Einstufung als Listenhund: DNA-Analyse schlägt äusserliches Erscheinungsbild

In den meisten Bundesländern sind Bestandteil der Vorschriften über die Hundehaltung sogenannte „Rasselisten“. In diesen Listen sind Hunderassen aufgelistet, für die aufgrund der pauschal angenommenen Gefährlichkeit besondere – strengere – Vorschriften gelten.

Naturgemäß kommt es daher immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Hundehalter und Behörde wegen der Bestimmung der Rasse des konkreten Hundes (wir haben u.A. hier und hier über solche Fälle berichtet).

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem die Hundehalterin das Gutachten eines Hundesachverständigen vorgelegt hatte, wonach es sich bei dem Hund um einen „Dogo Canario“ handelt . Da sich diese Rasse in Hessen nicht auf der Rasseliste befindet, durfte die Hundehalterin ihn halten und erhielt einen entsprechenden Bescheid. Später kam ein DNA-Sachverständiger zu dem Ergebnis, dass es sich nach der genetischen Untersuchung um eine eine Kreuzung aus den Rassen und Gruppen American Staffordshire-Terrier und American Bulldog handelt, die beide auf der Rasseliste stehen. Daraufhin stufte die Behörde den Hund unter Anordnung des Sofortvollzugs als gefährlichen Hund ein.

Hiergegen wehrte sich die Hundehalterin mit einem entsprechenden Antrag beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main – jedoch erfolglos.

Aber im Einzelnen:

Die Antragstellerin ist Halterin des Rüden A . Zur Vorabklärung hinsichtlich der Anmeldung als „gefährlicher Hund“ reichte die Antragstellerin ein Rassegutachten eines Sachverständigen ein, in dem die Abstammung von einem Listenhund ausgeschlossen und der Hund als „Dogo Canario“ eingestuft wurde. Aufgrund dessen stellte die Ordnungsbehörde der Antragsgegnerin eine Bescheinigung aus, wonach der Hund nicht einer Rasse nach § 2 Abs. 1 HundeVO zuzuordnen sei und es keiner gesonderten Erlaubnis zum Halten und Führen des Hundes bedürfe. In der Folge erhielt die Ordnungsbehörde der Antragsgegnerin von für die frühere Hundehalterin zuständigen Offenbacher Ordnungsbehörde die Mitteilung, dass als Ergebnis einer DNA-Analyse der C-GmbH der streitgegenständliche Hund als Mischling aus den Rassen „American Bulldog“ und „American Staffordshire Terrier“ einzustufen sei.

Daraufhin widerrief die Ordnungsbehörde der Antragsgegnerin durch Verfügung ihre vorgenannte Bescheinigung und ordnete die sofortige Vollziehung an. Gleichzeitig forderte die Ordnungsbehörde der Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Fristsetzung auf einen Antrag auf Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Hundes mit den dafür einzureichenden Unterlagen zu stellen.

Nach erfolglosem Antrag gegenüer der Antragsgegnerin auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung wandte sich die Hundehalterin mit einem entsprechenden Antrag an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main.

Der Antrag blieb erfolglos.

Die Entscheidung:

Nach Auffassung ds Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main überwiegt hier das öffentliche Vollzugsinteresse das private Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.

Zwar sieht die Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (HundeVO) keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für eine Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes vor, jedoch ergibt sich aus dem Zweck der Erlaubnisregelung des § 3 HundeVO und ihrem Zusammenhang mit den §§ 14 und 15 HundeVO, dass die Erlaubnisvorschrift nicht nur die Grundlage für die Erteilung und Versagung einer beantragten Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes enthält, sondern auch für die Feststellung, dass es sich bei dem betreffenden Tier um einen gefährlichen Hund handelt1.

Dahingestellt bleiben kann, ob die ursprüngliche Verfügung, mit der die Haltung erlaubt wurde, – wie von der Antragsgegnerin angenommen – nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HVwVfG aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen zu widerrufen oder nicht doch nach § 48 Abs. 1 Satz 2 HVwVfG zurückzunehmen war, wobei Vertrauensschutzgesichtspunkte nach § 48 Abs. 2 HVwVfG keine Rolle spielten, da die Verfügung weder eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährte noch hierfür Voraussetzung war. Wegen seiner objektiven Rechtswidrigkeit konnte der Bescheid jedenfalls aufgehoben werden, denn er ist inhaltlich falsch.

Der Hund „A“ der Antragstellerin gilt als gefährlich. Die Gefährlichkeit des Hundes der Antragstellerin wird – unwiderleglich – vermutet, denn er ist aus einer Kreuzung von zwei gelisteten Hunderassen hervorgegangen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HundeVO sind Hunde „gefährlich“, die durch Zucht, Haltung, Ausbildung oder Abrichtung eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder eine andere in ihren Wirkungen vergleichbare, mensch- oder tiergefährdende Eigenschaft besitzen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 HundeVO wird die Gefährlichkeit vermutet bei Hunden der Rassen und Gruppen American Staffordshire-Terrier oder Staffordshire Terrier (Nr. 2) und American Bulldog (Nr. 5)sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden. Hierzu heißt es in den Hinweisen für die Durchführung der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (VVHundeVO):

Die Hunde der aufgelisteten Rassen und Gruppen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden gelten als gefährlich. Die positive Wesensprüfung ist Voraussetzung der Halteerlaubnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 4), nicht jedoch die Bestätigung der Ungefährlichkeit des Hundes. Die Verordnung geht davon aus, dass auch nach positiver Wesensprüfung ein Restrisiko verbleibt. Dies ist der Grund für die grundsätzliche Befristung der Erlaubnis (§ 3 Abs. 1 Satz 3 bis 5).

Kreuzung ist jeder Mischling, aus dem ein Hunde-Vorfahre der aufgeführten Hunderassen erkennbar ist. Auf den Verwandtschaftsgrad kommt es nicht an. Auch bei einem geringen Erbteil kann sich die besondere Gefährlichkeit vererbt haben (vergleiche Beschluss des Hess. VGH vom 6. Juni 2002 – 11 TG 1195/02). Für einen aus der zweiten oder aus einer der darauffolgenden Generation stammenden Abkömmling eines oder mehrerer Hunde der genannten Rassen oder Gruppen bedarf es jedoch für die Einstufung als Kreuzung in diesem Sinne und damit als gefährlicher Hund der Feststellung, dass das Tier in seinem äußeren Erscheinungsbild noch signifikant durch die Merkmale eines oder mehrerer Listenhunde geprägt ist (vergleiche Beschluss des Hess. VGH vom 14. März 2006 – 11 UE 1426/04). Die Beweislast für die Mischlingseigenschaft liegt bei der zuständigen Behörde, die im Zweifel durch Einholung eines Sachverständigengutachtens die vorhandene Prägung des Mischlingshundes nachzuweisen hat (Hess. VGH, a.a.O.). Gelingt der Behörde dieser Nachweis der Zugehörigkeit eines Hundes zu den in § 2 Abs. 1 Satz 2 aufgeführten Rassen oder Gruppen nicht, bedarf das Halten dieses Hundes keiner Erlaubnis.

Aufgrund der eingehenden Analyse der C-GmbH ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main davon auszugehen, dass der Hund der Antragstellerin zu gleichen Teilen aus American Bulldog und aus American Staffordshire-Terrier hervorgegangen ist; einer Entscheidung, ob die Merkmale einer gelisteten Rasse oder Gruppe nicht irgendwann ausgemendelt sein könnten, bedarf es daher nicht. Der Abstammungsnachweis eines Hundes ist wissenschaftlich genau nur durch eine genetische Untersuchung möglich2 und damit hier erbracht. Diese Einschätzung wird nicht durch das Gutachten des Sachverständigen B widerlegt oder ernstlich in Frage gestellt, denn dieses beruht auf einer Beurteilung anhand von Äußerlichkeiten, keiner genetischen Analyse. Das Gericht hält die genetische Analyse der C-GmbH für überzeugend, da ihr eine Datenbank von knapp 300 Hunderassen zugrunde liegt. Der Einordnung als Bullmastiff durch die Tierarztpraxis Dr. J, die die Antragstellerin der Antragsgegnerin vorgelegt hat, liegt dagegen nach deren eigener Darstellung eine deutlich geringere Zahl zugrunde. In der Rassennomenklatur der Fédération Cynologique International wird ein „American Bully“ derzeit nicht als eigene Rasse geführt. Ob es genüge, dass ein Züchterverband wie der American Bully Kennel Club den „American Bully“ als eigene Rasse definiere, um die Zuordnung zu relativieren, kann hier dahinstehen; denn es ist nicht ersichtlich, dass die Einteilung des § 2 Abs. 1 Satz 2 HundeVO keine taugliche Zuordnung des hier streitigen Hundes ermögliche.

Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 26.10.2021 – 5 L 2736/21.F, 8 B 2249/21
ECLI:DE:VGFFM:2021:1026.5L2736.21.F.00

  1. VG Kassel, Beschluss vom 23.07.2008 – 4 L 988/08.KS; VG Darmstadt, Beschluss vom 30.03.2015 – 3 L 94/15.DA; VG Gießen, Urteil vom 05.07.2016 – 4 K 414/16.GI []
  2. Pöhlker/Fischer/Maier, 24. EL Dezember 2020, HundeVO § 2 Nr. 1.3 []

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