Das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr war offensichtlich wenig begeistert von einer Vergütungsklage von einer Tierarztpraxis, die 1.218,01 € an Honorar einklagte.
Was war passiert?
Im Juli 2014 begab sich die Beklagte mit ihrem Mischlingshund „Sally“ in die Kleintierpraxis der Kläger, um diesen behandeln zu lassen, da das Tier am ganzen Körper Krampfanfälle bekommen hatte. Der Kläger zu 2) war der behandelnde Arzt des Hundes.
Dem Hund wurden zunächst Medikamente verabreicht, welche den Zustand jedoch nicht verbesserten. Eine vorgenommene Blutuntersuchung ergab ebenfalls keine Auffälligkeiten.
Der Kläger zu 2) fertigte daraufhin Röntgenaufnahmen an, auf dem ein Fremdkörper, der richtigerweise als Nadel eingeordnet wurde, zwischen Speiseröhrenausgang und Mageneingang erkennbar war.
Zur Entfernung des Fremdkörpers wurde in der Praxis durch den Kläger zu 2) eine Probelaparatomie durchgeführt. Dabei wurden der Brustkorb und der Magen des Hundes geöffnet, um die Nadel durch Ertasten zu entfernen. Bei dem Eingriff konnte der Kläger zu 2) die Nadel jedoch weder im Magen noch im Mageneingangsbereich ertasten und somit auch nicht entfernen. Der Magen und der Bauch des Hundes wurden wieder verschlossen.
Der Hund wurde nach dem Eingriff drei Tage und Nächte zur Beobachtung und Kontrolle in der Praxis behalten.
Am 25.07.2015 zeigte sich der Allgemeinzustand des Tieres als stabil, so dass der Hund nach Rücksprache mit der Beklagten nach Hause entlassen wurde.
Die Beklagte erschien in der Folgezeit nicht mehr bei den Klägern.
Am 27.07.2014 besuchte die Beklagte mit ihrem Hund die Tierklinik am Kaiserberg in Duisburg, da sich der Zustand des Tieres verschlechtert hatte. Dort wurde ein CT durchgeführt. Dieses zeigte, dass sich die Nadel nun in der Lunge des Tieres befand. Daraufhin wurde das Tier in der Klinik operiert und der Fremdkörper wurde entfernt. Der Hund überlebte den lebensbedrohlichen Eingriff.
Für die tierärztlichen Leistungen der Kläger erstellten diese am 21.08.14 eine Rechnung über Honorar in Höhe von 1.181,52 € und weitere 7,68 € und 28,81 € für Medikamente.
Die Beklagte bezahlte diese Rechnungen trotz mehrfacher Mahnung nicht.
Die Kläger behaupten, dass die erbrachte tierärztliche Leistung sach- und fachgerecht nach den Regeln der tierärztlichen Kunst erfolgt sei, ein Erfolg – der vorliegend unstreitig ausgeblieben ist – sei nicht geschuldet worden.
Ferner behaupten sie, dass eine ausführliche Aufklärung stattgefunden habe. Sie führten dazu aus, dass die Beklagte darauf hingewiesen worden sei, dass auf einer Röntgenaufnahme die exakte Lokalisierung des Fremdkörpers nicht möglich sei und im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs durch Ertasten nur eventuell gefunden werden könne. Weiter sei die Beklagte darauf hingewiesen worden, dass eine genaue Lokalisierung mittels eines CTs möglich sei, dies jedoch nicht in der Praxis der Kläger erfolgen könne und diese Behandlungsalternative mit erheblichen Mehrkosten verbunden sei, woraufhin sich die Beklagte für den Eingriff bei den Klägern entschieden habe.
Sie behaupten weiterhin, dass sie die Beklagte gebeten hätten am Tag nach der Entlassung mit dem Hund erneut zur Nachkontrolle in ihrer Praxis zu erscheinen.
Die beklagte Halterin behauptet, dass die Kläger bei der Untersuchung des Hundes einen epileptischen Anfall diagnostiziert und darauf behandelt hätten.
Sie behauptet weiter, dass die Untersuchung und Behandlung durch die Kläger unzureichend gewesen sei und diese ihren Hund in einen lebensbedrohlichen Zustand versetzt hätten.
Die Entscheidung:
Das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr hat die Klage abgewiesen.
Den Klägern stehen die geltend gemachten Ansprüche wegen der ihren Rechnungen vom 21.08.2014 zugrunde liegenden tierärztlichen Leistungen gegen die Beklagte nicht zu, §§ 611 Abs. 1, 612 BGB.
Als die Beweisaufnahme erforderlich wurde, sind bei den Klägern Dokumentationsdefizite zutage getreten, die angesichts des Fehlschlagens der Operation jedenfalls nicht mehr lapidar mit einer Häufung von Zufällen erklärt werden können, so das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr.
Der im Rahmen des Prozesses angehörte Sachverständige hat ausgeführt, es fehle ein ausführlicher Operationsbericht, aus dem hervorgehe, von welcher Seite der Magen wie weit eröffnet worden sei, ob seine sichtbaren Aussenseiten unversehrt gewesen seien, etc. Die Kläger erklären dieses Fehlen nicht, teilen nicht einmal mit, ob der Kläger zu 2 jemals einen aufgenommen habe. Bei einer fehlgeschlagenen Operation besteht mehr als sonst Anlass, das eigene Vorgehen zu dokumentieren.Gravierender noch und hiermit im Zusammenhang stehend ist, dass die Röntgenbilder, die dem Kläger zu 2 die Indikation für seine Operation gegeben haben, nicht vorgelegt worden sind. Die Kläger erklären den von ihnen angegeben Verlust damit, dass der Kläger zu 1 Herr Dr. H aus der gemeinschaftlichen Tierarztpraxis ausgeschieden sei und im Rahmen des Umzuges die Röntgenbilder verloren gegangen seien. Da nicht der Kläger zu 1 sondern der Kläger zu 2 die Operation durchgeführt hat, ist schon nicht plausibel, dass die Röntgenbilder von dem Umzug des Klägers zu 1 zu erfasst gewesen seien. Abstrakt ist das Verlieren von Röntgenbildern in der heutigen Zeit angesichts der einfachen Speichermöglichkeiten und Kopiermöglichkeiten wenig glaubhaft. Um Fotos, auch Röntgenbilder, von einem Speichermedium nachhaltig zu löschen bedarf es des Einsatzes von Spezialprogrammen. Es kann durchaus so sein, dass dem Kläger zu 2 nach seiner erfolglosen Operation der Gedanke reifte, den Hund doch besser noch in einer anderen Ebene geröntgt haben zu sollen. Irgendwo musste die von ihm auf seinem Röntgen gesehene Nähnadel ja geblieben sein, so das Amtsgericht Mülheim an der Ruhr. Das Nichtvorlegen seiner Röntgenaufnahmen weckt hiernach nicht nur bei der Beklagten sondern allgemein zulasten der Kläger den Verdacht, in der Diagnostik angreifbar gewesen zu sein.
Im Zusammenhang mit ungeschmälert geltend gemachten Gebührenansprüchen zu vermuten, dass schon alles in Ordnung gewesen sei, ist nach Auffassung des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr angesichts des Fehlens eines Operationsberichts und der Röntgenbilder nicht möglich. So darf ein Operateur schon bei seinen erfolgreichen Operationen nicht arbeiten, erst recht nicht bei seinen fehlgeschlagenen, so das Amtsgericht.
Auch für die behauptete und von der Beklagten bestrittene Aufklärung, dass ein vorherig anderweitig zu fertigendes CT eine größere Sicherheit im Hinblick auf den Operationserfolg bieten könnte, gibt es keinen Beweis. Dokumentiert ist nichts. Im Nachhinein weiß das die Beklagte auch.
Der Hund ist anderweitig erfolgreich operiert worden. Dass die Kläger den Regeln der tierärztlichen Kunst entsprechend vorgegangen sind wie für ihren Vergütungsanspruch erforderlich, das kann so sein, ist aber bei den gravierenden Verletzungen ihrer Dokumentationspflichten nicht zu vermuten. Den Beweisnachteil tragen die Kläger, die zumindest die von ihnen gefertigten Röntgenbilder dem gerichtlich beauftragten Sachverständigen hätten zugänglich machen müssen.
Amtsgericht Mülheim an der Ruhr, Urteil vom 21.07.2016 – 23 C 489/1