Das „Gesetz zur Vorbeugung vor und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz – TierGesG)“ hat am 01.05.2014 das frühere Tierseuchengesetz abgelöst.
Aufgrund einer Kontrolle eines illegalen Tiertransportes von Hundewelpen aus dem EU-Ausland nach Deutschland wurden die Welpen auf Grundlage des § 33 TierGesG unter Anordnung des Sofortvollzugs eingezogen.
Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte vor dem Verwaltungsgericht Neustadt/Weinstrasse Erfolg, da nach Auffassung des Verwaltungsgerichts die Behörde nicht die richtige Rechtsgrundlage gewählt hatte.
Aber im Einzelnen:
Das Verwaltungsgericht Neustadt hat dem Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte tierseuchenrechtliche Anordnung des Antragsgegners, mit der elf Welpen (2 x Mops, 2 x Yorkshire Terrier, 3 x Bichon Malteser, 2 x Sitz, 2 x Pudel) unter Bezugnahme auf § 33 TierGesG mit sofortiger Wirkung eingezogen wurden, wiederherzustellen, stattgegeben.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der tierseuchenrechtlichen Anordnung des Antragsgegners ist nämlich offensichtlich rechtswidrig, so das Verwaltungsgericht Neustadt.
Der Bescheid jedenfalls materiell offensichtlich rechtswidrig.
Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang. Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene summarische Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Denn an der Vollziehung eines ersichtlich rechtswidrigen Verwaltungsakts kann kein öffentliches Vollzugsinteresse bestehen. Ist der Verwaltungsakt dagegen offensichtlich rechtmäßig, so überwiegt das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts besteht. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann1.
Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das private Interesse an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung der tierseuchenrechtlichen Anordnung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung, so das Verwaltungsgericht Neustadt weiter.
Der Antragsgegner stützt die genannte tierseuchenrechtliche Anordnung ausdrücklich auf § 33 TierGesG. Danach können Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach § 31 oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 32 Abs. 2 Nr. 4d bezieht, eingezogen werden.
Hier bezieht sich der Antragsgegner auf § 32 Abs. 2 Nr. 4d TierGesG i.V.m. § 14 Abs. 1 TierGesG und § 41 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung über das innergemeinschaftliche Verbringen sowie die Einfuhr und Durchfuhr von Tieren und Waren (Binnenmarkt-Tierseuchenschutzverordnung – BmTierSSchV –).
§ 33 TierGesG stellt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Neustadt jedoch keine taugliche Rechtsgrundlage für den Erlass einer gefahrenabwehrrechtlichen Einziehung dar.
Die Vorschrift findet sich im Abschnitt 9 TierGesG, der mit „Straf- und Bußgeldvorschriften“ überschrieben ist. § 31 TierGesG regelt in den Abs. 1 und 2 Straftatbestände, während § 32 TierGesG zahlreiche Bußgeldvorschriften enthält, die die Straftatbestände des § 31 TierGesG ergänzen. Daneben trifft § 33 TierGesG eine eigenständige Einziehungsregelung. Diese gestattet die Einziehung von sog. Beziehungsgegenständen, also von solchen Sachen und Rechten, die den notwendigen Gegenstand der Tat selbst, aber nicht deren Produkt darstellen2. Die weiteren Voraussetzungen der §§ 74 Abs. 2 u. Abs. 3, 74b StGB bzw. §§ 22 Abs. 2 u. Abs. 3, 24 OWiG sind zu beachten. Es muss sich also um eine Einziehung von Tatbeteiligtenrechten oder eine Sicherungseinziehung handeln2.
§ 33 TierGesG beinhaltet folglich (ebenso wie etwa § 98 AMG, § 20 Abs. 3 VereinsG oder § 38 LNatSchG) – eine Regelung zu den Nebenfolgen einer Bestrafung bzw. Ahndung einer Handlung als Straftat bzw. Ordnungswidrigkeit im Rahmen eines bestimmten Verfahrens. Denn die Einziehung von Gegenständen im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht dient als Nebenmaßnahme der Abschöpfung von rechtswidrig erlangten Vermögensvorteilen aus Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten3. Die Vorschrift des § 33 TierGesG kann daher nicht als Rechtsgrundlage für den Erlass einer gefahrenabwehrrechtlichen Einziehungsanordnung herhalten.
Das Verwaltungsgericht Neustadt hat erwogen, ob die vom Antragsgegner angegebene Rechtsgrundlage ausgetauscht werden kann. Gemäß § 1 Abs. 2 LTierSG (Landestierseuchengesetz) haben die zuständigen Veterinärbehörden, zu denen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 LTierSG die Kreisverwaltung gehört, im Rahmen ihrer Zuständigkeiten zugleich die Befugnisse der allgemeinen Ordnungsbehörden nach dem Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG). Dieses sieht in § 24 Abs. 4 Satz 1 vor, dass sichergestellte Sachen unbrauchbar gemacht, vernichtet oder eingezogen werden können, wenn 1. im Falle einer Verwertung die Gründe, die zu ihrer Sicherstellung berechtigten, fortbestehen oder Sicherstellungsgründe erneut entstehen würden, oder 2. die Verwertung aus anderen Gründen nicht möglich ist.
Die Vorschrift des § 24 POG ist hier nicht von vornherein unanwendbar, denn die durch die Staatsanwaltschaft Zweibrücken vorgenommene Beschlagnahme der Welpen wurde später wieder aufgehoben. Trotz der Freigabe von strafprozessual beschlagnahmten Sachen kann es ein öffentliches Interesse an der (Anschluss-)Sicherstellung zu Zwecken der Gefahrenabwehr geben4.
Vorliegend sind jedoch die Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 Satz 1 POG nicht gegeben. Da der Antragsgegner im Anschluss an die Verkehrskontrolle zu dem Schluss gelangt war, die dort aufgefundenen Hundewelpen seien aufgrund des Zahnstatus erheblich jünger als in den mitgeführten Dokumenten angegeben und wiesen nicht die notwendige gültige Tollwutimpfung auf, war die richtige Vorgehensweise der Erlass einer tierseuchenrechtlichen Quarantäneanordnung. Rechtsgrundlage hierfür ist § 24 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 TierGesG i.V.m. § 20 Satz 1 Nr. 1a BmTierSSchV i.V.m. Art. 35 Abs. 1b der Verordnung (EU) Nr. 576/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.06.2013 über die Verbringung von Heimtieren zu anderen als Handelszwecken und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 998/20035. Danach ordnet die zuständige Behörde bei Tieren, die wie Hunde gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BmTierSSchV in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen, die Quarantäne in einer Quarantänestation an, wenn sie bei der Überwachung des innergemeinschaftlichen Verbringens bei Tieren Tatsachen feststellt, die auf die Gefahr einer Seuchenverbreitung schließen lassen.
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BmTierSSchV i.V.m. der dazugehörigen Anlage 3 Spalte 1 I. Ziffer 7 dürfen Hunde nur innergemeinschaftlich verbracht werden, wenn eine amtstierärztliche Bescheinigung nach Muster des Anhangs E Teil 1 der Richtlinie 92/65/EWG in der jeweils geltenden Fassung und auch ein Heimtierausweis entweder nach Muster des Anhangs der Entscheidung 2003/803/EG in der jeweils geltenden Fassung oder nach Anhang III der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 577/2013 der Kommission vom 28.06.2013 zu den Muster-Identifizierungsdokumenten für die Verbringung von Hunden, Katzen und Frettchen zu anderen als Handelszwecken, zur Erstellung der Listen der Gebiete und Drittländer sowie zur Festlegung der Anforderungen an Format, Layout und Sprache der Erklärungen zur Bestätigung der Einhaltung bestimmter Bedingungen gemäß der Verordnung (EU) Nr. 576/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.06.2013 in der jeweils geltenden Fassung vorliegt, aus dem hervorgeht, dass das Tier eine Tollwutimpfung erhalten hat, die den im Anhang III der Verordnung (EU) Nr. 576/2013 in der jeweils geltenden Fassung genannten Gültigkeitsvorschriften entspricht. Gemäß Art. 6b VO (EU) Nr. 576/2013 i.V.m. der dazugehörigen Anlage III besteht ein gültiger Tollwutimpfschutz, wenn das Tier zum Zeitpunkt der Verabreichung des Impfschutzes mindestens 12 Wochen alt war und seit der Erstimpfung mindestens 21 Tage vergangen sind (vgl. auch § 1 Nr. 3a Tollwut-Verordnung).
Hierzu führt der Antragsgegner aus, die Antragstellerin habe zum Zeitpunkt der Verkehrskontrolle keine tauglichen Dokumente über eine wirksame Tollwutimpfung der transportierten Welpen besessen, da die Angaben zum Geburtsdatum der Welpen sowohl in den Heimtierausweisen als auch in der TRACES-Bescheinigung falsch gewesen seien. Auf den dagegen erhobenen Einwand der Antragstellerin, dies treffe nicht zu, muss hier nicht näher eingegangen werden, so das Verwaltungsgericht Neustadt. Denn wenn die Welpen tatsächlich zu jung gewesen sind, um bereits geimpft werden zu dürfen, rechtfertigt dies nicht deren Einziehung zum Zwecke der Gewährleistung des Tierseuchenschutzes. Vielmehr war hier, wie bereits dargelegt, im Hinblick auf die Gefahr einer Seuchenverbreitung der Erlass einer Quarantäneanordnung angezeigt6. Bei einer Quarantäneanordnung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, der sich ständig aktualisiert. Die Behörde muss in derartigen Fällen ständig überprüfen, ob die Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes noch gerechtfertigt ist. Dies bedeutet, dass der Antragsgegner bezüglich jedes einzelnen Welpen die Quarantäneanordnung aufzuheben hat, sobald ihm vom Tierheim mitgeteilt wird, dass das jeweilige Tier gesund ist und nunmehr Impfschutz besteht7. Dies wird nach Auskunft des Antragsgegners in diesen Tagen der Fall sein.
Ist aber die Quarantäneanordnung gefahrenabwehrrechtlich aufzuheben, sobald die Gefahr einer Seuchenverbreitung nicht mehr besteht, so liegen die Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 Satz 1 POG im Falle seiner Anwendbarkeit über § 1 Abs. 1 Nr. 4 LTierSG gerade nicht (mehr) vor. Denn die Gründe, die zur Anordnung der Quarantäne berechtigten, bestehen mit Beginn des Impfschutzes nicht mehr fort.
Aus dem Vortrag des Antragsgegners ergibt sich, dass es diesem nicht um eine gefahrenabwehrrechtliche Einziehung bzw. Anordnung der Übertragung der Eigentumsübertragungsbefugnis – eine solche wäre etwa auf der Grundlage von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Hs. 2 TierSchG möglich8 –, sondern um eine strafprozessuale Nebenmaßnahme zwecks Abschöpfung von rechtswidrig erlangten Vermögensvorteilen aus einer Ordnungswidrigkeit geht. Der Antragsgegner, der ein Bußgeldverfahren eingeleitet hat, räumt selbst ein, dass von den Welpen nach dem Erreichen des notwendigen Mindestalters und der nun erfolgten ordnungsgemäßen Impfung nach dem Ende der Quarantäne keine seuchenrechtliche Gefahr mehr ausgeht. Der Antragsgegner hält aber die Auferlegung eines Bußgelds als Sanktion im vorliegenden Fall und zur allgemeinen Prävention nicht für ausreichend, Verstöße wie den vorliegenden zu verhindern. Hierzu führt der Antragsgegner aus, illegale Welpentransporte aus Osteuropa nähmen trotz drohender Bußgelder in den letzten Jahren insgesamt kontinuierlich zu, da dies ein lukratives Geschäft sei. Bußgelder würden vor diesem Hintergrund sozusagen gleich mit eingepreist.
Es steht dem Antragsgegner frei, mit dieser Argumentation im Rahmen des eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahrens die Einziehung der Welpen als Nebenmaßnahme anzuordnen. Ferner kann der Antragsgegner gegebenenfalls die Kosten der Unterbringung, Verpflegung und Impfung der Hundewelpen im Tierheim geltend machen9.
Verwaltungsgericht Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 23.02.2021 – 5 L 92/21.NW
ECLI:DE:VGNEUST:2021:0223.5L92.21.00
Anmerkung:
Illegale Welpentransporte sind ohne Frage zu verurteilen. Umso schlimmer ist es, wenn die zuständigen Behörden nicht in der Lage sind, die richtige Ermächtigungsgrundlage für ihr Tun zu wählen. Auch einem solchen Verhalten muss man immer und überall einen Riegel vorschieben, da dies immer wieder auch in Fällen passiert, in denen der Betroffene es nicht „verdient“ hat.
- BVerfG, Beschluss vom 29.05.2007 – 2 BvR 695/07, NVwZ 2007, 1176 [↩]
- Pohlit, in: Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 2. Auflage 2017, § 33 Rn. 1 [↩] [↩]
- Heuchemer, in: BeckOK StGB, v. Heintschel-Heinegg, Stand November 2020, § 73 Rn. 1 [↩]
- VG Mainz, Beschluss vom 20.12.2018 – 1 K 447/18.MZ [↩]
- OVG Niedersachsen, Urteil vom 04.11.2020 – 10 LB 138/19 [↩]
- VG Karlsruhe, Urteil vom 29.03.2018 – 2 K 2726/16; VG Regensburg, Gerichtsbescheid vom 26.11.2015 – RO 5 K 14.1164 [↩]
- VG Karlsruhe, Urteil vom 29.03.2018 – 2 K 2726/16 [↩]
- VG Würzburg, Urteil vom 07.05.2018 – W 8 K 17.1038 [↩]
- vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 04.11.2020 – 10 LB 138/19 [↩]