Reh gehetzt – da hilft dem Hund auch die Wesensprüfung nichts

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hatte aktuell in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren darüber zu entscheiden, ob ein Hund, der ein Reh gehetzt hatte, vorläufig als gefährlich eingestuft werden kann, obwohl es eine Wesensprüfung gab, wonach der Hund nicht gefährlich sei.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammhang zwei Punkte hervorgehoben:

 

  1. Für die Annahme einer Gefährlichkeit kommt es nicht darauf an, ob sich der Hund gesteigert aggressiv gegen Menschen/Tiere oder hundetypisch verhält.
  2. Eine positive Wesensprüfung i.S.d. § 7 HundeVO widerlegt nicht die Gefährlichkeit eines Hundes, sondern erleichtert lediglich sein Halten.

Aber im Einzelnen:

Der Antragsteller ist Halter eines Wolfshund-Mischlings, der ein Rehkitz hetzte und verletzte. Die weiteren Einzelheiten sind zwischen den Beteiligten streitig.

Die Antragsgegnerin stellte daraufhin per Bescheid fest, dass der Hund gefährlich i.S.d. § 2 Abs. 2 HundeVO ist und ordnete die sofortige Vollziehung an.

In der Folge unterzog der Sachverständige den Hund einer Wesensprüfung. Der Antragsteller erhielt eine Erlaubnis zum Halten und Führen eines gefährlichen Hundes, die derzeit bis zum 27.05.2025 befristet ist.

Der Antragsteller legte Widerspruch gegen die Verfügung ein und begehrte beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (erst) am 16.08.2021 vorläufigen Rechtsschutz. Es liege ein Unfall vor, der absolut uncharakteristisch für seinen unauffälligen Hund sei, wie auch die Wesensprüfung zeige. Es fehle an objektiven Nachweisen für den Vorfall.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat den Antrag abgelehnt1.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof erfolglos.

Die Entscheidung:

Die im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus, weil bis zur Klärung im Hauptsacheverfahren sicherzustellen ist, dass von dem Hund einstweilen keine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht (Hess. VGH, Beschluss vom 20.08.2021 – 8 B 1101/21)). Denn das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main durfte im Rahmen einer summarischen Prüfung davon ausgehen, dass der betreffende Hund ein gefährlicher Hund i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 HundeVO ist, weil er ein Reh gehetzt und verletzt hat.

Zwar muten bestimmte Zeugenaussagen in der Tat übertrieben und emotional aufgeladen an, doch stimmt das Kerngeschehen überein und gilt unabhängig davon, ob noch ein zweiter Hund in den Vorfall involviert war. Auch der Antragsteller und seine Frau sind zunächst davon ausgegangen, dass der Hund den Vorfall verursacht hat, dies hat sich erst mit Einschaltung eines Anwalts geändert. Der genaue Hergang des Geschehens bedarf der Aufklärung im Hauptsacheverfahren. Es kommt allerdings für die Annahme einer Gefährlichkeit nicht darauf an, ob sich der Hund gesteigert aggressiv gegen Menschen/Tiere oder hundetypisch verhält2. Dies gilt auch hinsichtlich des Umgangs mit den anderen Haustieren des Antragstellers. Vielmehr steht der Hundehalter in der Pflicht und muss mit entsprechenden Reaktionen seines Hundes rechnen, wenn er ihn in der Öffentlichkeit ausführt.

Eine erfolgreiche Wesensprüfung widerlegt zudem nicht die Gefährlichkeit des Hundes. Denn die Wesensprüfung erleichtert (lediglich) das Halten eines gefährlichen Hundes, weil hierdurch bestimmte Anordnungen i.S.d. HundeVO wegfallen. Sie kann jedoch nicht überprüfen, wie sich der Hund in der Vergangenheit verhalten hat, sondern nur sein aktuelles Auftreten würdigen. Der Sachverständige konnte daher in seinem Gutachten vom 16.10.2020 zurecht nur Feststellungen „zum Zeitpunkt der Überprüfung“ treffen. Er geht allerdings über seine Prüfungskompetenz hinaus, wenn er zusätzlich behauptet, dass es sich bei dem betreffenden Hund nicht um einen gefährlichen Hund i.S.d. HundeVO handele. Denn dies festzustellen, bleibt rechtlicher – und nicht sachverständiger – Würdigung vorbehalten.

Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 13.02.2023 – 8 B 2310/21
ECLI:DE:VGHHE:2023:0213.8B2310.21.00

Anmerkung:

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren mögen die Ausführungen haltbar sein. In einem Hauptsacheverfahren sind die pauschalen Ausführungen des Gerichts zu den Kompetenzen eines Sachverständigen allerdings jedenfalls überprüfungswürdig.

  1. VG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.10.2021 – 5 L 2309/21.F []
  2. Hess. VGH, Beschluss vom 09.02.2023 – 8 B 2333/21; Sächs. OVG, Beschluss vom 09.09.2022 – 6 B 156/22; Bay. VGH, Beschluss vom 31.07.2014 – 10 ZB 14.688 []

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