Das hört sich auf den ersten Blick abwegig an. Wegnahme eines Hundes und die Anordnung eines generellen Hundehaltungsverbots im Sofortvollzug, weil nicht gekämmt wurde?
In Betracht kommt hier als Grundlage § 16a TierSchG, in dem es -auszugsweise- heisst:
„Die zuständige Behörde trifft die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere (…) ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, dem Halter fortnehmen (…)“
Dann müsste also eine erhebliche Vernachlässigung dadurch gegeben sein, dass ein Hund nicht gekämmt wurde.
Nicht möglich? Doch!
Für die, die es sich nicht vorstellen können, berichten wir hier über eine entsprechende aktuelle Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, bei der es natürlich nicht um einen Fall ging, in dem ein Hund einmal eine Woche nicht gekämmt wurde:
In dem entschiedenen Fall wandte sich eine Hundehalterin dagegen, dass ihr ihr Hund u.a. von der Behörde (dem Antragsgegner) weggenommen und ein Hundehaltungsverbot ausgesprochen wurde, wobei bzgl. beider Anordnungen die sofortige Vollziehung angeordnet wurde. Nachdem sie in erster Instanz vor dem Verwaltungsgericht Neustadt gescheitert war1, blieb auch ihre Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ohne Erfolg.
Die Antragstellerin hat, was sie auch nicht in Abrede stellt, über einen längeren Zeitraum keine Fellpflege bei ihrem Langhaarhund betrieben und ihn überdies keinem Tierarzt vorgestellt. Ausweislich eines Kontrollberichts hatte die Amtstierärztin des Antragsgegners bei dem Hund der Antragstellerin eine hochgradige Verfilzung des Felles festgestellt. Diese war derart massiv, dass sensiblere Bereiche, wie Gesicht und Gliedmaßen, nur unter Narkose geschoren werden konnten. Hinzu kam eine blutig ulzerierende 3 x 3 cm große Umfangsvermehrung an der äußeren Zehe des linken Vorderfußes, die nicht tierärztlich behandelt worden war.
Nach einer weiteren tierärztlichen Untersuchung sind zudem im Zwischenballenbereich und am Ruteansatz nässende, teilweise offene Hautstellen zu Tage getreten. Am rechten Hinterfuß im Zwischenballenbereich wurde eine Made gefunden, was nach Ansicht der Amtstierärztin darauf hindeutet, dass Fliegen Eier in die Hautwunde legten. Die Zwischenballenbereiche waren massiv verfilzt. An den äußeren Zehen der linken Pfote befanden sich zwei wohl durch eingedrungene Grannen hervorgerufene stecknadelkopfgroße Verletzungen. Das Fell um die Hautveränderung war verklebt, die Haut entzündet. Der Knochen der linken äußeren Zehe des Vorderbeins befand sich, wie durch Röntgenbild festgestellt, aufgrund eines Tumors in Auflösung. Festgestellt wurde zudem, dass der Hund nahezu ununterbrochen an der Zehe biss und leckte. Auf einer Röntgenaufnahme konnte zudem eine vergrößerte Prostata festgestellt werden. Die Krallen des Hundes waren überlang. Die Wolfskrallen waren teilweise in die Haut eingewachsen.
Soweit die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde geltend gemacht hat, sie habe die vom Antragsgegner festgestellten Beanstandungen, die nicht im Kontrollbericht dokumentiert worden seien, nicht selbst feststellen können, so dass sie insoweit auch keine Abhilfe habe schaffen können, ist das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz ihr nicht gefolgt. Die Antragstellerin verkennt in diesem Zusammenhang schon, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Pflegemängel, die im Rahmen der weiteren tierärztlichen Untersuchung bzw. erst nach der Schur des Hundes zutage getreten sind, zu einem beträchtlichen Teil gerade auf die mangelnde Fellpflege zurückzuführen waren. Als langjährige Hundehalterin musste der Antragstellerin auch bekannt sein, dass eine mangelhafte Fellpflege zu Erkrankungen des Hundes führen kann. Unabhängig davon ist das Vorbringen der Antragstellerin nicht geeignet, eine erhebliche Vernachlässigung im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG bei ihrem Hund zu verneinen. Denn bei der Frage, ob ein Tier im Sinne des § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG erheblich vernachlässigt worden ist, kommt es nicht darauf an, ob das Fehlverhalten schuldhaft erfolgt ist2. Deshalb spielt es in diesem Zusammenhang auch keine Rolle, ob die Antragstellerin infolge einer psychischen Erkrankung nicht zu einer artgerechten Haltung ihres Hundes in der Lage war.
Schließlich ist offensichtlich, dass der von der Antragstellerin geltend gemachte gute Ernährungszustand des Hundes an seinem schlechten Pflegezustand nichts zu ändern vermag. Nach § 2 Nr. 1 TierSchG hat derjenige, der ein Tier hält, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend nicht nur angemessen zu ernähren, sondern auch zu pflegen und verhaltensgerecht unterzubringen.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin unterliegt die Fortnahmeverfügung auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten keinen rechtlichen Bedenken. Dass die Haltung des Hundes unter Auflagen anstelle einer Fortnahme zur Beseitigung der tierschutzwidrigen Umstände nicht gleich wirksam gewesen wäre, liegt angesichts der akuten erheblichen Vernachlässigung, die ein sofortiges Handeln geboten hat, auf der Hand. Der unhygienische und chaotische Zustand, in dem sich die Wohnung der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Fortnahme befand, sowie der offensichtlich bereits seit längerem andauernde schlechte Pflegezustand des Hundes ließen nicht darauf schließen, dass die Antragstellerin zur umgehenden Beseitigung der festgestellten Pflegemängel bzw. zur Veranlassung einer tierärztlichen Behandlung des Hundes in der Lage war.
Vorliegend hat der Antragsgegner zudem zu Recht darauf hingewiesen, dass ein milderes Mittel gegenüber der Fortnahme des Hundes vorliegend schon deswegen nicht in Betracht kam, weil gegenüber der Antragstellerin am gleichen Tag ein für sofort vollziehbar erklärtes Haltungs- und Betreuungsverbot für Hunde gemäß § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG ergangen ist3.
Dieses erweist sich auch bei summarischer Prüfung im Rahmen des Beschwerdevorbringens als offensichtlich rechtmäßig. Die Einschätzung des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts, dass die Antragstellerin den Tierschutzbestimmungen nach § 2 und § 2a TierSchG wiederholt bzw. grob zuwidergehandelt hat, dies für den Hund zu erheblichen oder länger anhaltenden Leiden geführt hat und dass weitere derartige Zuwiderhandlungen durch die Antragstellerseite zu prognostizieren sind, ist nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Zuwiderhandlungen der Antragstellerin gegen die Pflichten aus § 2 TierSchG und § 2a TierSchG i.V.m. der Tierschutzhundeverordnung, die darin bestanden haben, dass sie eine mangelhafte Fellpflege bei ihrem Hund betrieben und dessen medizinische Versorgung nicht sichergestellt hat, sind als grob zu beurteilen.
Das Tatbestandsmerkmal „grob“ kann zum einen gegeben sein bei einem vereinzelten Verstoß gegen tierschutzrechtliche Standards, der schwer wiegt. So liegt es etwa, wenn der Tierhalter einen vorsätzlichen Verstoß gegen eine Strafvorschrift begangen hat. Unterhalb dieser Schwelle kann zum anderen ein grober Verstoß wegen der Dauer oder der eingetretenen Folgen der Pflichtverletzung vorliegen. In diesem Fall kommt es in einer Gesamtbetrachtung insbesondere auf die Intensität und Dauer der Verstöße, die Größe der herbeigeführten Gefahren, das Ausmaß und die Dauer der verursachten Schmerzen, Leiden und Schäden sowie den Grad des Verschuldens an4.
Vorliegend hat der Antragsgegner ausgeführt, dass gegen die Antragstellerin ein Strafverfahren wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen § 17 TierSchG eingeleitet wird. Ob die Antragstellerin tatsächlich vorsätzlich gegen die Strafnorm des § 17 TierSchG verstoßen hat, kann vorliegend dahingestellt bleiben. Jedenfalls erfüllt ihr Verhalten, selbst wenn es als fahrlässig einzustufen sein sollte, das Tatbestandsmerkmal der groben Zuwiderhandlung i.S.d. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG, so das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz weiter.
Dabei wiegt schwer, dass ihr Hund – wie das Verwaltungsgericht bereits dargelegt hat – über einen langen Zeitraum, offensichtlich über mehrere Monate hinweg völlig unzureichend gepflegt wurde. Die hierdurch entstandene hochgradige Verfilzung des Fells führte zu nässenden, teilweise offenen Hautstellen. Nach den unbestritten gebliebenen Ausführungen des Antragsgegners bestand das Fell des Hundes zum Zeitpunkt der Fortnahme aus massiv verfilzten Platten, unter denen eine Luftzirkulation nicht mehr möglich war. Der Hund, so der Antragsgegner, hätte vor allem bei extrem heißen Außentemperaturen, wie sie in den Sommermonaten vorgekommen seien, schwer zu leiden gehabt. Auch ein Fellwechsel sei dem Hund im Sommer nicht möglich gewesen. Da die Filzplatten bei jeder Bewegung Zug auf die Haarfollikel ausübten, komme es darüber hinaus zusätzlich zu Schmerzen und Leiden.
Die psychische Erkrankung der Antragstellerin vermag sie, so das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, vom Vorwurf einer besonders groben Zuwiderhandlung gegen das Gebot einer angemessenen Pflege ihre Hundes nicht zu entlasten. Die Antragstellerin hat sich nach eigenen Angaben im Mai und August 2020 darum bemüht, die Kontaktdaten für einen Hundefrisör zu erlangen. Ferner wurde ihr von einem Freund Hilfe bei der Beschaffung und dem Einsatz einer Schermaschine zugesagt. Nach ihrem eigenen Vorbringen war sie also – trotz ihrer psychischen Erkrankung – durchaus noch im Stande, den Pflegezustand ihres Hundes zu beurteilen und hat insoweit auch einen entsprechenden Pflegebedarf gesehen. Als langjährige Hundehalterin eines Langhaarhundes, der intensiver Pflege bedarf, musste der Antragstellerin zumindest dem Grunde nach auch bewusst gewesen sein, dass die unterlassene Fellpflege zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen, namentlich zu Hauterkrankungen, bei ihrem Hund führen kann. Ihr Vorbringen in einer E-Mail an den Antragsgegner, dass sie den Besuch eines Hundesalons letztlich aus Angst vor Maßnahmen des Veterinäramtes gescheut hat, belegt denn auch eindrücklich, dass sie sich durchaus des erheblich schlechten Pflegezustandes ihres Hundes bewusst war, sie aber schließlich – aus eigennützigem Interesse – davon abgesehen hat, Abhilfe zu schaffen. Bei dieser Sachlage, die im Übrigen dafür spricht, dass die Antragstellerin die unzureichende Fellpflege und die daraus resultierenden gesundheitlichen Folgen möglicherweise sogar billigend in Kauf genommen hat, erscheint es zweifelhaft, dass die Antragstellerin, wie sie nunmehr geltend macht, die nach einer Schur zu Tage getretenen (Haut-)Erkrankungen ihres Hundes zweifelsfrei von einem Tierarzt hätte behandeln lassen.
Hinzu kommt, dass die Antragstellerin bislang nicht plausibel darlegen konnte, weshalb sie die 3 x 3 cm große blutig ulzerierende Umfangsvermehrung an der äußeren Zehe des linken Vorderfußes ihres Hundes nicht zum Anlass genommen hat, diesen einem Tierarzt vorzustellen bzw. von einer anderen Person vorstellen zu lassen. Dass sie von der Geschwulst, die sich zu einem späteren Zeitpunkt als Tumorerkrankung herausstellte, keinerlei Kenntnis hatte, behauptet die Antragstellerin nicht und wäre überdies auch nicht glaubhaft. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Hund nach den Feststellungen der Amtstierärztin nahezu ununterbrochen an der Zehe gebissen und geleckt habe, wobei die Amtsärztin den permanenten Juckreiz als extrem qualvoll eingestuft hat. Dieser Umstand dürfte der Antragstellerin kaum verborgen geblieben sein.
Auch wenn es der Antragstellerin, wie sie betont, darum gegangen sein mag, eine Fortnahme des ihr „ans Herz gewachsenen Hundes“ zu verhindern, so ändert dies nichts daran, dass sie letztlich ihr Interesse über die Bedürfnisse und das Wohlergehen des Hundes gestellt hat.
Nicht zu beanstanden ist ferner die amtstierärztliche und vom Verwaltungsgericht bestätigte Gefahrenprognose, dass ohne Erlass des Haltungs- und Betreuungsverbots angesichts der erheblichen, zum Teil bewussten Vernachlässigung des Hundes über einen längeren Zeitraum hinweg weitere Verstöße gegen Tierschutzvorschriften zu befürchten sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auch insoweit gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Ergänzend ist auszuführen: Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Prognose sei nicht gerechtfertigt, da sie sich aufgrund einer einmaligen, besonderen Umständen geschuldeten Belastungssituation lediglich vorübergehend nicht in dem gebotenen Maße um ihren Hund hätte kümmern können und insoweit auf die im hiesigen Verfahren vorgelegte E-Mail ihrer Diplom-Psychologin H. verweist, vermag der Senat ihrer Argumentation nicht zu folgen. Die dort gestellte Diagnose „F 33.1, rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Ausprägung“ spricht gerade nicht dafür, dass die erfolgte Zuwiderhandlung gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen allein auf eine einmalige, mittlerweile beendete Belastungssituation zurückzuführen ist. Nach der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, German Modification (ICD-10-GM) wird die Diagnose „F 33.1. Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode“ als eine Störung beschrieben, die durch wiederholte depressive Episoden gekennzeichnet ist. Von einer temporären psychischen Erkrankung der Antragstellerin kann insoweit keine Rede sein. Auch wenn sich die Antragstellerin ausweislich der vorgelegten E-Mail derzeit in ambulanter verhaltenstherapeutischer Behandlung befindet und insbesondere als „lernfähig und motiviert für Veränderungen“ beschrieben wird, so ergibt sich hieraus nicht, dass die Erkrankung der Antragstellerin so weit ausgeheilt ist, dass die zukünftige ordnungsgemäße Haltung ihres Hundes sichergestellt wäre. So ist in der E-Mail der Diplom-Psychologin H. auch lediglich die Rede davon, dass die Antragstellerin „in der Regel“ für ihren Hund sorgen kann. Das Verwaltungsgericht und der Antragsgegner haben ferner zu Recht darauf hingewiesen, dass das Entstehen weiterer Überforderungssituationen angesichts der beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin in einer leitenden Position und vor dem Hintergrund der andauernden Corona-Pandemie gerade nicht ausgeschlossen erscheint.
Eine andere Gefahrenprognose ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin auch nicht deswegen geboten, weil der Hund mittlerweile tierärztlich versorgt ist und ein wesentlicher Teil der auf den schlechten Pflegezustand zurückzuführenden Erkrankungen geheilt ist. Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass deswegen eine Zuwiderhandlung „jedenfalls kurz- oder mittelfristig objektiv unmöglich“ ist, vermag sie damit nicht durchzudringen. Es bedarf keiner weiteren Begründung, dass sich behandlungsbedürftige Erkrankungen, die auf eine Vernachlässigung im Bereich der Fellpflege zurückzuführen sind, objektiv jederzeit wiedereinstellen können.
Auch der Umstand, dass die Antragstellerin mittlerweile der Aufforderung der Antragsgegnerin zur Kastration ihrer Katze nachgekommen ist, lässt nicht darauf schließen, dass sie derzeit zur ordnungsgemäßen Haltung von Hunden in der Lage ist. Der Organisationsaufwand für eine derartige kurzzeitige tierärztliche Behandlung ist mit dem für eine dauerhafte ordnungsgemäße Pflege eines Hundes nicht vergleichbar. Das Verwaltungsgericht hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass die Haltung von Hunden im Vergleich zu einer Katzenhaltung mit einem erhöhten Pflegeaufwand verbunden ist.
Nach alledem war die Gefahrenprognose, dass ohne das Haltungs- und Betreuungsverbot weitere Verstöße gegen Tierschutzrechtvorschriften zu befürchten sind, nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz nicht zu beanstanden.
Das Haltungs- und Betreuungsverbot für Hunde erweist sich auch als verhältnismäßig. Insbesondere kamen vorliegend als mildere Mittel weder eine Haltung unter Auflagen nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG noch eine zeitlich befristete Unterbringung nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG in Betracht. Letztere setzt voraus, dass die begründete Hoffnung besteht, dass eine Rückgabe in näherer Zukunft möglich sein wird, weil der Halter zeitnah eine tierschutzgerechte Haltung gewährleistet5. Hiervon kann aus den bereits dargelegten Gründen derzeit angesichts der gravierenden Verstöße der Antragstellerin gegen tierschutzrechtliche Vorschriften und ihrer bislang nicht ausgeheilten psychischen Erkrankung nicht ausgegangen werden. Daraus ergibt sich zugleich, dass das noch mildere Mittel einer Hundehaltung unter Auflagen hier nicht in Betracht kam, zumal keine lückenlose Kontrolle durch den Antragsgegner – insbesondere, was die erforderliche Pflege des Hundes betrifft – erfolgen kann.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin besteht auch eine das besondere Vollziehungsinteresse rechtfertigende Eilbedürftigkeit der tierschutzrechtlichen Anordnungen. Zwar kann die offensichtliche Rechtmäßigkeit der Grundverfügungen allein die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht tragen, aber vorliegend sind besondere Gründe gegeben, die die Vollziehung der tierschutzrechtlichen Anordnungen vor der Entscheidung über den eingelegten Rechtsbehelf der Antragstellerin erfordern und damit die Durchbrechung des vom Gesetzgeber als Regelfall vorgesehenen Suspensiveffekts rechtfertigen.
Zum Schutz der Tiere im Sinne von Art. 20a GG hat der Adressat von tierschutzrechtlichen Anordnungen deren Folgen schon vor der Bestandskraft der Verwaltungsentscheidung hinzunehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass ansonsten eine Gefahr für die angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung der Tiere entsteht (OVG Rheinland-Pfalz, Beschlüsse vom 20.03.2017 – 7 B 11689/16.OVG; vom 24.07.2018 – 7 B 10587/18.OVG)). Angesichts der hohen Bedeutung des Tierschutzes kann dann das Risiko, dass es bei einer Aussetzung der angeordneten sofortigen Vollziehung einer Fortnahme- und Veräußerungsanordnung bzw. des Verbots der Tierhaltung und -betreuung zu weiteren Verstößen gegen die Tierhaltebestimmungen kommt, nicht eingegangen werden. Im Fall der Antragstellerin gibt es – wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt – stichhaltige Gründe für die Annahme, dass es ohne die sofortige Vollziehung der Anordnungen bis zur Bestandskraft des Bescheides zu weiteren Verstößen gegen die Tierhaltebestimmungen kommen könnte.
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 04.02.2021 – 7 B 11571/20
ECLI:DE:OVGRLP:2021:0204.7B11571.20.00
- VG Neustadt (Weinstraße), Beschluss vom 02.12.2020 – 2 L 828/20.NW [↩]
- Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 16a Rn. 20; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 24 [↩]
- OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.06.2013 – 5 S 10.13 [↩]
- Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 45; OVG Niedersachsen, Urteil vom 20.04.2016 – 11 LB 29/15 [↩]
- Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 16a Rn. 49; Lorz/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 16a Rn. 36 [↩]