„Gefährliche Hunde“ aus dem Ausland

Das Verwaltungsgericht Berlin hat eine Antragstellerin abschlägig beschieden, die im Wege einer einstweiligen Anordnung durchsetzen wollte, dass es ihr vorläufig (das Klageverfahren – Verwaltungsgericht Berlin – 1 K 913.09 – ist bereits rechtshängig) erlaubt ist, ihren American Staffordshire – Terrier „Arden“ wiederholt für Zeiträume von weniger als vier Wochen nach Deutschland zu verbringen, sofern sie dabei keinen auf das gesamte Jahr bezogenen überwiegenden Aufenthalt des Hundes in Deutschland herbeiführe.

Das Gericht hat den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz zurückgewiesen.

In den Gründen hat das Gericht ausgeführt:

Zwar ist der Antrag auch als Feststellungsantrag im Rahmen vorbeugenden Rechtsschutzes zulässig. Denn der Antragsgegner hat den Hund bereits einmal vom 2. April 2009 bis zum 28. Mai nach § 4 Nr. 2 HundVerbrEinfVO beschlagnahmt und mit Schreiben vom 28. Juli angedroht, den Hund erneut zu beschlagnahmen und nach Polen zu verbringen. Die Beteiligten streiten über die Auslegung von § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfVO im Fall der Antragstellerin. Ein Abwarten bis zur Erlangung nachträglichen Rechtsschutzes, nachdem die Behörde gehandelt und den Hund beschlagnahmt hat, ist ihr nicht zumutbar.

Der Antrag ist aber unbegründet. Der Sache nach begehrt die Antragstellerin eine Vorwegnahme der Hauptsache. Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend darf das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und dem Antragsteller nicht schon in vollem Umfange – wenn auch vorläufig und befristet bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens – das gewähren, was er nur im Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Eine Durchbrechung des Verbotes der Vorwegnahme der Hauptsache ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten effektiven Rechtsschutz nur zulässig, wenn der geltend gemachte Anspruch offenkundig besteht und ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung dem Antragsteller unzumutbare Nachteile entstünden. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin durch ein Abwarten der Entscheidung im Klageverfahren solche Nachteile erleidet. Die Verfahrensdauer an sich rechtfertigt keine Vorwegnahme der Hauptsache. Jemand, dem die zeitweise Verbringung eines gefährlichen Hundes nach Deutschland versagt wird, muss sich darauf einstellen, dass die erforderlich werdende gerichtliche Überprüfung einige Zeit in Anspruch nimmt.

Darüber hinaus ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Das Verbringen des Hundes der Antragstellerin von Polen nach Deutschland ist nicht von der Ausnahmevorschrift in § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfVO gedeckt.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG dürfen Hunde u.a. der Rasse American Staffordshire-Terrier nicht in das Inland eingeführt oder verbracht werden. In § 2 Abs. 2 Nr. 3 HundVerbrEinfG wird die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Ausnahmen von Absatz 1 ganz oder teilweise zuzulassen. Nach § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfVO dürfen gefährliche Hunde im Sinne des § 2 Abs. 1 des Gesetzes vorübergehend in das Inland verbracht oder eingeführt werden, sofern sie sich zusammen mit einer Begleitperson, die ihren Wohnsitz nicht im Inland hat, nicht länger als vier Wochen im Inland aufhalten werden. Eine Verlängerung des vorübergehenden Aufenthalts kann zur Vermeidung unbilliger Härten durch die nach Landesrecht zuständige Behörde auf Antrag genehmigt werden. Die Antragstellerin beruft sich auf diese Vorschrift mit der Begründung, dass ihr Hund jeweils nur für einige Tage nach Berlin verbracht werde und sich insgesamt pro Jahr weniger als sechs Monate in Berlin aufhalte. Außerhalb der Ferienzeiten verbringe sie durchschnittlich zwei bis drei Tage die Woche bei ihrem Lebensgefährten in Berlin.

Zwar ist der zweite Halbsatz der Ausnahmevorschrift seinem Wortlaut nach so auszulegen, dass er sich auf einen zusammenhängenden Aufenthalt von weniger als vier Wochen bezieht. Gleichwohl gilt die Ausnahmevorschrift nur für ein vorübergehendes Verbringen eines gefährlichen Hundes ins Inland. Diesem Tatbestandsmerkmal kommt eine eigenständige Bedeutung zu. So ist auch der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin der Auffassung, dass § 2 Abs. 3 HundVerbrEinfVO keinen überwiegenden Aufenthalt des Hundes im Land erlaubt, also einen Aufenthalt von insgesamt mehr als der Hälfte des Jahres. Der Zeitraum, ab dem nicht mehr von einem bloß vorübergehenden Aufenthalt gesprochen werden kann, ist jedoch nach der Zielsetzung der Vorschrift deutlich kürzer anzusetzen. Jedenfalls handelt es sich nicht mehr um einen bloß vorübergehenden Aufenthalt, wenn der gefährliche Hund sich auf Dauer zwei bis drei Tage pro Woche und damit insgesamt etwa ein Drittel des Jahres in Deutschland aufhält.

Diese restriktive Auslegung der Vorschrift in dem Sinne, dass ein vorübergehendes Verbringen ins Inland auch dann nicht vorliegt, wenn ein Hund regelmäßig für kürzere Zeiten nach Deutschland verbracht wird, sich die geplanten Aufenthalte insgesamt aber auf einen Zeitraum von deutlich mehr als vier Wochen pro Jahr summieren, ist nach dem Zweck des Gesetzes und der Verordnung geboten. Das generelle Einfuhrverbot in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG beruht darauf, dass die betroffenen Tiere nach den bestehenden landesrechtlichen Bestimmungen einem unbedingten Zucht- und Haltungsverbot unterliegen, so dass das Verbringen der Tiere in das Inland praktisch zwecklos und unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung nicht gerechtfertigt ist. Ausnahmen von diesem Verbot beschränken sich auf das, was auf Grund internationaler Verpflichtungen oder aus praktischen Gründen erforderlich ist. Gedacht war dabei insbesondere an die Durchfuhr, an den Reiseverkehr oder an Hunde in Begleitung von Personen, die über diplomatischen Status verfügen (vgl. BT-Drs. 14/4451, S. 9). Entgegen der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin dienen die Ausnahmen damit keineswegs einem gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Halter und der Allgemeinheit. Vielmehr sind Ausnahmen von einem generellen Einfuhrverbot lediglich vorgesehen, um – auch unter Berücksichtigung europarechtlicher Vorgaben – eine Durchfuhr und kurzzeitige Besuchsaufenthalte zu ermöglichen und den Privilegien von Diplomaten Rechnung zu tragen. Das generelle Haltungsverbot für diese Hundesrassen würde unterlaufen, wenn Bürger aus anderen EG-Mitgliedstaaten, die sich in Berlin aufhalten, den gefährlichen Hund insgesamt für mehrere Monate pro Jahr – und das praktisch auf unbestimmte Zeit – nach Berlin verbringen könnten.

Im Übrigen kommt es nach der gesetzlichen Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG, die das Bundesverfassungsgericht gebilligt hat (BVerfGE 110, 141), nicht darauf an, ob der Hund der Antragstellerin individuell als gefährlich einzustufen ist oder nicht.

Verwaltungsgericht Berlin, Beschluß vom 04. Dezember 2009 – 1 L 912.09

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