Der angebliche Miniatur-Bullterrier: Wenn Phänotyp und Ahnentafel nicht passen …

Es ist eine immer wiederkehrende Diskussion, ob ein Hund als Miniatur-Bullterrier oder als (Standard-) Bullterrier einzustufen ist. Hierüber hatten wir hier schon mehrfach berichtet (z.B. hier, hier und hier).

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte nun über einen Rechtsstreit zu entscheiden, bei dem es um die Heranziehung einer Hundehalterin zu der erhöhten Hundesteuer für einen gefährlichen Hund ging.

Die Hundehalterin vertrat die Auffassung, es handele sich um einen Miniatur-Bullterrier, während die beklagte Kommune den Hund als Bullterrier und damit als „gefährlichen Hund“ einstufte.

Mit ihrer Klage gegen den Hundesteuerbescheid hatte die Hundehalterin keinen Erfolg.

Warum?

a) Nach den Vorschriften der Hundesteuersatzung erhebt die Beklagte für jeden im Gemeindegebiet gehaltenen über drei Monate alten Hund – wie den von der Klägerin in den streitgegenständlichen Kalenderjahren 2020, 2021 und 2022 gehaltenen Hund „Morty“ – eine Hundesteuer (vgl. § 1 Abs. 2, § 3 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 HStS). Gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. a) HStS beträgt die Steuer im Kalenderjahr für jeden Hund 120 Euro; nach § 5 Abs. 1 Buchst. b) HStS fällt für jeden zweiten sowie jeden weiteren Hund eine Steuer i. H. v. 240 Euro an. Abweichend hiervon regelt § 5 Abs. 1 Buchst. c) HStS für das Halten eines gefährlichen Hundes im Sinne des § 6 HStS einen Steuersatz von 600 Euro. Gefährliche Hunde im Sinne der Hundesteuersatzung der Beklagten sind nach § 6 Satz 1 HStS solche Hunde, bei denen nach ihrer besonderen Veranlagung, Erziehung und/oder Charaktereigenschaften die erhöhte Gefahr einer Verletzung von Menschen oder Tieren besteht oder von denen eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgehen kann. Hierzu gehören gemäß § 6 Satz 2 HStS insbesondere Hunde, die bestimmten Rassen angehören, unter denen auch der Bullterrier aufgeführt wird (Buchst. b)).

Ein Satzungsgeber, der „Kampfhunde“ wegen ihrer potenziellen Gefährlichkeit erhöht besteuern will, kann zu diesem Zweck Rasselisten aus einer der Gefahrenabwehr dienenden landesrechtlichen Regelung übernehmen, ohne eigene Erhebungen über die Gefährlichkeit der erfassten Hunderassen anstellen zu müssen1. Die Aufzählung der einzelnen Hunderassen in § 6 Satz 2 HStS folgt ersichtlich formalen Rassebegriffen2. Soweit die Beklagte einzelne Hunderassen aufzählt, definiert sie diese nämlich nicht selbst, sondern orientiert sich an § 1 Abs. 2 und 3 Polizeiverordnung des Innenministeriums und des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz über das Halten gefährlicher Hunde vom 03.08.2000 (PolVOgH). Der Verordnungsgeber der Polizeiverordnung greift wiederum auf allgemein anerkannte Rassedefinitionen, insbesondere durch die großen nationalen und internationalen kynologischen Fachverbände zurück, in denen eine Rasse anhand phänotypischer, durch Vererbung übertragbarer Merkmale (Standards) beschrieben und so eine Zuordnung eines einzelnen Hundes zu dieser Rasse ermöglicht wird. Dies unterscheidet die Regelung von denjenigen anderer Bundeländer, wie etwa Sachsen-Anhalt, die eine gesetzliche Definition bestimmter Merkmale der einzelnen als Kampfhunde normierten Hunderassen vorsehen (vgl. dort Anlage 6 zu § 4a LHundeG).

Der Aufzählung der Hunderassen und -gruppen in § 1 Abs. 2 PolVOgH (respektive § 6 Satz 1 HStS), bei denen die Kampfhundeeigenschaft vermutet wird, liegt die Annahme des Verordnungsgebers zu Grunde, dass von diesen Rassen und Gruppen eine gesteigerte abstrakte Gefahr ausgeht, die bei Terriern insbesondere durch das frühere Zuchtziel als Kampfhunde für Hundekämpfe bedingt ist und sich vielfach in einer hohen Kampfkraft und Aggressivität äußert. Der Verordnungsgeber ist ferner davon ausgegangen, dass ein übersteigertes Aggressionsverhalten auch erblich bedingt sein und daher weitervererbt werden kann. Diese Annahmen des Verordnungsgebers sind rechtlich nicht zu beanstanden3. Die gesetzliche Vermutung der Gefährlichkeit hat der Verordnungsgeber auf Grund des Umstands, dass die genetische Disposition auf Grund (früherer) Zuchtauslese nicht bei allen Individuen einer Rasse zwingend zu einer besonderen Gefährlichkeit führt, durch Möglichkeiten des Gegenbeweises in § 1 Abs. 2 PolVOgH ergänzt. Dies ist nicht zu beanstanden4.

Die zum Teil aufgeworfene Frage, ob die in § 1 Abs. 2 und 3 PolVOgH vorgenommene implizite Verweisung auf nach ihrer Nomenklatur durch die Hundezuchtverbände beschriebene und definierte Rassen, dynamisch oder statisch ist, mag im Ergebnis auf sich beruhen, so das Verwaltungsgericht Karlsruhe. Denn selbst, wenn man eine statische Verweisung annähme5, so wäre angesichts der historischen Entwicklung der Rassestandards der kynologischen Fachverbände zum Miniatur Bullterrier und deren Verbreitung in Deutschland auch in diesem Fall anzunehmen, dass dieser dem Verordnungsgeber beim Erlass der Polizeiverordnung gefährliche Hunde im Jahr 2000 bewusst gewesen sein muss. Denn der Rassestandard des Miniatur Bullterrier der Fédération Cynologique Internationale (nachfolgend: FCI) ist jedenfalls seit dem Jahr 1998 – seinerzeit noch als Unterabschnitt des Rassestandards des „Bullterriers“ – mit den heutigen Rassemerkmalen in Deutschland veröffentlicht6. Die Trennung der Rassestandards der beiden Hunderassen im Jahr 2011 sei nach den Angaben des FCI dem Umstand der wiederholten Verwechslungen zwischen den beiden Rassen geschuldet gewesen7. Ferner finden sich ausführliche Beschreibungen zur Rasse des Miniatur Bullterriers bereits aus dem Zeitraum vor Inkrafttreten der Polizeiverordnung gefährliche Hunde am 03.08.2000.

Angesichts des Umstands, dass der Verordnungsgeber die Rasse des „Bullterriers“ gemäß Rassestandard des FCI in § 1 Abs. 2 PolVOgH aufgenommen hat, kann mit Blick auf den Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung im Jahr 2000 sowie die Regelungsmethodik in § 1 PolVOgH nicht angenommen werden, der Verordnungsgeber hätte mit der Formulierung „Bullterrier“ zugleich auch den Miniatur Bullterrier erfassen wollen. Der Verweis auf die Rechtslage in Sachsen-Anhalt, wonach der Miniatur Bullterrier dem Bullterrier gleichgestellt ist8, führt mit Blick auf die Rechtslage in Baden-Württemberg nicht zu einer anderen Bewertung. Denn der hiesige Verordnungsgeber hat – anders als der sachsen-anhaltinische Gesetzgeber – gerade keine gesetzliche Definition des Bullterriers oder des Miniatur Bullterriers durch Verweis oder bloße wortlautgetreue Wiedergabe eines bestimmten Rassestandards eines kynologischen Fachverbands (dort der FCI) eingeführt8. Der Verordnungsgeber in Baden-Württemberg hat vielmehr eine allgemeine Rassedefinition ohne nähere Angaben oder Eingrenzungen zugrunde gelegt. Auf Grund des Umstands, dass zum damaligen Zeitpunkt bereits von verschiedenen kynologischen Fachverbänden (in materieller Hinsicht auch bereits vom FCI) eine Unterscheidung der Rassen vorgenommen wurde, ist davon auszugehen, dass sich der Verordnungsgeber der seinerzeit bereits ersichtlichen Unterschiedlichkeit der Rassen des Bullterriers und des Miniatur Bullterriers durchaus bewusst gewesen ist. An diesem Ergebnis vermag schließlich auch der Umstand nichts zu ändern, dass § 1 Abs. 2 PolVOgH neben „Rassen“ von „Gruppen“ von Hunden spricht. Nach der Nomenklatur des FCI zählen zwar beide Rassen zur Gruppe 3 „Terrier“ nach FCI-Nomenklatur. Dies führt angesichts des Umstands, dass eine Vielzahl weiterer Rassen außerhalb der Aufzählung in § 1 Abs. 2 PolVOgH dieser Gruppe zugehören, zu keiner nach dem Telos der Vorschrift gebotenen Gleichbehandlung von Miniatur Bullterrier und Bullterrier.

Demnach hält sich der baden-württembergische Verordnungsgeber für die Zuordnung eines Hundes an die Rassestandards, die von der FCI vorgegeben werden. Diese ist die Weltorganisation der Kynologie9. Die FCI hat sowohl für den Bullterrier als auch für den Miniatur Bullterrier – wie erwähnt – Rassestandards veröffentlicht10. Wesentliches Unterscheidungskriterium der beiden Rassen ist die Größe, genauer gesagt die Widerristhöhe11. Während für die Rasse der Bullterrier keine Größenangaben vermerkt sind12, soll bei einem Miniatur Bullterrier eine Widerristhöhe von 35,5 cm nicht überschritten werden13. Die im Übrigen wortgleichen Beschreibungen der Hunderassen unterscheidet sonst lediglich nach „höchstmöglicher Substanz“, die ein Bullterrier aufweisen müsse gegenüber des bei Miniatur Bullterriern vorhandenen Eindrucks von Substanz im Verhältnis zur Größe des Hundes.

Für die Bestimmung der Rassezugehörigkeit, insbesondere von Hunden, die im Verdacht stehen, „Kreuzungshunde“ im Sinne des § 1 Abs. 2 PolVOgH zu sein, stehen, so das Verwaltungsgericht Karlsruhe weiter,  mittlerweile in technisch-wissenschaftlicher Hinsicht verschiedene Methoden zur Verfügung. In Betracht kommt hiernach nach den Vorgaben des § 1 PolVOgH zunächst die Bestimmung nach dem Phänotyp anhand des hinreichend deutlichen Hervortretens von Merkmalen der hergebrachten Rassestandards der in Rede stehenden Hunderassen. Ferner ist – angesichts des vom Verordnungsgeber gewählten, streng an der Nomenklatur der Hundezuchtverbände orientierten Rassebegriffs in § 1 PolVOgH – auch die Betrachtung der Genealogie des jeweiligen Hundes eine weitere Möglichkeit zur Rassebestimmung. Schließlich besteht, mit der zuvor genannten genealogischen Bestimmungsmethode im Ausgangspunkt verwandt, die Möglichkeit, die Rasse eines Hundes anhand seines Genotyps mittels DNA-Analyse zu bestimmen. Beide letztgenannten Methoden greifen den Genotyp des Hundes auf und leiten hieraus – mit dem gefahrenabwehrrechtlichen Regelungsgedanken des § 1 PolVOgH übereinstimmend – die rasse- und zuchtspezifische Gefährlichkeit des Hundes ab. Sie unterscheiden sich darin, dass die DNA-Analyse induktiv wirkt, während die genealogische Betrachtung deduktiv aus der Prämisse der Rasse-zugehörigkeit der Ahnen eines Hundes dessen eigene Rassezugehörigkeit (oder Kreuzungseigenschaft) logisch ableitet.

Die Bestimmung der Rassezugehörigkeit hat sich – so das Verwaltungsgericht Karlsruhe weiter – in Zweifelsfällen sämtlicher dieser Möglichkeiten zu bedienen, wobei im Einzelfall auch eine oder mehrere der Methoden bereits ein mit Blick auf das Maß der Überzeugung des Gerichts (vgl. § 108 Abs. 1 VwGO) ein hinreichend genaues Ergebnis liefern können. Die Rassebestimmung anhand der einzelnen Methoden stellt dabei einen Vorgang wertender Gesamtbetrachtung dar14.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist in dem konkreten Fall nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe die Annahme der Beklagten, es handele sich beim Hund der Klägerin um einen Bullterrier, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen für die Festsetzung des erhöhten Steuersatzes in Höhe von 600 Euro sind demnach mit Blick auf den Hund „Morty“ in den Jahren 2020, 2021 und 2022 erfüllt, weil es sich bei diesem nicht um einen Miniatur Bullterrier, sondern um einen Bullterrier handelt.

Die phänotypischen Merkmale des Hundes der Klägerin sprechen bei isolierter Betrachtung gegen dessen Zugehörigkeit zur Rasse Miniatur Bullterrier, sodass die Annahme jedenfalls eines Kreuzungshundes oder gar eines Bullterriers nahe liegt. Die Amtstierärztin der Beklagten hat in zwei Messdurchgängen des Hundes letztlich eine Widerristhöhe von 41,8 cm ermittelt.
 
Liegt die Widerristhöhe oberhalb von 39 cm, ist angesichts der deutlichen Überschreitung der Soll-Größe des Rassestandards jedoch regelmäßig nicht mehr von einem Miniatur Bullterrier auszugehen. Nach den vorstehend genannten – kynologischen – Maßgaben ist eine Abgrenzung der Rasse der Bullterrier von der der Miniatur Bullterrier objektiv vor allem im Hinblick auf deren Größe möglich. Die Abgrenzung orientiert sich daran, in welchem Umfang die Widerristhöhe überschritten wird. Je weniger die Widerristhöhe über 39 cm liegt, umso eher kommt ein Überwiegen des Phänotyps des Miniatur Bullterriers noch in Betracht15. Im Umkehrschluss ist die Zugehörigkeit eines Hundes zu der Rasse des Bullterriers umso wahrscheinlicher, je größer die Überschreitung der Widerristhöhe von 39 cm ist.

Eine solche deutliche Überschreitung liegt bei „Morty“ vor: Dieser weist augenscheinlich der Dokumentation der Amtstierärztin eine Widerristhöhe von 41,8 cm und damit eine Überschreitung der Soll-Widerristhöhe um knapp 18 % auf. Er überschreitet ferner die – nach den Zuchtordnungen der beiden wesentlichen Rassezuchtverbände in der Regel ein Zuchtverbot auslösende – Obergrenze von 39 cm Widerristhöhe um weitere 2,8 cm. Dies führt zu der widerleglichen Vermutung, dass es sich bei dem Hund „Morty“ um einen Bullterrier handelt.

Diesen Feststellungen ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Sie hat lediglich pauschal in ihrer Klagebegründung wie auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung angegeben, die von der Amtsveterinärin der Beklagten ermittelte Größenangabe der Veterinärin sei unzutreffend, da der Hund nur knapp 41 cm groß sei. In der mündlichen Verhandlung hat sie dann erstmals behauptet, die Veterinärin habe falsch gemessen und habe letztlich „nur“ 40,8 cm gemessen. Angesichts der wiederholten Messungen von zunächst 42 cm (händisch gemessen) und sodann von 41,8 cm mittels Körmaß vermag die bloße Behauptung der Klägerin, ihr Hund weise eine – letztlich nicht nachgewiesene – andere Widerristhöhe auf, das Messergebnis der Amtsveterinärin der Beklagten nicht substantiiert in Zweifel zu ziehen. Insbesondere zeigt die Klägerin nicht konkret auf, worin eine etwaige Fehlmessung begründet sein könnte oder welche konkrete Widerristhöhe ihr Hund nach ihren eigenen (oder durch sie veranlassten Messungen) aufweisen sollte.

Die Klägerin ist der Bestimmung der Rassezugehörigkeit nach dem Phänotyp, insbesondere nach der Widerristhöhe, auch sonst nicht substantiiert entgegengetreten. Zwar bestehen, worauf die Klägerin zutreffend hinweist, nach (nicht unumstrittener) Auffassung von Experten gewisse, die beiden hier in Rede stehenden Bullterrierrassen charakterisierende Unterscheidungsmerkmale der FCI nach der „Substanz“ und „Harmonie“16. Insofern ist die Klägerin der Rassebestimmung jedoch ebenfalls nur pauschal und abstrakt entgegengetreten, indem sie lediglich schlagwortartig und im Übrigen pauschal behauptend einwendet, ihr Hund weise nicht die „höchstmögliche Substanz“ eines Bullterriers auf, was sich bereits aus seinem „lächerlichen Gewicht von knapp 18 kg“ ergebe. Abgesehen von dem Umstand, dass ein Gewicht von 18 kg nach den allgemein zugänglichen Informationen keineswegs zwingend für eine Zugehörigkeit zur Rasse eines Miniatur Bullterriers spricht, zeigt die Klägerin mit Blick auf die vorgeblich geringere „Substanz“ ihres Hundes keinerlei am Körperbau orientierte Umstände auf. Sie belässt es vielmehr letztlich bei der bloßen Behauptung, ihr Hund mit seiner – nicht weiter konkretisierten Erscheinung – weise eben keine „höchstmögliche Substanz“ auf. An dieser Pauschalität vermag auch die „Bestätigung“ der Tierärztin Dr. Sissi Jaggy vom 27.06.2022 nichts zu ändern. Diese dokumentiert lediglich das aktuelle Gewicht von „Morty“ – 17,8 kg – und gibt schlagwortartig an, dass es sich bei diesem laut Ahnentafel (dort eingesehen) um einen Miniatur Bullterrier handle, was von seiner Substanz her aus zu ihrer Einschätzung passe. Auch diese „Bestätigung“ bleibt völlig oberflächlich und damit ungeeignet, die Einordnung des Hundes „Morty“ als Bullterrier substantiiert in Frage zu stellen.

Die auf phänotypischer Grundlage gebildete Annahme erschüttert auch die genealogische Bewertung des Hundes der Klägerin nicht. Diese hat mit Schriftsatz vom 28.09.2022 ein Ahnentafel-Register ihres Hundes des „Internationalen Hunde Verbands e. V.“ (im Folgenden: IHV) vorgelegt. Dieses Ahnentafel-Register ist nicht geeignet, ihren Hund als reinrassigen Miniatur Bullterrier auszuweisen.

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hält das vom IHV ausgestellte Ahnentafel-Register auf Grund verschiedener Umstände für nicht ausreichend aussagekräftig und daher unbeachtlich.

Zum einen legt bereits der IHV als Aussteller der Ahnentafel – im Gegensatz zu anderen Rassezuchtverbänden des Miniatur Bullterriers – offensichtlich keinen gesteigerten Wert auf die Eigenschaft einer von ihm ausgestellten Ahnentafel als Abstammungsnachweis von Hunden der Rasse Miniatur Bullterrier. Denn er wirbt auf seiner Website mit der Wendung: „Bei uns zählt nicht das Papier, sondern das Tier!“17. Der IHV selbst stellt damit nicht die (inhaltliche) Richtigkeit der Papiere, die er für die Tiere ausstellt, in den Vordergrund. Mit dieser „Werbung“ macht der IHV vielmehr deutlich, dass er nicht die Herkunft eines Tieres, mithin seine Vorfahren und ob diese Rassehunde sind oder nicht, für beachtenswert hält, sondern alleine das Wohl des Tieres in den Vordergrund stellt. Das hiermit in erster Linie postulierte – und allgemein im Rahmen der Hundezucht unstreitig zu beachtende – Tierwohl ist für die Zuordnung eines Hundes zu einer Rasse indessen kein geeignetes Kriterium.

Zudem zeigen die Zuchtbuchbestimmungen (nachfolgend ZBB) des IHV18, dass der IHV – anders als die Klägerin meint – nicht die Rassestandards der FCI einhalten möchte. In § 1 ZBB heißt es, dass der IHV die Zuchtzulassungsbestimmungen der einzelnen Rassen nach den Rassevorgaben der IDA International Dog Association e.V. und der ACW Alianz Canine Worldwide ausrichte. Die Bestimmungen der FCI lehnt er nach eigenem Bekunden deutlich ab19: „Mit der Gründung wurde ein Verband geschaffen in dem sich ALLE ehrlichen Hundefreunde wohl fühlen können. In dem weder die Vereinszugehörigkeiten von Züchtern unserer Vierbeiner, weder die Ahnentafel, noch die Rassezugehörigkeit des Vierbeiners, oder gar der soziale Stand des Hundehalters eine Rolle spielen.“ … „Wir wollen die Zucht von gesunden Hunden fördern, die sich nicht nur den Richtlinien der FCI-Verbände unterwerfen.“. Ferner ist der IHV nicht im VDH mitgliedschaftlich organisiert20.

Dem Verwaltungsgericht Karlsruhe sind – so seine Ausführungen – aus anderen Verfahren Zuchtordnungen verschiedener Hundevereine bekannt. Nach den Vorgaben21 des Deutschen Clubs für Bullterrier e. V. (im Folgenden: DCBT), der im Verband für das Deutsche Hundewesen (nachfolgend: VDH) als nationalem Hundezuchtdachverband mitgliedschaftlich organisiert ist, ist für die Ausstellung einer Ahnentafel bzw. der Vornahme eines Eintrags in das Zuchtbuch des Verbands notwendig, dass der Hund über drei Generationen hinweg von rassereinen Miniatur Bullterriern abstammt. (vgl. § 8 Nr. 1 DCBT-Zuchtordnung). Verbindlich sind das internationale Zuchtreglement der FCI und die Zucht-Ordnung des Verbandes für das Deutsche Hundewesen (VDH) für alle Mitglieder des DCBT e.V. (Präambel der DCBT-Zuchtordnung). § 3 Nr. 1 DCBT-Zuchtordnung sieht unter anderem vor, dass zur Zucht nur Hunde zugelassen werden, die durch eine Ahnentafel als rasserein nachgewiesen sind. Eine Zucht mit Hunden, die – ohne Abstammungsnachweis – lediglich anhand des Phänotyps beurteilt worden sind, ist ausgeschlossen (vgl. § 3 Nr. 2 DCBT-Zuchtordnung). Auch eine bloße Eintragung der Hunde in das Register zum Zuchtbuch des DCBT (vgl. § 8 Nr. 4 und 5 DCBT-Zuchtordnung) ist möglich – dabei erhält der Hund jedoch keine Zuchtbuchnummer, sondern eine Registernummer. Erst nach einer genealogischen Abfolge von drei Generationen mit Registereintragungen kann eine Übernahme in das Zuchtbuch erfolgen.

Nach § 1 der Zuchtordnung der Gesellschaft der Bullterrier Freunde e. V. (nachfolgend: GBF) werden zur Zucht nur Hunde zugelassen, die durch eine von der FCI anerkannte Ahnentafel als rasserein nachgewiesen sind (https://www.gb-f.de/downloads.html, zuletzt abgerufen am 24.02.2023). Nach § 4 Unterpunkt 2 Nr. 1 GBF-Zuchtordnung sind wiederum zur Zuchtzulassungsprüfung nur Hunde zugelassen, die eine VDH-/FCI-Ahnentafel oder eine GBF-Registrier-Bescheinigung vorweisen können und nicht mit einem Zuchtverbot belegt sind.

In der Gesamtschau ist daher – so das Vrwaltungsgericht Karlsruhe weiter – anzunehmen, dass der IHV nicht zentral die Einhaltung der nach FCI geltenden Rassestandards verfolgt und diese zur Grundlage der Ausstellung von Abstammungsnachweisen hernimmt. Nach dem oben Gesagten ist die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer bestimmten Rasse jedoch nach Vorstellung des Verordnungsgebers anhand der hergebrachten Rassestandards, insbesondere auch der FCI, festzustellen. Damit vermag eine Ahnentafel des IHV grundsätzlich nicht hinreichend eindeutig die genealogisch abzuleitende Rassezugehörigkeit eines Hundes zu bestätigen.

Ferner ist das Ahnentafel-Register selbst nur lückenhaft ausgefüllt und damit auch aus sich heraus nicht geeignet ist, eine genealogisch lückenlose Abstammung nachzuweisen. So sind zwar Angaben über die Eltern und die Großeltern des Hundes „Morty“ vorhanden. Es fehlen jedoch jegliche Angaben über die Eltern seiner Großmutter, mithin über ein Urgroßelternpaar als Teil der dritten Vorfahrengeneration. Für den Hund der Klägerin wäre daher nach den Vorgaben der beiden genannten Rassezuchtverbände die Ausstellung einer Ahnentafel ausgeschlossen.

Sein Vater – „Ideal von der Gramme Aue“ – trägt die Zuchtbuchnummer „MHZV …“. „MHZV“ steht für Mitteldeutscher Hundezucht Verband e.V. Die Zuchtordnung ist auf der Homepage nicht verfügbar22. Der Verband ist ebenfalls nicht im VDH mitgliedschaftlich organisiert23. Welche Standards für die Zucht im MHZV gelten, ist demnach völlig unklar. Daher ist weder von der Klägerin dargetan noch sonst ersichtlich, dass es sich bei „Ideal von der Gramme Aue“ um einen rassenreinen Miniatur Bullterrier handelt.

Die Mutter von „Morty“ – „Conquest of Paradise vom Hause Wilke“ (im Folgenden: „Wilke“) – hat eine Zuchtbuchnummer der GBF, „GBF G …“. Wie oben beschrieben müsste die Hündin nach der Zuchtordnung der GBF durch eine von der FCI anerkannte Ahnentafel als rasserein nachgewiesen sein. Ihre Mutter wiederum – „Red Poison Paula“ – verfügt lediglich über eine Registereintragung beim GBF (in der Ahnentafel heißt es: „Reg.AT-GBF …“). Da die Eltern von „Red Poison Paula“ offensichtlich unbekannt sind, ist die Vergabe einer Registereintragung und nicht einer Zuchtbuchnummer nachvollziehbar. Insofern verwundert es die Kammer, dass „Wilke“ eine Zuchtbuchnummer erhalten haben soll. Nach § 13 GBF-Zuchtordnung werden Hunde mit nicht vollständiger Ahnentafel (drei Generationen) nämlich ins Register eingetragen und erhalten Registerbescheinigungen. In der Konsequenz hätte also „Wilke“ ebenfalls eine Registernummer erhalten müssen. Erst ein Abkömmling 1. Generation vom Hund der Klägerin hätte nach den Zuchtregularien der GBF die Chance, eine Eintragung in das Zuchtbuch mit Zuchtbuchnummer zu erhalten.

In diesem Zusammenhang ist schließlich zu beachten, dass die Klägerin vorliegend ohnehin keine Ahnentafel, sondern ein Ahnentafel-Register vorgelegt hat, so das Verwaltungsgericht Karlsruhe weiter.

Nach § 7 ZBB sind die Ahnentafeln Abstammungsnachweise und beurkunden die Rasse und alle anderen Angaben der Welpen. Der Inhalt der Ahnentafel müsse mit den Eintragungen in das Zuchtbuch des IHV übereinstimmen. Nach 8 § ZBB müssen für die Eintragungen in das Zuchtbuch des IHV vom Züchter mindestens drei Generationen bei den Vorfahren mittels vom IHV anerkannten Ahnentafeln oder vollständigen Registerkarten nachgewiesen werden. Soweit dieser Nachweis der Vorfahren nicht erbracht werden könne, werde für den jeweiligen Wurf eine Registerkarte (Ahnennachweis) ausgestellt. Hunde mit einer Registerkarte könnten ab der vierten Generation wieder in das Zuchtbuch eingetragen werden.

Demnach geht vorliegend selbst der IHV nicht davon aus, dass es sich bei „Morty“ um einen nachgewiesen reinrassigen Miniatur Bullterrier handelt. Vielmehr hat der IHV für „Morty“ offensichtlich auf Grund einer nicht in drei Generationen nachgewiesenen Ahnentafel lediglich ein Ahnentafel-Register und keine Ahnentafel ausgestellt.

In der Konsequenz ist damit – auch nach den Regularien des IHV selbst – genealogisch gerade nicht nachgewiesen, dass es sich bei dem Hund um einen reinrassigen Miniatur Bullterrier handelt.

Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil vom 08.02.2023 – 2 K 2392/22

 

  1. BVerwG, Beschluss vom 28.07.2005 – 10 B 34.05; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.03.2009 – 2 S 1619/08 []
  2. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2001 – 1 S 2346/00 für § 1 Abs. 2 PolVOgH []
  3. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.08.2020 – 1 S 1263/20, VBlBW 2021, 72; Urteile vom 16.10.2001 – 1 S 2346/00, VBlBW 2002, 292; 26.04.1999 – 1 S 2214/98, NVwZ 1999, 101 []
  4. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.08.2020 – 1 S 1263/20, VBlBW 2021, 72 []
  5. OVG Münster, Urteil vom 17.02.2020 – 5 A 1631/18 []
  6. VG Magdeburg, Urteil vom 02.04.2012 – 2 A 13/11; VG Aachen, Urteil vom 27.1.2006 – 6 K 903/05 []
  7. VG Meinigen, Urteil vom 26.02.2013 – 2 K 361/12 Me []
  8. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.06.2021 – 3 L 107/19 [] []
  9. https://www.fci.be/de/Prasentation-unserer-Organisation-4.html, zuletzt abgerufen am 24.02.2023 []
  10. https://www.fci.be/de/nomenclature/3-Terrier.html, zuletzt abgerufen am 24.02.2023 []
  11. https://www.fci.be/Medias/STD-ANA-de-.jpg, zuletzt abgerufen am 24.02.2023 []
  12. https://www.fci.be/Nomenclature/Standards/011g03-de.pdf, zuletzt abgerufen am 24.02.2023 []
  13. https://www.fci.be/Nomenclature/Standards/359g03-de.pdf, zuletzt abgerufen am 24.02.2023 []
  14. vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.08.2020 – 1 S 1263/20, VBlBW 2021, 72; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.03.2019 – 5 A 1210/17, NWVBl 2019, 338 []
  15. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.03.2019 – 5 A 1210/17 []
  16. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.02.2020 – 5 A 1631/18; VG Minden, Urteil vom 31.08.2022 – 11 K 2052/20; VG Aachen, Urteil vom 27.01.2006 – 6 K 903/05 []
  17. https://www.hundeverband.info/, zuletzt abgerufen am 24.02.2023 []
  18. https://www.hundeverband.info/index.php/zucht/zuchtbuchbestimmungen, zuletzt abgerufen am 24.02.2023 []
  19. https://www.hundeverband.info/index.php/verband/ziele-und-gruendungsidee, zuletzt abgerufen am 24.02.2023 []
  20. https://welpen.vdh.de/hunderassen/rasselexikon/vereine/liste-vereine/seite?tx_provider_vereinelist%5Bquery%5D=Internationaler+Hundeverband+e.+V.&cHash, zuletzt abgerufen am 24.02.2023 []
  21. https://www.dcbt.de/formulare-ordnungen/, zuletzt abgerufen am 24.02.2023 []
  22. vgl. https://www.mitteldeutscher-hundezucht-verband.de/zuechter/zuchtbestimmungen, zuletzt abgerufen am 24.02.2023 []
  23. vgl. https://welpen.vdh.de/hunderassen/rasselexikon/vereine/liste-vereine/seite?tx_provider_vereinelist%5Bquery%5D=Mitteldeutscher+Hundezucht+Verband+e.V.&cHash=, zuletzt abgerufen am 24.02.2023 []

Sie sind derzeit offline!