Kommt es zu einer Beisserei unter Hunden oder zu einem Angriff eines Hundes auf einen anderen, so können erhebliche Kosten für tierärztliche Behandlungen im Raum stehen.
Naturgemäß stellen sich dann immer zwei Fragen:
1. Wer haftet in welchem prozentualen Umfang?
2. Bis zu welcher Höhe kann ein Schadenersatzanspruch bei der Verletzung eines Hundes überhaupt geltend gemacht werden (aus dem dann die prozentuale Haftungsquote berechnet wird)?
Aktuell hatte sich das Amtsgericht Düsseldorf mit einem solchen Fall zu beschäftigen und ist zu folgenden Ergebnissen gekommen:
1. Wird ein kleiner Hund von einem größeren Hund gebissen, ist auch die Tiergefahr des kleineren Hundes zu berücksichtigen, sofern sich die Hunde vor dem Biss gegensweitig beschnuppert haben, haben sich dadurch die hundeeigenen Instikte realisiert.
2. Bei Tieren sind anders als bei Sachen gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie deren Wert erheblich übersteigen. Anders als bei Sachen ist insbesondere nicht die Verhältnismäßigkeitsschwelle von 130 % anzusetzen, sondern eine – deutlich – höhere. Die Verhältnismäßgkeitsschwelle liegt bei einem Vielfachen des Marktwertes.
Aber im Einzelnen:
Was war passiert?
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hundes Bichon Frisé mit dem Namen C. Der Hund, den die Klägerin am 18.11.2012 zu einem Kaufpreis von € 1.200,00 erworben hatte, war zum Vorfallzeitpunkt 8 Jahre alt bei einer Lebenserwartung von 12 – 15 Jahren. Vorerkrankungen bestanden nicht.
Der Beklagte ist Eigentümer und Halter eines Schäferhundes mit dem Namen M.
Die beiden Hunde, die jeweils an einer Leine geführt wurden, trafen auf einer Grünfläche aufeinander. Nachdem die Hunde sich beschnupperten, biss sich M an C fest. Anschließend wurde C von M durch die Luft gewirbelt.
Nachdem C auf dem Boden aufkam, jaulte und winselte sie und blutete infolge einer erlittenen Fleischwunde.
Die Klägerin ließ den Hund C tierärztlich untersuchen, wobei sie insgesamt einen Betrag in Höhe von € 1.906,20 zahlte.
Die Haftpflichtversicherung des Beklagten regulierte die Forderung in Höhe von 50 %. Dies u.a. mit der Begründung, dass die geltend gemachten Kosten den Wert des Hundes übersteigen würden mit der Folge, dass er jedenfalls aus diesem Grund nicht zum Schadenersatz verpflichtet sei.
Mit ihrer Klage verlangte die Klägerin die Regulierung der vollständigen Kosten, klagte also die offenen 50 % (€ 953,10), ein.
Die Entscheidung:
Das Amtsgericht Düsseldorf hat der Klage nur zur Hälfte stattgegeben.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten nach Auffassung des Amtsgerichts Düsseldorf ein Anspruch auf Zahlung von € 476,55 gemäß § 833 Satz 1 BGB zu.
Danach ist derjenige, welcher ein Tier hält, dem Verletzten zum Ersatz des Schadens verpflichtet, wenn durch ein Tier eine Sache beschädigt wird.
Bei M handelt es sich um ein Luxustier, dessen Halter der Beklagte ist.
M hat auch eine Sache beschädigt, denn gemäß § 90 a BGB sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend auf Tiere anzuwenden.
Bei einem Schadensereignis an dem zwei Hunde beteiligt sind, ist bei einem Anspruch aus § 833 BGB die mitwirkende Tiergefahr des jeweils anderen Hundes gemäß § 254 analog zu berücksichtigen. Eine mitwirkende Tiergefahr ist selbst dann zu berücksichtigen, wenn sich der verletzte Hund bei dem Schadensereignis lediglich passiv verhalten hat. In einem entsprechenden Fall wäre lediglich diejenige Gefahr aus §§ 833, 254 BGB in Anschlag zu bringen, die von einem Hund originär ausgeht. Aufgrund der Tatsache, dass es sich um Tiere handelt, die angeborenen Instinkten und Revierverhalten nachgehen, ist aus Sicht des Gericht grundsätzlich zunächst von einer Mithaftung beider Hunde von 50% auszugehen, sofern nicht Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Schaden von einem der beiden Hunde vornehmlich oder alleinig verursacht worden ist. Ferner ist im Rahmen der zu berücksichtigenden Tiergefahren auch die Größe und Konstitution der jeweiligen Hunde von Entscheidung. Insbesondere von größeren Hunden geht allein aufgrund deren Größe regelmäßig die besondere Gefahr aus, dass diese im Falle einer Auseinandersetzung zwischen zwei Hunden dem jeweils anderen Hund erhebliche körperliche Nachteile zufügen können.
Danach ist vorliegend von einer Haftungsverteilung von 25 % zu 75 % zu Lasten des Beklagten auszugehen.
M ist als Schäferhündin unstreitig um ein Vielfaches größer und stärker als die Hündin C, weswegen ihr eine höhere Tiergefahr zuzubilligen ist. Die Tiergefahr von C tritt indes trotz ihrer Größe nicht vollumfänglich zurück, denn vorliegend ist zu berücksichtigen, dass C während des Vorfalls nicht passiv war, sondern sich beide Hunde aktiv beschnupperten. Mithin ist es zu dem Biss gekommen, weil sich beide Tiere zueinander hingezogen gefühlt haben und sich eben die hundeeigenen Instinkte realisiert haben, sodass die von C ausgehende Tiergefahr nicht gänzlich in den Hintergrund tritt1.
Nachdem der der Klägerin unstreitig entstanden Schaden in Höhe von insgesamt 1.906,20 EUR hälftig reguliert worden ist, mithin in Höhe von € 953,10, steht der Klägerin noch in weiterer Anspruch auf Zahlung von € 476,55 zu.
Die Kosten sind auch nicht unverhältnismäßig, denn bei Tieren sind anders als bei Sachen gemäß § 251 Abs. 2 Satz 2 BGB die aus der Heilbehandlung eines verletzten Tieres entstandenen Aufwendungen nicht bereits dann unverhältnismäßig, wenn sie deren Wert erheblich übersteigen. Anders als bei Sachen ist insbesondere nicht die Verhältnismäßigkeitsschwelle von 130 % anzusetzen, sondern eine – deutlich – höhere. Die Verhältnismäßigkeitsschwelle liegt bei einem Vielfachen des Marktwertes. Hierbei ist auch das Affektionsinteresse der Klägerin zu berücksichtigen1. Der Hund, der zum Vorfallzeitpunkt 8 Jahre alt war und zu einem Kaufpreis von 1.200,00 EUR erworben worden war, hat noch eine hinreichende Lebenserwartung vor sich und war nicht vorerkrankt, weswegen die Kosten nicht zu beanstanden sind, so das Amtsgericht Düsseldorf abschliessend.
- OLG München, Urteil vom 11.04.2011 – 21 U 5534/10 [↩] [↩]