigkeit sofortiger Maßnahmen gleichwohl ihr Fahrzeug vor dem Anwesen abstellte, noch dazu unter dem Eindruck, dass der Nachbar bereits Sicherungsmaßnahmen getroffen hatte, hätte sie im Übrigen den von ihr behaupteten Schaden gem. § 254 BGB unter Würdigung der Gesamtheit der Umstände selbst zu vertreten. Es liefe letztlich auf eine „Amerikanisierung“ des Haftungsrechts hinaus, der Klägerin Schadensersatz dafür zuzubilligen, dass sie ihr Fahrzeug ohne rechtfertigenden Anlass einer Gefahr aussetzte, die nach ihrer Auffassung gleichzeitig den Beklagten zu Sofortmaßnahmen verpflichtet hätte .

 

Amtsgericht Mannheim, Urteil vom 29.07.2011 – 10 C 120/11

  1. vgl. hierzu Landgericht Mannheim, Urteil vom 21.01.1998 – 1 S 442/97 [] [] []
  2. vgl. hierzu Landgericht Mannheim, Urteil vom 21.01.1998 – 1 S 442/97; OLGR Zweibrücken 2000, 7 []

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