Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat aktuell entschieden, dass Erben die von der beklagten Rentenversicherung zu Lebzeiten der Mutter überzahlte Rente für den vorverstorbenen Vater zurückerstatten müssen.
Die Sachlage stellte sich wie folgt dar:
Der 1937 geborene Versicherte und Vater der Kläger war griechischer Staatsangehöriger und bezog ab dem Jahre 1997 von der Beklagten Altersrente. Er hatte zusammen mit seiner Ehefrau, der Mutter der Kläger, drei Kinder, wovon die Tochter vorverstarb. Im Jahr 2001 kehrte er mit seiner Ehefrau nach Griechenland zurück. Die Altersrente wurde weiterhin zu Monatsbeginn auf das gemeinsame Konto der Eheleute in Griechenland überwiesen. Am 18.03.2011 starb der Versicherte, wovon die Beklagte erst im Januar 2014 erfuhr. Die Rentenzahlungen wurden mit Ablauf des Februar 2014 eingestellt. Die Witwe hatte die nach dem Tod des Versicherten eingegangenen Rentenzahlungen (im Zeitraum bis einschließlich Februar 2014 insgesamt 32.174,55 EUR) zu ihrer eigenen Lebensführung verbraucht.
Im Zuge des Verwaltungsverfahrens betreffend die Rückforderung überzahlter Rente trug die Witwe u.a. vor, sie habe den Tod ihres Ehemannes dem griechischen Rentenversicherungsträger mitgeteilt und die Auskunft erhalten, sie müsse nichts weiter veranlassen. Sie sei davon ausgegangen, dass es sich bei den weiter eingegangenen Rentenzahlungen um ihre Witwenrente handle. Witwenrente bewilligte die Beklagte ausgehend von einem nur feststellbaren Rentenantrag vom März 2014 für die Zeit ab 01.03.2013 (Bescheid vom 04.06.2014) mit einem Nachzahlungsbetrag für die Zeit vom 01.03.2013 bis 30.06.2014 in Höhe von 8.925,64 EUR, der bislang nicht ausgezahlt worden ist.
Mit Bescheid vom 02.02.2015 forderte die Beklagte von der Witwe überzahlte Rentenbeträge in Höhe von 32.174,55 EUR unter Hinweis auf § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI zurück. Den Widerspruch der Witwe wies die Beklagte zurück. Dieser Widerspruchsbescheid gelangte dem Prozessbevollmächtigten der Witwe am Vormittag des 05.10.2015 bei Leerung seines Briefkastens zur Kenntnis. Am Abend des 05.10.2015 verstarb die Witwe des Versicherten.
Am 02.11.2015 haben die Kläger (die Erben der Witwe) beim Sozialgericht Stuttgart Klage erhoben. Sie haben vorgetragen, ihre Mutter habe den Tod des Versicherten umgehend an die Beklagte mitgeteilt und die Zahlung von Witwenrente beantragt. Das Sozialgericht Stuttgart hat die Klage abgewiesen1. Nach Darlegung der Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Rückforderung (§ 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI) hat es ausgeführt, die Witwe habe unstreitig über die Altersrente des Versicherten nach dessen Tod verfügt. Ob sie dies gutgläubig gemacht habe, sei im Rahmen des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI ohne Bedeutung. Das Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.04.20142 sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Dort habe das BSG zwar entschieden, dass der gegen den Verfügenden gerichtete Erstattungsanspruch keine im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben übergehende Nachlassverbindlichkeit sei. Im entschiedenen Fall sei jedoch der Erstattungsanspruch noch nicht durch Bescheid gegenüber dem Verfügenden festgestellt gewesen. Vorliegend sei der Erstattungsanspruch in der Person der Mutter der Kläger entstanden und ihr gegenüber durch Bescheid festgestellt, also bereits fällig.
Hiergegen haben die Erben Berufung eingelegt. Sie tragen vor, ihre Mutter habe nach dem Ableben des Vaters die Beklagte und auch den Rentenservice der Post informiert und gegenüber dem zuständigen Mitarbeiter des griechischen Rentenversicherungsträgers alle erforderlichen Angaben gemacht.
Mit getrennten Bescheiden vom 28.04.2017 hat die Beklagte gegenüber jedem Kläger festgestellt, dass sie einen Zahlungsanspruch in Höhe von 16.087,24 EUR habe. Sie hat sich auf den vom Sozialgericht bestätigten Bescheid sowie darauf berufen, dass nach griechischem Recht die Erben auch für Verbindlichkeiten des Verstorbenen haften und die Kläger somit auch für den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch. Die Widerspruchsverfahren hierzu sind noch anhängig.
Die Entscheidung des Landesssozialgerichts Baden-Württemberg:
Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht Stuttgart hat die Klage nach Auffassung des Landessozialgericht Baden-Württemberg im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Soweit sich die Kläger darauf berufen, dass – entsprechend dem angeführten Urteil des Bundessozialgerichts – ein Anspruch nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI nicht im Rahmen der Erbfolge nach dem Tod des Verfügenden auf die Erben übergehe, erweist sich die Klage als unzulässig. Soweit diese Auffassung der Kläger nicht zutreffen sollte, wäre die Klage dagegen zulässig, jedoch unbegründet. Denn insoweit hat das Sozialgericht zu Recht ausgeführt, dass § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI keinen Raum für Vertrauensschutzerwägungen lässt. In beiden Fällen wäre die Berufung unbegründet mit der Folge, dass mit Zurückweisung der Berufung und Rechtskraft der Urteile die angefochtenen Bescheide in Bestandskraft (§ 77 SGG) erwachsen. Dementsprechend kann auch offenbleiben, welcher Lösungsvariante zu folgen ist, weil beide zum selben Ergebnis (Bestandskraft des streitigen Bescheides) führen.
Gegenstand des Rechtsstreits ist allein der Bescheid vom 02.02.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2015, mit dem die Witwe des Versicherten und Mutter der Kläger von der Beklagten zur Rückzahlung überzahlter Altersrente in Höhe von 32.174,55 EUR in Anspruch genommen wurde. An sich zulässige Klageart ist somit die reine Anfechtungsklage.
Indessen war Adressat dieser Bescheide allein die Witwe des Versicherten und Mutter der Kläger, nicht dagegen die Kläger. Ihnen gegenüber hat die Beklagte zwar mit getrennten Bescheiden vom 28.04.2017 ebenfalls einen Rückforderungsanspruch in Höhe der jeweiligen Hälfte des gegenüber der Witwe festgestellten Rückforderungsanspruches festgestellt. Indessen sind diese Bescheide nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden, weil sie den Bescheid vom 02.02.2015 weder abändern noch ersetzen (vgl. § 96 Abs. 1 SGG). Vielmehr betreiben die Kläger den Rechtsstreit als Erben der von der Beklagten durch den streitigen Bescheid zu Lebzeiten in Anspruch genommenen Mutter.
Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG kann u.a. die Aufhebung eines Verwaltungsakts begehrt werden. Allerdings ist die Klage (nur) zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein (Satz 2).
Eine solche Beschwer wäre nur dann anzunehmen, wenn der durch Bescheid vom 02.02.2015 gegenüber der Mutter der Kläger (und Erblasserin) festgestellte Rückzahlungsanspruch im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge auf die Kläger als Erben ihrer Mutter übergegangen wäre. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts3 sind die Erben zur Fortsetzung des Verfahrens berufen, wenn der Versicherungsträger einen Rückerstattungsanspruch gegen den Erblasser vor dessen Tod durch Bescheid festgestellt hat.
Die Kläger sind die Erben ihrer Mutter. Maßgebend ist insoweit griechisches Recht.
Der hierzu einschlägige Art. 25 EGBGB verweist in Bezug auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen auf die Regelungen der Verordnung (EU) Nr. 650/2012, die im vorliegenden Fall Anwendung findet. Denn nach Art. 84 VO (EU) 650/2012 gilt diese Verordnung ab dem 17.08.2015 und damit auch im vorliegenden Fall, weil die Mutter der Kläger am 05.10.2015 verstarb. Nach Art. 21 Abs. 1 dieser Verordnung unterliegt die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Da die Mutter der Kläger und Erblasserin im Zeitpunkt ihres Todes ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Griechenland hatte, ist somit griechisches Erbrecht anzuwenden.
Nach Art. 1813 des griechischen Zivilgesetzbuches sind die Nachfahren des Erblassers als gesetzliche Erben erster Ordnung zu Erben berufen. Kinder erben zu gleichen Teilen. Dementsprechend wurden die Kläger zu gleichen Teilen Erben ihrer Mutter. Nach Art. 1710 des griechischen Zivilgesetzbuches haften die Erben für die Verbindlichkeiten der Verstorbenen, wozu auch Forderungen gegen den Erblasser gehören und zwar auch öffentliche-rechtliche Forderungen, wie die Kläger in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich bestätigt haben. Die Erben haften dann nach Art. 1885 des griechischen Zivilgesetzbuches entsprechend ihrem Erbteil. Damit haften die Kläger grundsätzlich entsprechend ihrem Erbanteil zur Hälfte für im Zeitpunkt des Todes der Mutter gegen diese bestehende Forderungen.
Voraussetzung ist indessen, dass der von der Beklagten gegen die Erblasserin geltend gemachte Rückerstattungsanspruch auch tatsächlich in die Erbmasse fällt.
Hiervon gehen die Kläger selbst nicht aus. Denn sie berufen sich insoweit auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 03.04.20142. Dort hat das Bundessozialgericht entschieden, dass § 118 Abs. 4 Satz 4 SGB VI eine Rechtsnachfolge im Erbgang ausschließt. Es hat diese Regelung, wonach ein Anspruch gegen die Erben nach § 50 SGB X unberührt bleibt, als eine eigene Regelung für die Haftung der Erben, die diesen Personenkreis nicht der verschärften Haftung des Satzes 1 unterwerfe, sondern zu seinen Gunsten die Anwendung der Vertrauensschutzregelungen des SGB X vorsehe, angesehen und ausgeführt, dieses gesetzgeberische Anliegen würde unterlaufen, wenn der Anspruch nach Satz 1 eine Nachlassverbindlichkeit wäre, für die der Erbe dann ohne die Möglichkeit, Vertrauensschutzgesichtspunkte geltend zu machen, einzustehen hätte. Der Umstand, dass vorliegend griechisches Erbrecht zur Anwendung kommt, steht dem nicht entgegen. Denn ebenso wie deutsches Recht das Entstehen und Erlöschen von Ansprüchen regelt, steht es auch in der Rechtsmacht des deutschen Gesetzgebers, die Frage der Übertragbarkeit (vgl. insbesondere §§ 58, 59 SGB I) und damit auch Vererbbarkeit solcher Ansprüche zu regeln. Maßgebend für die Frage, inwieweit öffentlich-rechtliche Forderungen und Verbindlichkeiten in den Nachlass fallen, ist somit das öffentliche Recht, zu dem die Forderungen und Verbindlichkeiten gehören.
Soweit die Kläger sich somit auf das Urteil des Bundessozialgerichts berufen, machen sie gerade geltend, dass ein Anspruch der Beklagten nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI, wie er allein im streitigen Bescheid von der Beklagten geltend gemacht wird, nicht in den Nachlass fällt, was wiederum ihre Klagebefugnis ausschließen würde. In diesem Falle wäre die Klage somit unzulässig.
Würde man dagegen – den Überlegungen des Sozialgerichts und der Beklagten folgend – die vom Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 03.04.2014 aufgestellten Grundsätze auf den vorliegenden Fall nicht für übertragbar erachten, läge kein durch das SGB VI angeordneter Ausschluss der Rechtsnachfolge im Erbgang vor. Die geltend gemachte Forderung würde dann nach dem insoweit anzuwendenden griechischen Recht in die Erbmasse fallen.
In diesem Falle wäre die Klage – da die Forderung der Beklagten gegen die Mutter unter der aufgestellten Prämisse in den Nachlass fiele – unbegründet. Insoweit hat das Sozialgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI lediglich darauf abstellt, dass der in Anspruch Genommene als Verfügungsberechtigter ein bankübliches Zahlungsgeschäft zu Lasten des Kontos vornahm, ohne dass Vertrauensschutzgesichtspunkte einfließen. Da die Witwe selbst einräumte, die überwiesenen Gelder für ihren eigenen Lebensunterhalt verwendet zu haben, also über die Bankguthaben verfügt zu haben, sind die Voraussetzungen des Rückforderungsanspruches erfüllt. Anderes behaupten insoweit auch die Kläger nicht mehr. Der Senat sieht daher insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.09.2017 – L 10 R 1734/17
- SG Stuttgart, Urteil vom 20.03.2017 – S 9 R 5948/15 [↩]
- BSG, Urteil vom 03.04.2014 – B 5 R 25/13 R [↩] [↩]
- BSG, Urteile vom 25.03.1971 – 5 RKn 75/67; vom 28.01.1972 – 5 RKn 50/69 [↩]