Wir hatten hier und an anderer Stelle schon mehrfach über den Streitpunkt berichtet, ob ein „American Bully“ unter die Listenhunde fällt oder nicht.
Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat nun im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens entschieden, dass ein Hund, dessen Vater ein American Bully ist, als Listenhund im Sinne des LHundG Rheinland-Pfalz einzustufen ist.
In dem entschiedenen Fall hatte sich ein Hundehalter gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Haltungsuntersagung seines Hundes gewandt, der von einem American Bully und einem Old English Bulldog abstammt.
Die beklagte Behörde, die Antragsgegnerin, hatte den Hund als gefährlichen Hund nach § 1 Abs. 2 LHundG Rheinland-Pfalz eingestuft, eine Haltungsuntersagung ausgesprochen und die sofortige Vollziehung angeordnet.
Den hiergegen gerichteten Antrag hat das Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße) zurückgewiesen1.
Die wiederum hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zurückgewiesen.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz hat das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung der Verfügungen im streitgegenständlichen Bescheid der Antragsgegnerin das Suspensivinteresse des Antragstellers überwiegt, da sich diese nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtmäßig erweisen und ihre Vollziehung eilbedürftig ist. Die vom Antragsteller in seiner Beschwerdeschrift hiergegen erhobenen Einwendungen gehen sowohl hinsichtlich der Qualifizierung seines Hundes als gefährlich im Sinne von § 1 Abs. 2 des Landesgesetzes über gefährliche Hunde – LHundG – als auch bezüglich der von der Antragsgegnerin nach § 7 Abs. 1 Satz 1 LHundG angeordneten Untersagung der Haltung des Hundes fehl.
Die Antragsgegnerin hat den Hund „A.“ zu Recht als gefährlich im Sinne von § 1 Abs. 2 LHundG eingestuft und dessen Gefährlichkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 LHundG festgestellt2.
Gemäß § 1 Abs. 2 LHundG sind Hunde der Rassen American Staffordshire Terrier und Staffordshire Bullterrier, Hunde des Typs Pit Bull Terrier sowie Hunde, die von einer dieser Rassen oder diesem Typ abstammen, gefährliche Hunde. Nach der Rechtsprechung des Senats bestimmt sich die Rassezugehörigkeit eines gefährlichen Hundes nach dem äußeren Erscheinungsbild (Phänotyp). Für Kreuzungen ist entscheidend, ob die maßgebenden Merkmale einer oder mehrerer der in § 1 Abs. 2 LHundG genannten Rassen oder Typen noch signifikant in Erscheinung treten3. Welche Merkmale einer Hunderasse maßgeblich sind, die bei Kreuzungen noch signifikant in Erscheinung treten müssen, lässt sich den Rassestandards für die Bestimmung der Rassezugehörigkeit nicht ohne weiteres entnehmen. Im Hinblick auf den Schutzzweck des Landesgesetzes über gefährliche Hunde ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, insbesondere an im Rassestandard aufgeführte äußere Merkmale anzuknüpfen, die zu der spezifischen Gefährlichkeit der Hunderasse beitragen, wie etwa Kopfform, Gebiss, Hals und Brust, Bemuskelung sowie Größe und Gewicht4.
In Einklang mit diesen rechtlichen Maßstäben hat das Verwaltungsgericht nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz zutreffend angenommen, dass es sich bei dem Hund um einen gefährlichen Hund handelt, weil bei ihm nach der sachverständigen Aussage der Amtstierärztin aufgrund der Begutachtung vom 7. Juli 2022 phänotypische Merkmale eines Staffordshire Terriers bzw. eines Pit Bull Terriers signifikant in Erscheinung treten, nämlich gerade einige die spezifische Gefährlichkeit der Rasse ausmachende Merkmale wie Kopfform, breiter Fang und muskulöser Körperbau.
Auch seine Widerristhöhe von zirka 50 cm bewegt sich innerhalb des vom Hundezuchtverband United Kennel Club – UKC – für den Pit Bull Terrier entwickelten Standards von 18 bis 21 inches, sprich 45,72 bis 53,34 cm5. Selbst sofern der Hund zum Begutachtungszeitpunkt noch nicht ausgewachsen gewesen sein und er den genannten „Rassestandard“ des UKC nunmehr geringfügig überschreiten sollte, stünde dies angesichts der Erfüllung der genannten phänotypischen Merkmale seiner Qualifizierung als gefährlich im Sinne von § 1 Abs. 2 LHundG nicht entgegen. Denn bei einem Mischlingshund ist nicht zu fordern, dass dieser alle Rassemerkmale eines Listenhundes erfüllen muss6.
Dieser Einstufung als gefährlicher Hund steht die vom Antragsteller vorgelegte tierärztliche Bescheinigung vom 27.09.2022, wonach sein Hund aus einer Verpaarung einer Old English Bulldog-Hündin und eines XXL Bullies, sprich eines großen American Bully-Rüdens, stammt, nicht entgegen, so das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz weiter.
Der Hund fällt aufgrund dieser Abstammung nicht aus dem Anwendungsbereich der Norm des § 1 Abs. 2 LHundG. Sowohl die Old English Bulldog-Hündin wie auch der American Bully-Rüde, mithin auch der streitbefangene Hund als deren Abkömmling, stammen genetisch jedenfalls von dem in § 1 Abs. 2 LHundG genannten Pit Bull Terrier ab. Denn dieser ist nach den Angaben des UKC, der derzeit als einziger Hundezuchtverband den Old English Bulldog als eigenständige Rasse anerkennt, in einen Old English Bulldog zu 1/6 hineingekreuzt7. Hinsichtlich des Vatertiers, dem American Bully, ist die genetische Abstammung von in § 1 Abs. 2 LHundG gelisteten Hunden als weit überwiegend zu qualifizieren. Denn der ebenfalls vom UKC und nicht von der Fédération Cynologique Internationale – FCI –, der Weltorganisation der Kynologie und größtem auf diesem Gebiet tätigen Fachverband3 als Rasse anerkannte American Bully entwickelte sich laut der Rassestandards des UKC ausschließlich aus gezielten Kreuzungen von Pit Bull Terriern und wurde erst später in einem geringen Umfang von verschiedenen Bulldograssen, wie American Bulldog, Englische Bulldogge sowie Old English Bulldog, beeinflusst8. Diese Herleitung der Herkunft des American Bully wird von der überwiegenden Fachwelt im Wesentlichen bestätigt. Einzig umstritten ist, ob in den ursprünglichen Züchtungen auch der American Staffordshire Terrier hineingekreuzt worden ist9. Dieser Streit ist vorliegend jedoch nicht entscheidungserheblich, so das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, da auch der von der FCI als Rasse anerkannte American Staffordshire Terrier in § 1 Abs. 2 LHundG genannt ist und der American Bully damit genetisch in jedem Fall weit überwiegend von in § 1 Abs. 2 LHundG gelisteten Hunden abstammt.
Soweit der Antragsteller unter Verweis auf die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen10 gegen die Anwendung von § 1 Abs. 2 LHundG auf seinen Hund einwendet, Mutter- wie auch Vatertier unterfielen nicht dem Anwendungsbereich der Norm, kann dem nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz nicht gefolgt werden. Seine dahingehende Begründung, es handele sich sowohl beim Old English Bulldog als auch beim American Bully um eigenständige Rassen, die nicht in § 1 Abs. 2 LHundG aufgeführt seien und daher könne sein Hund nicht von einem gefährlichen Hund abstammen, geht fehl. Denn zum einen ist diese Schlussfolgerung der zitierten Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen so nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht im dortigen Eilverfahren ausdrücklich offengelassen, ob es sich beim American Bully um eine eigenständige Rasse handelt und unter welchen Voraussetzungen jenseits der im nordrhein-westfälischen Landeshundegesetz – LHundG NRW – ausdrücklich erwähnten Rassen vom Vorliegen einer eigenständigen Rasse im Sinne dieses Gesetzes ausgegangen werden kann und hat – soweit ersichtlich – hierüber auch nicht in einem späteren Hauptsacheverfahren entschieden10.
Zum anderen steht die Qualifizierung von Old English Bulldog sowie American Bully als eigenständige Rassen im Sinne des vorliegend einschlägigen rheinland-pfälzischen Landesgesetzes über gefährliche Hunde im Widerspruch zur Systematik des Gesetzes. Denn dieses orientiert sich hinsichtlich der Definition von Hunderassen ausschließlich an den Festlegungen der FCI, weswegen der Pit Bull Terrier in § 1 Abs. 2 LHundG – anders als in § 3 Abs. 2 LHundG NRW – nicht als „Rasse“, sondern als „Typ“ bezeichnet wird11. Der Hintergrund der ausnahmsweisen Aufnahme des nicht von der FCI, aber vom UKC anerkannten Pit Bull Terriers in § 1 Abs. 2 LHundG liegt nach dem Willen des Landesgesetzgebers darin, dass der Pit Bull Terrier in Literatur und Fachwissenschaft dennoch als hinreichend identifizierbare Gruppe von Hunden beschrieben wird11. Wegen des Ausnahmecharakters der systemfremden Berücksichtigung des Pit Bull Terrier als „Hundetyp“ ist es aus Sicht des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz gerade nicht generell angezeigt, Hunde, die nicht von der FCI, aber von der UKC als Rasse anerkannt sind, als eigenständige „Rassen“ bzw. „Typen“ vom Anwendungsbereich von § 1 Abs. 2 LHundG auszunehmen.
Dies gilt jedenfalls für den American Bully, das Vatertier des streitbefangenen Hundes, weil dieser weit überwiegend vom Pit Bull Terrier abstammt. Selbst wenn man das Muttertier Old English Bulldog, das – wie ausgeführt – nur zu einem geringeren Anteil aus dem Pit Bull Terrier gezüchtet worden ist, als eigenständige Hunderasse ansähe, änderte dies demnach nichts daran, dass der Hund über das Vatertier von dem in § 1 Abs. 2 LHundG gelisteten Hundetyp Pit Bull Terrier abstammt.
Nichts anderes folgt, so das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz weiter, aus der vom Antragsteller mit der Beschwerdebegründung angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam12 zur restriktiven Auslegung der brandenburgischen Hundehalterverordnung – HundehV –. Denn diese gründet allein in der Auslegung von § 8 Abs. 2 HundehV, dessen Wortlaut nicht dem der rheinland-pfälzischen Regelung des § 1 Abs. 2 LHundG entspricht, sodass sie bereits aus diesem Grund nicht auf die rheinland-pfälzische Gesetzeslage übertragbar ist.
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.02.2023 – 7 B 11142/22.OVG
ECLI:DE:OVGRLP:2023:0209.7B11142.22.OVG.00
- VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 18.11.2022 – 5 L 888/22.NW [↩]
- vgl. zur Ermächtigungsgrundlage OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.12.2019 – 7 B 11563/19.OVG [↩]
- OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 30.10.2009 – 7 A 10723/09.OVG [↩] [↩]
- OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 07.11.2022 – 7 B 10840/22.OVG; OVG NRW, Urteil vom 03.12.2020 – 5 A 1033/18 [↩]
- vgl. Official UKC Breed Standard vom 1. Mai 2017 in englischer Sprache, abgerufen am 9. Februar 2023 unter https://www.ukcdogs.com/docs/breeds/american-pit-bull-terrier.pdf [↩]
- OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 07.11.2022 – 7 B 10840/22.OVG [↩]
- vgl. Pressemitteilung des UKC vom 12. April 2013 in englischer Sprache, abgerufen am 9. Februar 2023 unter https://web.archive.org/web/20130422111825/http:/www.ukcdogs.com/Web.nsf/News/UnitedKennelClubAnnouncest04122013105308AM [↩]
- vgl. Official UKC Breed Standard vom 1. Juli 2013 in englischer Sprache, abgerufen am 9. Februar 2023 unter https://www.ukcdogs.com/docs/breeds/american-bully-breed.pdf [↩]
- vgl. zum Meinungsstand VG Berlin, Urteil vom 10.11.2022 – 37 K 517/20; VG Bremen, Beschluss vom 06.01.2022 – 5 V 2372/21 [↩]
- OVG Münster, Beschluss vom 11.06.2018 – 5 B 222/18 [↩] [↩]
- vgl. LT-Drucks. 14/3512, S. 10 [↩] [↩]
- VG Potsdam, Beschluss vom 27.03.2013 – 3 L 104/13 [↩]