… und dann auch noch ohne Tageslicht, ist, wen wundert’s, nicht tierschutzgerecht.
Das Verwaltungsgericht Münster hatte über die Wegnahme eines Hundes und die Auferlegung eines Tierhaltungsverbotes gegen einen Kläger zu entscheiden, der eine Hündin dauerhaft in einem verdreckten Stall gehalten hatte.
Der Kläger war Halter der Schäferhündin „Cindy“ und wohnt in einem Haus mit angrenzendem Stalltrakt. Aufgrund einer Beschwerde überprüfte der Beklagte die Hundehaltung durch den Kläger. Dabei stellten die Mitarbeiterinnen des Beklagten fest, dass der Aufenthaltsbereich der Hündin sich im dämmrigen Stalltrakt ohne Sicht nach außen befand und nur mit kleinen Fensteröffnungen versehen war. Der Boden, auch neben der Schutzhütte, war mit einer ca. 8 cm hohen Kotschicht überzogen, so dass kein Stallboden mehr erkennbar war. Der Kot war größtenteils getrocknet und mit einer Pilzschicht überzogen. An einigen Stellen lagen frische Kothaufen. Im Aufenthaltsbereich stand „Cindy“ Wasser und Futter zur Verfügung, der Nährzustand des Tieres war gut. „Cindy“ hatte überlange Krallen. Aufgrund der vorgefundenen Haltungsbedingungen nahmen die Mitarbeiterinnen des Beklagten dem Kläger die Schäferhündin „Cindy“ fort und brachten sie in einem Tierheim unter. Gleichzeitig wurde mündlich ein Tierhaltungs- und Betreuungsverbot verhängt.
Mit Ordnungsverfügung vom 27.09.2013 bestätigte der Beklagte die mündlich ausgesprochene Verfügung und ordnete an, dass
- dem Kläger die graue Schäferhund-Malinois-Hündin „Cindy“ fortgenommen und veräußert bzw. abgegeben wird (Nr. 1) und
- dem Kläger das Halten und Betreuen von Tieren untersagt wird (Nr. 2).
Ferner ordnete der Beklagte unter Nr. 3 der Verfügung die sofortige Vollziehung an und drohte dem Kläger unter Nr. 4 die Anwendung unmittelbaren Zwangs in Form der Fortnahme an, wenn er der Anordnung zu Nr. 2 nicht nachkomme. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger habe gegen mehrere Vorschriften der Tierschutzhundeverordnung (TierSchHuV) verstoßen. Der Aufenthaltsbereich der Hündin sei nicht sauber und ungezieferfrei gehalten worden, sie sei nicht regelmäßig gepflegt worden, für ihre Gesundheit sei nicht ausreichend Sorge getragen worden und sie sei nicht in Räumen gehalten worden, bei denen der Einfall von natürlichem Tageslicht sichergestellt sei und die der Hündin mindestens an einer Seite freie Sicht nach außen ermöglichten. Die Fläche der Öffnungen für das Tageslicht habe nicht mindestens ein Achtel der Bodenfläche betragen. Die überlangen Krallen wiesen darauf hin, dass vermutlich kein ausreichender Auslauf stattgefunden habe und die Pflege der Krallen vernachlässigt worden sei. Die gleichen gravierenden Missstände seien bereits im Jahr 2008 festgestellt und nur kurzfristig abgestellt worden. Das Haltungs- und Betreuungsverbot sei angeordnet worden, weil der Kläger gegen das tierschutzrechtliche Gebot zu artgemäßer Unterbringung, Betreuung und Pflege der Hündin verstoßen habe. Indem er keine tägliche Säuberung des Stallbereichs während eines längeren Zeitraums sichergestellt habe, obwohl er dazu in der Lage gewesen sei, habe er der Hündin Schmerzen und Leiden zugefügt und dies billigend in Kauf genommen. Aufgrund der Vorgeschichte sei nicht davon auszugehen, dass der Kläger in Zukunft Tiere, insbesondere Hunde, entsprechend den gesetzlichen Vorgaben halten werde.
Der Kläger hat gegen diese Verfügung Klage erhoben und räumt ein, der Stalltrakt sei seit einigen Monaten nicht ordnungsgemäß gereinigt worden, aber der Schlaftrakt der Hündin sei vollständig sauber gewesen. Er gehe mit der Hündin auch mindestens zweimal täglich Gassi. Auch in der Vergangenheit habe er Missstände unmittelbar nach einem Hinweis unverzüglich beseitigt. Dies hätte der Beklagte dem Kläger vor Erlass der Ordnungsverfügung erneut aufgeben müssen.
Das Verwaltungsgericht Münster hat die Klage abgewiesen, da die Ordnungsverfügung rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Anordnung, dem Kläger die Hündin „Cindy“ fortzunehmen und zu veräußern bzw. abzugeben, rechtfertigt sich aus § 16 a S. 2 Nr. 2 TierSchG. Danach kann die zuständige Behörde ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist, dem Halter fortnehmen und so lange auf seine Kosten anderweitig pfleglich unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. Ist eine anderweitige Unterbringung des Tieres nicht möglich oder ist nach Fristsetzung durch die zuständige Behörde eine den Anforderungen des § 2 entsprechende Haltung durch den Halter nicht festzustellen, kann die Behörde das Tier veräußern.
Die Voraussetzungen dieser Norm liegen vor. Die Hündin „Cindy“ wurde mangels Erfüllung der Voraussetzungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt. Gemäß § 2 Nr. 1 TierSchG muss derjenige, der ein Tier hält, dieses seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen. Was darunter in Bezug auf Hunde zu verstehen ist, regelt die Tierschutzhundeverordnung (TierSchHuV) genauer. Der Kläger hat jedenfalls die Forderungen des § 8 Abs. 2 Nr. 4 TierSchHuV und des § 5 Abs. 1 TierSchHuV nicht erfüllt.
Nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 TierSchHuV hat die Betreuungsperson den Aufenthaltsbereich des Hundes sauber und ungezieferfrei zu halten; Kot ist täglich zu entfernen. Durch die Amtstierärztin des Beklagten wurde festgestellt, dass der Stalltrakt mit einer durchgehenden, ca. 8 cm dicken und bereits mit einer Pilzschicht überzogenen Kotschicht bedeckt war und der Kot der Menge nach über einen sehr langen Zeitraum nicht entfernt worden war. Dies bestreitet der Kläger auch nicht, sondern gibt in seiner eidesstattlichen Versicherung nur an, der Schlaftrakt des Hundes sei völlig sauber gewesen. Abgesehen davon, dass die Tierärztin auch die Holzliegefläche neben der Schutzhütte aus Holz lückenlos mit Kot bedeckt vorgefunden hat, kommt es allein auf die Sauberkeit der Schlafgelegenheit nicht an, sondern auf den Aufenthaltsbereich. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 4 TierSchHuV ist der gesamte Aufenthaltsbereich sauber und ungezieferfrei zu halten. Zum Aufenthaltsbereich von „Cindy“ gehörte aber auch der Stalltrakt. Der Kot wurde dort, wie sich auch aus den in den Verwaltungsvorgängen befindlichen Fotos ergibt, augenscheinlich nicht täglich entfernt, sondern lange Zeit liegengelassen.
Nach § 5 Abs. 1 TierSchHuV darf ein Hund nur in Räumen gehalten werden, bei denen der Einfall von natürlichem Tageslicht sichergestellt ist. Die Fläche der Öffnungen für das Tageslicht muss bei der Haltung in Räumen, die nach ihrer Zweckbestimmung nicht dem Aufenthalt von Menschen dienen, grundsätzlich mindestens ein Achtel der Bodenfläche betragen. Diesen Anforderungen der Verordnung genügt der Stalltrakt für „Cindy“ nach den Feststellungen der Amtstierärztin nicht. Der Stalltrakt ist dämmrig und ohne freie Sicht nach außen. Er besitzt nur kleine Fensteröffnungen. Ein Achtel der Bodenfläche machen die Fensteröffnungen nicht aus. Die Ausnahme nach § 5 Abs. 1 S. 3 TierSchHuV greift nicht ein, da der Hündin „Cindy“ nicht ständig ein Auslauf ins Freie zur Verfügung steht. Der Kläger hat nur angegeben, er gehe mit der Hündin ca. zweimal täglich Gassi. Dass der Kläger eine zusätzliche Beleuchtung entsprechend dem Tag-Nacht-Rhythmus angebracht hat (§ 5 Abs. 1 S. 4 TierSchHuV), hat die Tierärztin ebenfalls nicht feststellen können.
Der Kläger hat die Hündin „Cindy“ auch i. S. d. § 16 a S. 2 Nr. 2 TierSchG erheblich vernachlässigt. Erheblich bedeutet in diesem Zusammenhang nach Art oder Dauer gewichtig. Es genügt, wenn einzelne Gebote aus § 2 TierSchG für einen längeren Zeitraum und/oder in besonders intensiver Form verletzt worden sind1.
Das ist hier der Fall. Der Kläger hält die Hündin bereits seit 2008 in dem schlecht beleuchteten Stall. Ferner hat die Tierärztin festgestellt, dass der Kot im Stalltrakt über einen sehr langen Zeitraum nicht entfernt worden war. Da die Kotschicht insgesamt ca. 8 cm dick und bereits mit einer Pilzschicht bedeckt war und der gesamte Bereich zugekotet war, hat der Kläger die Vorgaben des § 2 TierSchG i. V. m. der Tierschutzhundeverordnung sowohl der Dauer als auch der Intensität nach erheblich verletzt.
Der Beklagte hat sein Ermessen schließlich ordnungsgemäß ausgeübt. Er hat zu Recht angenommen, dass sein Ermessen angesichts der vorgefundenen erheblichen Mängel bei der Unterbringung zum Schutz des Tieres auf ein sofortiges Einschreiten reduziert war.
Auch die – sinngemäße – Anordnung, die Veräußerung von „Cindy“ zu dulden, ist rechtmäßig. Dabei bedurfte es ausnahmsweise nicht der in § 16 a S. 2 Nr. 2 2. Halbsatz TierSchG vorgesehenen vorherigen Fristsetzung, innerhalb der der Halter zunächst nachweisen kann, dass er eine dem § 2 TierSchG entsprechende Haltung nunmehr sicherstellt. Denn der Beklagte hat gegen den Kläger mit derselben Verfügung ein mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenes Tierhaltungsverbot erlassen, weil von ihm eine tierschutzrechtlich unbedenkliche Tierhaltung nicht zu erwarten ist. In einem solchen Fall erübrigt sich eine Fristsetzung, weil der Kläger die Hündin ohnehin nicht mehr halten darf2.
Auch in Bezug auf die Duldung der Veräußerung liegen Ermessensfehler nicht vor. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Veräußerung angeordnet hat, um angesichts des gleichzeitig angeordneten Tierhaltungsverbots und der darauf bezogenen Anordnung der sofortigen Vollziehung die Entstehung von Kosten zu Lasten der Allgemeinheit durch eine längere anderweitige Unterbringung der Hündin zu vermeiden.
Die Anordnung des Tierhaltungsverbots in Ziffer 2 der Verfügung rechtfertigt sich aus § 16 a S. 2 Nr. 3 TierSchG. Danach kann die zuständige Behörde demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG wiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen Tieren erhebliche oder länger anhaltende Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten oder Betreuen von Tieren jeder Art untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Kläger hat wiederholt den genannten Vorschriften des § 2 TierSchG i. V. m. §§ 8 Abs. 2 Nr. 4, 5 Abs. 1 TierSchHuV zuwidergehandelt, denn die im September 2013 festgestellten Mängel waren bereits 2008 aufgetreten und damals kurzfristig abgestellt worden. Für eine wiederholte Zuwiderhandlung reichen zwei Verstöße aus. Zudem handelt es sich insbesondere bei der lang andauernden fehlenden Säuberung des Aufenthaltsorts der Hündin um eine grobe Zuwiderhandlung.
Gerade durch die lange andauernden erheblichen Mängel bei der Hundehaltung wurden „Cindy“ erhebliche Leiden und erhebliche Schäden zugefügt. Dass der Hündin durch den vollständig zugekoteten Stalltrakt, der ihr als Aufenthaltsraum diente, erhebliche, d. h. nach Art und Intensität gewichtige Leiden zugefügt wurden, wenn sie sich ständig dort aufhalten musste und nur zweimal täglich zum Gassigehen herausgeholt wurde, leuchtet auch nach nochmaliger Überprüfung im Klageverfahren unmittelbar ein. Manche Schäden sind außerdem durch die vom Verein zur Förderung des Hundeasyls in X. -G. e.V. dokumentierten Verhaltensauffälligkeiten und Mangelerscheinungen der aufgenommenen Hündin belegt. Die Augen von „Cindy“ waren bei der Aufnahme nur schlitzartig geöffnet, weil sie offenbar nicht dauerhaft an Tages- oder Sonnenlicht gewöhnt war. Nachdem sie im Hundeasyl normalen Lebensbedingungen ausgesetzt war, sind ihre Augen mittlerweile auf normale Weite geöffnet. Auch das für eine fünf- bis sechsjährige Hündin untypische welpenhafte Reagieren auf Umweltreize ist nach der Dokumentation des Hundeasyls vermutlich als Hinweis auf eine interaktive Vernachlässigung zu verstehen. Der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass die Verhaltensstörungen nach der Fortnahme bei der neuen Familie entweder abgestellt werden konnten oder die Familie sich darauf eingestellt hat. Die festgestellten Verhaltensstörungen sind gleichzeitig ein Indikator dafür, dass die Hündin erheblich gelitten hat3.
Schließlich rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Kläger weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. Aufgrund dessen, dass dieselben Mängel beim Kläger bereits 2008 festgestellt worden waren, diese kurzfristig behoben wurden, aber jetzt erneut auftraten und es auch schon im Jahre 2005 der Androhung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens bedurft hatte, um den Kläger zur ordnungsgemäßen Hundehaltung zu bewegen, ist zu befürchten, dass auch nach der Fortnahme der Hündin „Cindy“ eine weitere Tierhaltung beim Kläger nicht entsprechend den Vorschriften des Tierschutzgesetzes ablaufen wird. Denn der Kläger hat sich durch frühere Ermahnungen und Ordnungsverfügungen nicht belehren lassen. Er ist dieser Prognose weder im vorläufigen Rechtsschutzverfahren noch im Klageverfahren entgegengetreten.
Ermessensfehler liegen daher nicht vor.
Die Androhung unmittelbaren Zwangs in Ziffer 4 der Ordnungsverfügung ist ebenfalls rechtmäßig. Sie rechtfertigt sich aus §§ 55, 57 Abs. 1 Nr. 3, 62, 63 VwVG NRW. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte für den Fall einer weiteren Tierhaltung entgegen dem Verbot in Ziffer 2 der Verfügung das Zwangsmittel des unmittelbaren Zwangs in Form der Fortnahme und kein Zwangsgeld angedroht hat, da er dieses aufgrund der Erfahrungen mit dem Kläger nicht als erfolgversprechend angesehen hat.
Dass der Kläger nicht einmal zum Verhandlungstermin erschienen ist, braucht auch nicht weiter kommentiert zu werden …
Verwaltungsgericht Münster, Urteil vom 02.06.2014 – 9 K 1073/13
- Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, Kommentar, § 16 a TierSchG, Rn. 15 [↩]
- VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.03.2005 – 1 S 381/05; Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, Kommentar, § 16 a TierSchG, Rn. 18 [↩]
- Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, Kommentar, § 17 TierSchG, Rdn. 69 ff. [↩]