Das Jobcenter muss die Kosten der Hundehaltung nicht als „besonderen Bedarf“ tragen

Dass Hunde das persönliche Wohlbefinden steigern und zu Therapiezwecken erfolgreich eingesetzt werden können, sollte allseits bekannt sein.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem der Kläger Arbeitslosengeld II als laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) einschließlich Kosten für Unterkunft und Heizung erhielt und nun von dem Beklagten die Übernahme von Kosten in Höhe von 2.000,00 EUR für die Anschaffung eines Therapie-/Begleithundes sowie die Übernahme monatlicher Kosten von 200,00 EUR für Futter, medizinische Grundversorgung, Versicherung und Steuer verlangte.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat die gegen die ablehnende Entscheidung des Sozialgerichts Stuttgart1 gerichtete Berufung zurückgewiesen.

Worum ging es konkret?

Der Kläger war der Auffassung, die Fürsorgebehörde sei dafür zuständig, die Teilhabe und soziale Integration insbesondere während der Corona-Pandemie individuell so zu erbringen, dass die Folgen (Isolation/Ausgangssperre) und noch zu erwartende Folgen (weiterer Corona-Mutationen) langfristig kompensiert werden könnten. Gleiches gelte auch für die derzeitige Kriegsgefahr/Krisensituation mit allen damit verbundenen Gefahren und Kostenexplosionen. Die Wirksamkeit von Tier-Therapien und Begleithunden sei wissenschaftlich und medizinisch bekannt und belegt. Für solche Sonderleistungen sei weder der Regelsatz ausreichend, noch könne der Beklagte die Fürsorgepflicht auf Dritte abwälzen. Da er schon früher einen Begleithund gehabt habe, könne er die Wirksamkeit für diesen unabweisbaren Sonderbedarf belegen. Im Übrigen könne er nicht erkennen, was die Covid-Pandemie und die damit verbundenen o.g. Sonderleistungen mit § 24 SGB II zu tun haben sollten und welche soziologischen und psychologischen Fachgründe zur Ablehnung seines Antrags geführt hätten.

Er habe die Kostenübernahme für einen Begleithund als soziale Unterstützung während und insbesondere nach der Corona-Pandemie beantragt, um die schweren Folgen sozialer und finanzieller Isolation zu kompensieren, Tagesstrukturen zu entwickeln und soziale Kontakte/Teilhabe zu erlangen, die rund um die Uhr im Wohn- und Außenbereich bestünden. Eine solche Alternative zur Medizin stehe ihm nach dem Grundgesetz (GG) zu. Das Grundrecht auf freie Wahl der sozialen Kontakte und freie Entfaltung ergebe sich aus Art. 2, 3 und 4 GG, wonach jeder frei bestimmen könne, welche sozialen Kontakte und Teilhabe er sich wünsche. In seinem Bedarfsfall sei dies der dauerhafte Sozialkontakt zu einem Begleithund auf Lebenszeit, der ihm als Familienersatz zu gewähren sei. Was er unter Familie/Teilhabe verstehe und leben wolle, sei seine Entscheidung, die vom GG geschützt sei. Die Krankenkasse sei weder für soziologische Hilfen noch für die Corona-Isolation der Bundesregierung verantwortlich/zuständig. Dies sei Aufgabe der Fürsorgebehörde, die in dem Härte- und Isolationsfall des Klägers gemäß dem Sozialgesetzbuch, Strafgesetzbuch und Grundgesetz zur beantragten Sozialkontakt-Hilfe verpflichtet sei. Die Regelleistung ermögliche ihm keine soziale Teilhabe. Man solle ihm vorrechnen, wie er bei den Freizeitaktivitäten seiner Bekannten (E-Bike, Segway-PT, Segelsport, Motorsport, Reisen, Konzerte, Restaurants) regelmäßig teilhaben könne und wie er zusätzlich aus der Regelleistung seine Sozialkontakt-Präferenz Begleithund realisiert bekomme. Seine langjährige Begleithund-Haltung sei auch durch das Gewohnheitsrecht geschützt. Vor Corona sei es ihm möglich gewesen, einen Pflegehund über Futterspenden/Medizinspenden/Patenschaften zu versorgen. In der Pandemie habe sich dies drastisch verändert. Er sei durch Lockdowns weggesperrt worden. Direkte Kontakte und Besuche zu Bekannten und Züchtern seien gesetzlich verboten gewesen. In seiner Klage sei auch eine Feststellungs- und Verpflichtungsklage enthalten. Es solle klar festgestellt werden, ob sein individuelles Sozialkontaktbedürfnis Begleithund vom Sozialamt oder von der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) zu erfüllen/tragen seien. Diese Feststellung könnten Richter auch ohne ein Verfahren gegen die GKV treffen, weil jeder Sozialrichter die Leistungskataloge der Krankenversicherungen kenne und wisse, ob solche Kontaktbedürfnisse ein Bestandteil der KV-Leistungen seien oder nicht.

Dieser Argumentation vermochte das Landessoziagericht Baden-Württemberg nicht zu folgen.

Warum?

Eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für einen Mehrbedarf wegen Tierhaltung sieht das SGB II nicht vor. Soweit der Kläger geltend macht, das Sozialgericht hätte Sachverständigengutachten zur Beantwortung der Frage einholen müssen, ob in seinem Fall ein unabweisbarer, besonderer Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II bestehe, insbesondere hätte ein soziologisch-psychologisches Gutachten belegen können, dass durch die Haltung eines Begleithundes die von ihm behauptete Unterversorgung, soziokulturelle Ausgrenzung und soziale Isolation behoben werden könne, vermag sich das Landessozialgericht Baden-Württemberg dem nicht anzuschließen. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg stellt nicht in Frage, dass die Haltung eines Hundes dem Kläger eine Art sozialer Zuwendung/Familienersatz bieten und für die Aufrechterhaltung einer Tagesstruktur hilfreich sein kann. Hierzu ist keine weitere Sachaufklärung erforderlich.

Die Beantwortung der Frage, ob die Anschaffung und Unterhaltung eines Hundes als Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II geltend gemacht werden kann, ist indes keine Frage der (gutachterlichen) Sachverhaltsaufklärung, sondern eine Frage der Auslegung dieser Norm, die durch das Landessozialgericht Baden-Württemberg vorzunehmen ist. Danach bleibt es dabei, dass Hundehaltung nicht zu dem vom SGB II zu gewährleistenden Existenzminimum gehört2. Einen besonderen Bedarf im Sinne einer atypischen Bedarfslage vermag das Landessozialgericht Baden-Württemberg schon deshalb nicht zu erkennen, weil es in der Hand des Klägers selbst liegt, diesen Bedarf zu steuern: Anders als beispielsweise bei bestimmten Erkrankungen mit dauerhaft erhöhtem Hygienebedarf, die bei einem Leistungsberechtigten ggf. zwingend anfallen, denen er nicht ausweichen kann und für die eine Übernahme der Kosten über § 21 Abs. 6 SGB II als möglich angesehen wird3, kann der Kläger die Kosten einer Hundehaltung (oder überhaupt einer Tierhaltung) dadurch vermeiden, dass er sich eben keinen Hund anschafft.

Die Pflege sozialer Kontakte sowohl zu Hunde- als auch zu Nichthundebesitzern in seinem Wohnumfeld ist ihm unabhängig davon, ob er selbst einen Hund besitzt, uneingeschränkt möglich. Der Kläger befindet bzw. befand sich – auch unter Berücksichtigung der coronabedingten Isolationsvorschriften – nicht in einer außergewöhnlichen Lebenssituation, in der ohne die Bedarfsdeckung (Hundehaltung) verfassungsrechtlich geschützte Güter außerhalb der Existenzminimumsicherung gefährdet werden. Anders als beispielsweise Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts von Kindern bei getrenntlebenden Eltern, die einen Mehrbedarf unter dem Gesichtspunkt des Schutzes von Ehe und Familie nach Art. 6 GG begründen können, ist die Haltung von Tieren nicht grundgesetzlich geschützt. Eine konkrete und unmittelbare Gefährdung der Gesundheit des Klägers vermag der Senat nicht zu erkennen. Sie wird auch vom Kläger ausdrücklich nicht geltend gemacht, denn er hat sich bewusst nicht an seine Krankenkasse gewandt, weil er nach seinem eigenen Vortrag keine „medizinische“ Leistung in Form eines „Psychotherapie-Assistenzhunds“ braucht, sondern einen „Begleithund“ als „Sozialkontakt-Hilfe“.

Mangels rechtlicher Grundlage für die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Anschaffung und Haltung eines Hundes (wie allgemein für Tierhaltung) hat der Kläger die Aufwendungen hierfür aus der Regelleistung zu tragen, so das Landessozialgericht Baden-Württemberg weiter. Soweit er allgemein unter Hinweis auf geführte politische Diskussionen (auch im Zusammenhang mit der Einführung des Bürgergeldes) rügt, insgesamt seien die Folgen von Corona, Krieg und Katastrophen nicht durch den Regelsatz abgedeckt, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis: Denn die Härteklausel des § 21 Abs. 6 SGB II dient nicht dazu, einen generell für unzureichend erachteten Regelbedarf aufzustocken4.

Der Kläger kann höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts auch nicht unter dem Gesichtspunkt beanspruchen, dass der Gesetzgeber die Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, § 20 Abs. 1 und 2 SGB II in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt hätte. Ihm wurden im streitigen Zeitraum ab Oktober 2021 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts jeweils nach der Regelbedarfsstufe 1 (Alleinstehende / Alleinerziehende) in Höhe von 446,- EUR bewilligt. Vorliegend vermag das Landessozialgericht Baden-Württemberg auf der Basis des klägerischen Vortrags nicht zu erkennen, dass bei ihm eine derartige Unterdeckung aufgetreten ist, dass sie mit seinem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m Art. 20 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre. Die methodische Kalkulation und Bemessung der Regelbedarfe ist entgegen der Auffassung des Klägers (verfassungs-)rechtlich nicht zu beanstanden. Aufgrund des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers hat sich die materielle Kontrolle der einfachgesetzlichen Regelungen darauf zu beschränken, ob die Leistungen evident unzureichend sind. Selbst wenn die Leistungshöhe für den Regelbedarf in der Summe einer politischen Zielvorstellung entsprochen hat (die naturgemäß nicht jeder teilt, so z.B. wohl auch nicht die Teilnehmer an der vom Kläger angeführten TV-Sendung Monitor), ist dies nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden, wenn sie sich mit Hilfe verlässlicher Daten tragfähig begründen lässt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat die – gegenüber dem früheren Rechtszustand 2005 neuen – gesetzgeberischen Entscheidungen, sowohl die Referenzgruppe anders zuzuschneiden, als auch im Sinne eines „Methodenmix“ in Orientierung am Warenkorbmodell nachträglich einzelne Positionen aus dem durch die Auswertung der EVS gewonnenen Ergebnis herauszunehmen, als verfassungsgemäß akzeptiert. Die Regelbedarfe sind nicht evident unzureichend5. Diese Auffassung vertritt auch die fachgerichtliche Rechtsprechung einschließlich des Bundessozialgerichts6. Auch das Landessozialgericht Baden-Württemberg teilt die Auffassung, dass der Gesetzgeber den in §§ 19,20 SGB II geregelten Regelbedarf nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen hat.

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 20.6.2023, L 9 AS 2274/22

  1. SG Stuttgart, Gerichtsbescheid vom 04.07.2022 – S 15 AS 1259/22 []
  2. vgl. im Zusammenhang mit der Frage nach der Absetzbarkeit von Beiträgen zu einer Hundehaftpflichtversicherung vom zu berücksichtigenden Einkommen BSG, Urteil vom 08.02.2017 – B 14 AS 10/16 R []
  3. S. Knickrehm in Eicher/Luik/Harich, SGB II, 5. Aufl. 2021, § 21 Rn. 76 []
  4. BSG, Urteil vom 12.05.2021 – B 4 AS 88/20 R []
  5. BVerfG, Urteil vom 23.07.2014 – 1 BvL 10/12 []
  6. BSG, Urteile vom 12.07.2012 – B 14 AS 153/11 R; vom 01.12.2016 – B 14 AS 21/15 R; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.02.2016 – L 13 AS 3424/15; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.2013 – L 2 AS 404/13; LSG Hamburg, Urteil vom 19.03.2015 – L 4 AS 124/13 []

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