Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat entschieden, daß ein generelles Haustierhaltungsverbot einer Wohnungseigentümergemeinschaft nichtig ist.
Der Entscheidung lag folgendes zugrunde:
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft.
Zwei Bewohner, die hier verklagt wurden, hielten einen Hund der Rasse Dobermann.
Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte vor Anschaffung des Hundes der Antragsgegner durch unangefochtenen Mehrheitsbeschluss eine Hausordnung verabschiedet, deren Ziffer 4 den Wohnungseigentümern und Mietern das Halten der nach der Verabschiedung dieser Hausordnung angeschafften Haustiere verbietet.
Die Antragsteller wollten die Antragsgegner gerichtlich dazu verpflichten, die Hunde zu entfernen.
Das Amtsgericht St. Ingbert hat mit Beschluss vom 07.10.2005 -3 II 5/05- den Antrag zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss haben die Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landgericht Saarbrücken hat mit Beschluß vom 10.03.2006 -5 T 588/05 – die Antragsgegner zur Entfernung des Hundes verpflichtet. Es hat die Auffassung vertreten, der Wohnungseigentümerbeschluss betreffend die Hausordnung sei wirksam, für die Antragsgegner damit verbindlich, so dass sie gemäß §§ 1004 BGB i.V. m. § 15 Abs. 3 WEG zur Entfernung des von ihnen gehaltenen Hundes verpflichtet seien. Die Durchsetzung des Verbotes verstoße im konkreten Fall auch nicht gegen Treu und Glauben.
Dies sah das Oberlandesgericht Saarbrücken anders.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Saarbrücken ist der Beschluß der Wohnungseigentümerversammlung jedenfalls in diesem Punkte nichtig, weil das darin geregelte generelle Haustierhaltungsverbot gegen §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 2 WEG verstößt und daher gemäß §134 BGB nichtig ist.
Das Oberlandesgericht führte u.a. aus, daß es sich bei dem streitgegenständlichen Beschluss über die Hausordnung, die ein generelles Haustierhaltungsverbot vorsieht, um eine Regelung des Gebrauchs des Sonder- und Gemeinschaftseigentums handele. Gesetzliche Regelungen oder Vereinbarungen der Wohnungseigentümer, die durch Mehrheitsbeschluss nicht abgeändert werden dürfen, bestünden nicht. Vielmehr räume § 15 Abs. 2 WEG den Wohnungseigentümern ausdrücklich die Möglichkeit einer Mehrheitsentscheidung ein, sofern es um die „Ordnungsmäßigkeit“ des Gebrauchs geht. Die Wohnungseigentümerversammlung sei also nicht von vornherein für eine Beschlussfassung absolut unzuständig. Sie dürfe nur keine Beschlüsse fassen, die über die „Ordnungsmäßigkeit“ des Gebrauchs hinausgehen. Da dies aber von den Umständen des Einzelfalls abhänge und die Frage der Abgrenzung vielfach nicht leicht zu entscheiden ist, könne die Beschlusszuständigkeit nicht davon abhängen, ob eine Maßnahme ordnungsmäßig sei. Die „Ordnungsmäßigkeit“ sei daher aus Gründen der Rechtssicherheit nicht kompetenzbegründend. Die Überschreitung der Grenzen eines ordnungsgemäßen Gebrauchs begründe lediglich die Anfechtbarkeit einer solchen Beschlussfassung der Eigentümerversammlung. Sie wirke mit dem Eintritt ihrer Bestandskraft mit Ablauf der Beschlussanfechtungsfrist „vereinbarungsersetzend“.
Dies gelte auch für den hier streitgegenständlichen Eigentümerbeschluss über ein umfassendes Verbot der Haustierhaltung.
Die Nichtigkeit des streitgegenständlichen Beschlusses ergibt sich, so das Oberlandesgericht, indessen aus § 134 BGB weil ein generelles Haustierhaltungsverbot gegen den zwingenden Regelungsgehalt des § 13 Abs. 1 WEG verstößt. Nach § 13 Abs. 1 WEG könne jeder Wohnungseigentümer, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit seinen im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen nach Belieben verfahren, insbesondere diese bewohnen, vermieten, verpachten oder in sonstiger Weise nutzen. Der zulässige Gebrauch finde seine Grenzen gemäß § 14 Nr. 1 WEG erst dort, wo die anderen Miteigentümer in ihrer Nutzung von Sonder- oder Gemeinschaftseigentum mehr als in unvermeidlichem Umfang beeinträchtigt würden. Der Wohnungseigentümer sei danach verpflichtet, von den in seinem Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen lediglich in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwachse.
Zu den herkömmlichen soziokulturellen Vorstellungen im Geltungsbereich des WEG gehört – so das Oberlandesgericht weiter – die Haustierhaltung jedenfalls dann, wenn mit ihr keinerlei Nachteile für die anderen Wohnungseigentümer verbunden seien. Damit gehöre sie zum Wesensgehalt des Sondereigentums, das auch unter dem die Auslegung der zivilrechtlichen Vorschriften beeinflussenden Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG stehe. Sie gehöre ferner zu der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit, weshalb ein absolutes Verbot jeglicher Haustierhaltung durch Wohnungseigentümer ausgeschlossen sei. Ein generelles Tierhaltungsverbot ist vor diesem Hintergrund zugleich unverhältnismäßig, weil es auch Tiere umfasst, von denen keinerlei Beeinträchtigung oder Gefährdungen zu befürchten sind, weil sie den Bereich des Sondereigentums schon nicht verlassen und von ihnen weder Geräusch – noch Geruchsbelästigungen ausgehen können (Zierfische, Kanarienvögel, Schildkröten). Ein solches Verbot ist nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts auch deshalb unverhältnismäßig, weil andere Mittel der Hausordnung zur Verfügung stehen, um Belästigungen jedenfalls zu mindern, beispielsweise eine art- oder zahlenmäßige Einschränkung der Haustierhaltung. Ein unterschiedsloses Verbot ist daher materiell rechtswidrig (§134 BGB, §§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 2 WEG) und damit nichtig.
Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluß vom 02.10.2006 – 5 W 154/06 – 51