Manche Hundesteuersatzungen sehen Ermäßigungen oder gar Befreiungen von der Hundesteuer vor, wenn Herdenschutzhunde in einem landwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt werden.
Wann aber handelt es sich um einen solchen privilegierten Herdenschutzhund und hat man einen Anspruch auf eine solche Privilegierung in der Satzung?
Das Verwaltungsgericht Braunschweig ist der Auffassung, dass
- der Einsatz von Herdenschutzhunden bei einer Pferdezucht unnötig ist,
- aktuell – noch – keine Pflicht der Kommunen besteht, angesichts der zunehmenden Gefährdung durch Wölfe eine Befreiungs- oder Ermässigungsreglung für Herdenschutzhunde von Nutztierhaltern in ihre Hundesteuersatzung aufzunehmen und
- eine aktuell für rechtswidrig gehaltene frühere Praxis einer Privilegierung jederzeit beendet werden kann.
Worum ging es in dem entschiedenen Fall?
Die Klägerin wendet sich gegen die Hundesteuerfestsetzung durch die Beklagte.
Die Klägerin betreibt eine Pferdezucht- sowie Pferdeausbildungsbetrieb und erteilt auch Reitunterricht. Eigenen Angaben zufolge hält sie auf ihrem Hof regelmäßig etwa zehn Pferde, darunter mehrere Kleinpferde und Ponys für den Kinderreitunterricht.
Seit dem Jahr 2015 hielt die Klägerin außerdem zwei französische Pyrenäenberghunde. Bei den beiden Hunden handelt es sich nach den Angaben der Klägerin um Herdenschutzhunde einer Arbeitslinie.
Mit E-Mail vom 21.01.2015 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und teilte mit, sie habe die beiden Pyrenäenberghunde aus Sicherheitsgründen als Herdenschutz- und Wachhunde angeschafft. Da sich die Zahl der Einbrüche in der Gegend (insbesondere auch der Diebstahl von wertvollen Sätteln) in letzter Zeit angehäuft habe, würde sie sich in der Alleinlage nicht mehr ausreichend gesichert fühlen. Außerdem habe es im letzten Spätsommer mehrere Fälle von brutaler Pferdequälerei gegeben, sodass sie ihren wertvollen Pferdebestand, der in einer Herde gehalten werde, vor menschlichen Übergriffen von Tierquälern schützen wolle. Zudem erwarte sie im Rahmen ihrer Pferdezucht demnächst Nachwuchs und wolle die kleinen Fohlen vor dem Wolf, der auch im Harz auf dem Vormarsch sei, schützen. Da es sich um reine Arbeitshunde (Hof- und Herdenschutz) handele, die sie nicht zum privaten Vergnügen halte, beantrage sie eine Steuerbefreiung.
Unter dem 29.06.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihre Hundesteuersatzung grundsätzlich eine Steuerbefreiung für den vorliegenden Sachverhalt nicht vorsehe. Nach Prüfung der Rechtsprechung und einem Vergleich mit Hundesteuersatzungen anderer niedersächsischer Gemeinden habe sich keine eindeutige Rechtslage ergeben. Im speziellen Fall der Klägerin werde jedoch als Einzelfallentscheidung dem Antrag auf Befreiung von der Hundesteuer entsprochen. Dabei werde der Argumentation der Klägerin gefolgt, dass die angeschafften Hunde lediglich dem Schutz des Pferdebestandes und allein gewerblichen Zwecken dienen würden. Auf die Ausgabe von Hundesteuermarken werde verzichtet, weil sich die Hunde nach Angaben der Klägerin ausschließlich auf dem eigenen Grundstück aufhalten würden. Sollte sich diesbezüglich irgendeine Änderung ergeben, sei dies unverzüglich anzuzeigen, weil dann die Hunde wieder steuerlich zu erfassen wären.
Nachdem die Klägerin bis zum 30.06.2021 für die beiden Hunde keine Steuern zahlen musste, setzte die Beklagte – für die Klägerin überraschend – mit streitgegenständlichem Bescheid vom 23.07.2021 für die beiden Herdenschutzhunde für den Zeitraum vom 01.07.2021 bis 31.12.2021 ausgehend von einer jährlichen Hundesteuer von 141,- (für den zweiten) bzw. 183,- € (für jeden weiteren Hund) einen Betrag von 70,50 € bzw. 91,50 € fest.
Hiergegen erhob die Klägerin mit E-Mail vom 30.07.2021 „Einspruch“ und teilte mit, an den Umständen der Hundehaltung habe sich im Vergleich zu der im Jahr 2015 getroffenen Einzelfallentscheidung nichts geändert. Die beiden Pyrenäenberghunde würden weiterhin ausschließlich zum Schutz der Pferde eingesetzt und damit ausschließlich gewerblichen Zwecken dienen. Ihre Hunde würden ihre Pferde vor dem Wolf ebenso wie gegen Übergriffe menschlicher Tierquäler schützen. Sie bitte deshalb darum, den Hundesteuerbescheid gemäß den Vorjahren entsprechend abzuändern.
Die Beklagte teilte ihr mit Schreiben vom 12.08.2021 mit, sie könne ihrem Antrag auf Befreiung von der Hundesteuer nicht entsprechen. Sie orientiere sich nunmehr an einem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19.01.20211, wonach Herdenschutzhunde von der Hundesteuer zu befreien seien, wenn sie nahezu ausschließlich zu Betriebszwecken gehalten, sie entsprechend eingesetzt würden und wenn die Haltung zu diesem Zweck rentabel sei. Danach würden zu den zu Erwerbszwecken gehaltenen Hunden zum Beispiel die Hunde eines Züchters oder Berufsjägers zählen. Schon aus Gründen der Abgabengerechtigkeit könne die Steuerbefreiung nur in Betracht kommen, wenn die Erwerbsabsicht bei der Haltung des Hundes objektiv eindeutig im Vordergrund stehe. Bei der Frage der Notwendigkeit des Einsatzes von Herdenschutzhunden sei eine wirtschaftliche Abwägung zu treffen hinsichtlich der Kosten der Anschaffung und Unterhaltung von Herdenschutzhunden einerseits und der voraussichtlich entstehenden Schäden durch Beutegreifer andererseits. Dass der Einsatz von Herdenschutzhunden zum Schutz von Herden, die sich auf eingezäunten Weiden aufhalten, nicht in diesem Sinne notwendig sei, ergebe sich schon daraus, dass der Einsatz dieser Hunde nicht die Regel sei, sondern Pferde-, Kuh- und Schafherden im allgemeinen ohne Herdenschutzhunde im Freien gehalten würden.
Die hiergegen gerichtete Klage der Klägerin blieb vor dem Verwaltungsgericht Braunschweig ohne Erfolg.
Warum?
Rechtsgrundlage für die Hundesteuerbescheide der Beklagten sind §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) i.V.m. der Hundesteuersatzung der Beklagten vom 21.09.2005 i.d.F. der 3. Änderungssatzung vom 01.01.2019 (im Folgenden „Satzung“ genannt). Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung unterliegt der Steuerpflicht, wer einen Hund oder mehrere Hunde in seinem Haushalt, Betrieb, seiner Institution oder Organisation für Zwecke der persönlichen Lebensführung aufgenommen hat (Hundehalterin/Hundehalter). Halten mehrere Personen gemeinschaftlich einen Hund oder mehrere Hunde, so sind sie Gesamtschuldner (§ 2 Abs. 2 Satz 2 der Satzung). Alle in einem Haushalt aufgenommenen Hunde gelten als von ihren Haltern gemeinsam gehalten (§ 2 Abs. 2 Satz 1 der Satzung). Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 der Satzung wird die Steuer nach der Anzahl der gehaltenen Hunde bemessen. Sie beträgt jährlich gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a) für den ersten Hund 99,- €, Buchst. b) für den zweiten Hund 141,- € und Buchst. c) für jeden weiteren Hund 183,- €.
Materiell-rechtliche Bedenken gegen die grundsätzliche Erhebung einer Hundesteuer durch die Satzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Bei der Hundesteuer handelt es sich um eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG, die an die Aufnahme eines Hundes in den Haushalt eines Steuerpflichtigen anknüpft und einen Aufwand für die private Einkommensverwendung besteuert2. Mit der Formulierung
„Aufnahme des Hundes in den Haushalt, Betrieb usw. für Zwecke der persönlichen Lebensführung“
begrenzt die Satzung den Steuergegenstand auf die Hundehaltung zu privaten Zwecken. Das Halten von Hunden geht über die Befriedigung des allgemeinen Lebensbedarfs hinaus und erfordert einen – wenn auch unter Umständen nicht erheblichen – zusätzlichen Vermögensaufwand. Daraus folgt bereits begrifflich, dass die rein gewerbliche Hundehaltung die Gemeinde nicht zur Erhebung der Hundesteuer berechtigt, weil es sich bei ihr nicht um ein persönliches Lebensbedürfnis handelt3. Das Halten eines Hundes zu Erwerbszwecken ist demnach kein Halten im hundesteuerrechtlichen Sinne.
Wesentlich für die Abgrenzung der steuerpflichtigen persönlichen gegenüber der steuerfreien, ausschließlich beruflich bzw. gewerblich bedingten Hundehaltung ist die nach außen hin hinreichend dokumentierte und regelmäßig vom Hundehalter im Einzelfall zu belegende Zielrichtung einer Haltung zu ausschließlich gewerblichen Zwecken2. Nur dann, wenn ein gehaltener Hund nicht persönlichen Zwecken dient, fehlt es an einer Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf und an einer Ermächtigung für die Besteuerung durch die Gemeinde. Maßgeblich für die Abgrenzung der gewerblichen Hundehaltung von der Zuordnung zum persönlichen Lebensbereich ist der erwerbswirtschaftliche Zweck der Haltung der Tiere. Eine Mischnutzung, d. h. eine Haltung von Hunden, die sowohl beruflichen Zwecken als auch privaten Interessen dient, steht der Steuerfreiheit entgegen. Ist die Hundehaltung zur Berufsausübung oder für den Betrieb nicht unabdingbar notwendig, so ist Voraussetzung für die Annahme einer Haltung zu „Erwerbszwecken“ neben der nahezu ausschließlichen beruflichen/betrieblichen Verwendung die Wirtschaftlichkeit der zu diesem Zweck gehaltenen Hunde. Eine Wirtschaftlichkeit liegt nur dann vor, wenn das durch den Einsatz der Hunde erwirtschaftete Einkommen auf längere Sicht mindestens die Anschaffungs- und Unterhaltungskosten der Hunde deckt. Nur dann dient die Hundehaltung (noch) der Einkommenserzielung und nicht der Einkommensverwendung4.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist in dem entschiedenen Fall nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Braunschweig die Hundehaltung für den Betrieb der Klägerin weder unabdingbar notwendig noch wirtschaftlich.
Die Voraussetzungen einer Heranziehung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten sind im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Bescheide erfüllt, weil die Klägerin zwei (weitere) Hunde in ihrem Betrieb für Zwecke der persönlichen Lebensführung aufgenommen hat. Trotz ihrer umfangreichen schriftlichen Darlegungen und der Vorlage verschiedener Unterlagen sowie ihrer ausführlichen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung ist ihr der Nachweis, dass sie die zwei Herdenschutzhunde ausschließlich zu gewerblichen Zwecken hält, nicht gelungen. Ihre Entscheidung, die Pferde und die Scheune nebst Sattelkammer durch zwei Herdenschutzhunde bewachen zu lassen, beruht nicht auf rein betriebswirtschaftlichen, sondern auch auf persönlichen Gründen. Die Klägerin hält die beiden Hunde deshalb auch im privaten Interesse und damit im hundesteuerrechtlichen Sinne.
Zwar geht das Verwaltungsgericht Braunschweig davon aus, dass die Klägerin ihren Pferdebetrieb mit Gewinnerzielungsabsicht betreibt und die Pferde ihre wirtschaftliche Existenz ausmachen. Auf ihrer Homepage wirbt sie damit, dass sie einen Trainingsstall betreibt (mit Pferdeausbildung, Anreiten von Jungpferden und Vorstellung von Kundenpferden auf Turnieren) sowie mobilen Unterricht (Reitunterricht, Training von speziellen Turnierdisziplinen, Bodenarbeit, Freiarbeit, Verladetraining) und Lehrgänge (Reitkurse, Bodenarbeitskurse, Zeichenkurse, Seminare zu Pferdehaltung, Pferdefütterung und Pferdegesundheit) anbietet. Für die von ihr danach angebotenen Leistungen ist der Einsatz von zwei Herdenschutzhunden nicht zwingend notwendig.
Aus ihrem Internetauftritt ergeben sich bereits keine Anhaltspunkte dafür, dass ihre Pferde oder bei ihr eingestellte (Kunden-)Pferde in einer Herde dauerhaft auf der Weide gehalten werden. Ebenso finden sich keine Hinweise darauf, dass sie Pferde züchtet und die Zuchtstuten mit ihren Fohlen täglich 24 Stunden außerhalb des Stalls hält. Obgleich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung anschaulich und überzeugend beschrieben hat, dass und weshalb die artgerechte Pferdehaltung in einem Offenstall für sie oberste Priorität hat, spricht diese Haltungsform nicht dagegen, dass sich die Pferde zwar tagsüber auf der Weide aufhalten, aber über Nacht in den Stall kommen. Können die zu schützenden Pferde im Stall untergebracht werden, ist eine Bedrohung durch den Wolf oder menschliche Tierquäler so gut wie ausgeschlossen, und es bedarf keines Einsatzes von Herdenschutzhunden, so das Verwaltungsgericht Braunschweig weiter.
Selbst wenn die Pferde der Klägerin 24 Stunden am Tag im Sommer wie im Winter auf der Weide gehalten werden sollten, ist der Einsatz von den Hunden der Klägerin als Herdenschutzhunde zwar nützlich, aber nicht zwingend erforderlich, weil sie in eingezäunten Bereichen auf Koppeln gehalten werden5. Die Klägerin hat selbst vorgetragen, ihre Weiden wolf- und hundesicher eingezäunt zu haben, so das Verwaltungsgericht Braunschweig weiter.
Die Hundehaltung der Klägerin ist außerdem nicht wirtschaftlich. Die Klägerin hat sich zwar darauf berufen, ihre Pferde hätten teilweise einen Wert von bis zu 20.000 €, was für sie im Falle eines Wolfsangriffs zu einem erheblichen finanziellen Verlust führen würde, der durch den Einsatz der Herdenschutzhunde vermieden werden könnte. Abgesehen davon, dass derartige Verluste durch den – allerdings auch mit Kosten verbundenen – Abschluss entsprechender (Pferde-)Versicherungen abgedeckt werden könnten, ist eine Wirtschaftlichkeit der Hundehaltung angesichts der hierfür aufzubringenden Kosten nicht ersichtlich. So hat die Klägerin selbst angegeben, nicht unerhebliche Aufwendungen für die Anschaffung, die Ausbildung und die Haltung (Futter, Versicherung, Impfung, Tierarzt) ihrer Hunde zu haben. Setzt man pro Hund jährliche Unterhaltungskosten von 2.000 € an, so hätte die Klägerin darlegen müssen, dass durch den Einsatz der beiden Hunde Schäden an den auf ihrem Betrieb gehaltenen Pferden von jährlich über 4.000 € vermieden würden. Ihr Vortrag, im Jahr 2016 habe es die erste Wolfssichtung in J. gegeben, im Jahr 2022 sei im Harz ein Wolfsrudel bestätigt worden und Anfang Juni 2023 sei in zwei benachbarten Ortschaften jeweils ein Hund innerorts wahrscheinlich von einem Wolf totgebissen worden, liefert keine konkreten Anhaltspunkte für die Vermeidung von Schäden in einer solchen Größenordnung auf ihrem Betrieb. Mangels anderweitiger Angaben geht das Verwaltungsgericht Braunschweig deshalb davon aus, dass die Kosten für die Anschaffung und Unterhaltung der beiden Herdenschutzhunde der Klägerin dauerhaft höher sind, als das durch ihre Haltung und ihren Einsatz erwirtschaftete Einkommen.
Auch aus dem Einwand der Klägerin, dass nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung der Beklagten Jagdgebrauchshunde von Hobbyjägern steuerbefreit seien, folgt unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 GG) kein Anspruch auf Steuerbefreiung ihrer Hunde. Die Beklagte war nicht verpflichtet, einen Steuerbefreiungs- oder -ermäßigungstatbestand in ihrer Satzung zu schaffen, der im Falle der Klägerin zur Anwendung kommt.
Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine Gemeinde eine Ermäßigung oder Befreiung von der Hundesteuer vorsieht, liegt in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Eine rechtliche Verpflichtung besteht nicht; vielmehr kann die Gemeinde aufgrund ihres Selbstverwaltungsrechtes (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 57 Abs. 1 Nds. Verfassung) frei entscheiden, welche Form der Regelung sie wählt. Bei der Ausübung ihrer Satzungsbefugnis haben die Kommunen aufgrund der kommunalen Satzungs- und Finanzhoheit einen großen Gestaltungsspielraum, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Das eingeräumte normative Ermessen wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zweckes der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der satzungsgeberischen Freiheit ist vom Gericht nachzuprüfen. Von dem ihr eingeräumten Gestaltungsspielraum hat die Beklagte hier in rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht.
Der Klägerin ist zwar darin beizupflichten, dass die Steuerbefreiung in § 5 Abs. 1 Nr. 4 der Satzung der Beklagten auf Antrag für das Halten von „Jagdgebrauchshunden, die eine Jagdeignungsprüfung abgelegt haben und jagdlich verwendet werden (nur 1 Hund je Jäger)“ nicht die Berufs-, sondern die Hobbyjäger privilegiert, denn die Jagdhundehaltung eines Berufsjägers ist aus oben genannten Gründen als berufsbedingte Hundehaltung bereits nicht hundesteuerpflichtig.
Obgleich die Haltung der beiden Herdenschutzhunde der Klägerin dem Schutz ihrer Pferde dienen soll und damit ihrem Gewerbebetrieb zugute kommt, wird sie gegenüber dem steuerbefreiten Hobbyjäger nicht in einer Weise benachteiligt, die schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist.
Wie bereits ausgeführt verfügt der Satzungsgeber bei der Schaffung von Ausnahmennormen im Abgabenrecht über ein besonders weites Ermessen. Er, der kommunale Satzungsgeber, darf hierbei festlegen, welchen Personenkreis er begünstigt und die Begünstigung gleichzeitig an die Erfüllung besonderer Bedingungen knüpfen. So könnte sich die – auf einen Jagdhund pro Jäger beschränkte – Privilegierung von Jagdgebrauchshunden privater Jäger damit begründen lassen, dass die Jagd dem Tier- sowie dem Naturschutz und damit dem Allgemeininteresse dient. Dies mag der Klägerin zwar als ungerecht erscheinen, weil sie ihre Hunde als Herdenschutzhunde für ihre Pferde, die sie nicht als Hobbyreiterin, sondern berufsbedingt hält, einsetzt. Gleichwohl muss sie sich darauf verweisen lassen, dass bei Massenerscheinungen wie der Erhebung von Steuern eine Pauschalierung zulässig ist und dabei auftretende Härten hinzunehmen sind. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob der Satzungsgeber im Einzelfall die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat.
Eine Pflicht zur Privilegierung von Herdenschutzhunden gegenüber Hunden, die aus Liebhaberei im privaten Haushalt gehalten werden, ergibt sich für die Beklagte auch nicht zwingend daraus, dass es in Niedersachsen in den letzten Jahren vermehrt zu Wolfsübergriffen gekommen ist, und durch Nutztierrisse für Tierhalterinnen und Tierhalter erhebliche wirtschaftliche Belastungen entstehen können. Zwar hat die niedersächsische Landesregierung – worauf die Klägerin zutreffend hinweist – die Problematik erkannt und in der „Richtlinie über die Gewährung von Billigkeitsregelungen und Zuwendungen zur Minderung oder Vermeidung von durch den Wolf verursachten wirtschaftlichen Belastungen in Niedersachsen (Richtlinie Wolf)“ Ersatzleistungen für durch den Wolf verursachte Schäden an Tieren unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen. Allerdings geht auch die „Richtlinie Wolf“ von einer grundsätzlich bestehenden Hundesteuerpflicht aus, denn Ziff. 2.3.3 lautet wie folgt: „Nicht förderfähig sind Folgekosten, insbesondere Futter, Hundesteuer, Versicherung, Tierarztkosten sowie für die Ausbildung der Hunde und deren Halterinnen und Halter“6. Der Vollständigkeit halber weist das Verwaltungsgericht Braunschweig darauf hin, dass die Klägerin nach Ziff. 4.2. der Richtlinie Wolf wohl nicht einmal erfolgreich Zuwendungen nach den Nummern 2.1.1. und 2.1.2. für Vorrichtungen zum vorbeugenden Schutz von Nutztieren vor Wolfsübergriffen und die Anschaffung von Herdenschutzhunden beantragen könnte, weil die dort genannten Voraussetzungen auch unter Berücksichtigung ihrer Angaben nicht vorliegen dürften.
Nach alledem ist die Entscheidung der Beklagten gegen eine Steuerbefreiung für Herdenschutzhunde von Nutztierhaltern (Pferde, Schafe, Rinder) in ihrer Satzung mit der Begründung, ein Übergriff von Wölfen sei in ihrem Bereich nicht bekannt, und die Reitanlagen würden für ihre ebenfalls ganztägig auf der Weide gehaltenen Pferde keine Herdenschutzhunde einsetzen, nicht schlechterdings unvertretbar und benachteiligt die Klägerin nicht unangemessen, so das Verwaltungsgericht Braunschweig weiter.
Der für die Klägerin überraschende Wegfall der über einen Zeitraum von sechs Jahren gewährten Steuerbefreiung für die beiden Herdenschutzhunde bedeutet auch keinen Verstoß der Beklagten gegen Treu und Glauben. Soweit die Klägerin darauf vertraut hat, ihre Hunde würden dauerhaft von der Steuer befreit, ist dieses Vertrauen nicht schutzwürdig.
Vielmehr steht es – so das Verwaltungsgericht Braunschweig – der Beklagten frei, die bisher gegenüber der Klägerin angewandte Praxis, die sie aufgrund einer geänderten Sichtweise nunmehr für rechtswidrig hält, für die Zukunft zu ändern. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Verwaltungspraxis ohne Verstoß gegen Vertrauensschutzaspekte jederzeit aus sachgerechten Erwägungen für die Zukunft geändert werden, auch wenn die Betroffenen gegenüber der bisherigen Praxis benachteiligt werden7. Der Beklagten kann insbesondere nicht verwehrt werden, ihre Verwaltungspraxis zu ändern oder sogar aufzugeben, wenn sich die Verwaltungspraxis als rechtswidrig erweist und/oder für eine Änderung bzw. Aufgabe der Verwaltungspraxis sachlich einleuchtende Gründe vorliegen8. Dass die Klägerin durch die Zahlung der Hundesteuer für ihre beiden Herdenschutzhunde in eine wirtschaftlich unerträgliche Situation gerät, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Das Verwaltungsgericht Braunschweig weist in seiner Entscheidung allerdings darauf hin, dass die Beklagte im Rahmen ihrer Satzungshoheit ihre Sichtweise ändern und zukünftig zugunsten von Nutztierhaltern auf die zunehmende Gefahr von Wolfsübergriffen reagieren könnte, indem sie eine Befreiungs- oder Ermäßigungsregelung für Herdenschutzhunde in ihre Hundesteuersatzung aufnimmt. Die Klägerin könnte dies – sofern nicht schon geschehen – durch entsprechende Eingaben gegenüber den kommunalen Entscheidungsträgern der Beklagten anregen.
Schließlich liegt auch keine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil – nach dem Vorbringen der Klägerin – andere Kommunen in demselben Landkreis (M.) und im Landkreis N. Herdenschutzhunde von der Hundesteuer befreien. Der Gleichbehandlungsanspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG besteht nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt. Kompetenzträger für den Erlass einer kommunalen Steuersatzung ist nach § 3 Abs. 1 Satz NKAG die Beklagte als Gemeinde. Als Gemeindesteuer hat die Hundesteuer nur innerhalb des Gemeindebereichs den Gleichheitssatz zu wahren. Es ist somit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Belastung der Abgabepflichtigen nicht in allen Gemeinden gleich groß ist ((Nds. OVG, Urteil vom 20.06.2018 – 9 LB 124/17)). Vielmehr folgt aus der Satzungshoheit als Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie aus Art. 28 Abs. 2 GG,9, dass die Beklagte von ihrer Kompetenz zur Rechtsetzung ohne erforderliche Berücksichtigung der Regelungen übriger Kommunen Gebrauch machen kann10.
Auch der Ermäßigungstatbestand in § 5 Abs. 2 der Satzung der Beklagten, wonach die Steuer auf Antrag auf 50 % für das Halten eines Hundes zu ermäßigen ist, der zur Bewachung von Gebäuden benötigt wird, welche von dem nächsten bewohnten Gebäude mehr als 200 m entfernt liegen, ist nicht erfüllt. Das nächste bewohnte Gebäude liegt nach den unwidersprochenen Angaben der Beklagten nur 68,15 m entfernt („Q.“). Soweit die Klägerin beanstandet, die Hündin des Nachbarn in der „O.“ erhalte eine Steuerbefreiung, hat die Beklagte erwidert, es handele sich nur um eine vorübergehend gewährte Steuerermäßigung nach § 5 Abs. 2 der Hundesteuersatzung, weil das Nachbarshaus „W.“ nach Veräußerung derzeit unbewohnt sei und renoviert werde. Auch diese Begründung hat die Klägerin nicht in Zweifel gezogen.
Verwaltungsgericht Braunschweig, Urteil vom 30.08.2023 – 8 A 381/21
ECLI:DE:VGBRAUN:2023:0830.8A381.21.00
- BayVGH, Beschluss vom 19.01.2021 – 4 ZB 20.1217 [↩]
- VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19.05.2020 – 18 K 5422/17 [↩] [↩]
- VG Gelsenkirchen, Urteil vom 19.05.2020 – 18 K 5422/17; VG Trier, Urteil vom 15.05.2008 – 2 K 976/07.TR [↩]
- BayVGH, Beschluss vom 19.01.2021 – 4 ZB 20.127 [↩]
- VG München, Urteil vom 12.01.2023 – M 10 K 19.5083 [↩]
- RdErl. MU, Nds. MBl. 2022, 1750 ff. [↩]
- BVerwG, Beschluss vom 26.06.2007 – 1 WB 12/07; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.12.2018 – 6 S 2448/18 [↩]
- VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 15.10.2018 – 20 K 2276/18 [↩]
- Art. 57 Abs. 1 Nds. Verfassung [↩]
- VG Lüneburg, Urteil vom 09.03.2017 – 2 A 40/16 [↩]