Das Oberlandesgericht Koblenz hatte über die Klage eines Joggers zu entscheiden, der über einen Dackel stolperte und lastete dem Jogger eine Mithaftung von 30% auch im Rahmen der vorliegenden Gefährdungshaftung an.
Dem klagenden Jogger sowie dem mit ihm joggenden Zeugen M. kam der die Hunde ausführende Zeuge X mit zwei Dackeln der beklagten Hundehalterin entgegen. Die Tiere waren nicht angeleint.
Als sich die Läufer den Hunden angenähert hatten, lief plötzlich einer der Dackel vor den Läufern quer über den Weg. Dem Zeugen M. gelang es, über das Tier hinweg zu springen. Der ihm folgende Kläger konnte jedoch nicht mehr ausweichen und stürzte. Er zog sich Frakturen des linken Handkahnbeins und des Griffelfortsatzes der Speiche zu.
Das Oberlandesgericht Koblenz urteilte in der zweiter Instanz, daß die Hundehalterin verpflichtet ist, dem Kläger jeden zukünftigen materiellen Schaden i.H.v. 70 % zu ersetzen, der ihm aus dem betreffenden Unfallereignis noch entstehen wird, soweit Ersatzansprüche nicht auf öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Leistungsträger übergehen.
Die Haftung der Beklagten als Tierhalterin ergibt sich dem Grunde nach aus § 833 S. 1 BGB („Luxustier”). Sie muss für alle von ihr gehaltenen Tieren verursachten Schäden einstehen, die sich als Konkretisierung der Tiergefahr-Unberechenbarkeit tierischen Verhaltens darstellen.
Das Oberlandesgericht bewertete allerdings die Mithaftung des Klägers mit 30 %, und zwar aus folgenden Gründen:
§ 254 BGB ist eine Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben und ermöglicht einen gerechten Schadensausgleich.
Die Bestimmung ist grundsätzlich gegenüber allen Schadensersatzansprüchen anwendbar, so dass das mitwirkende Verschulden auch der Gefährdungshaftung nach § 833 S. 1 BGB entgegengesetzt werden kann.
Ein relevanter Beitrag des Verletzten zur Schadensentstehung liegt dann vor, wenn er eine Situation erhöhter Verletzungsgefahr herbeigeführt hat und diese Gefahr erkennen und vermeiden konnte. Im Rahmen der Abwägung gegenüber der Gefahrverantwortung des Tierhalters bemisst sich das Gewicht des Verletztenbeitrages nach seinem objektiven Anteil an der Verletzung und nach dem Grad des Sorgfaltsverstoßes gegen das eigene Sicherheitsrisiko des Verletzten.
Das Oberlandesgericht bestätigte die Ausführungen des Landgerichts Koblenz (Urteil vom 25. November 2002 – 10 O 174/01):
Für die Läufer seien die Hunde schon aus relativ weiter Entfernung zu sehen und es sei ihnen zumutbar gewesen, zum Beispiel einen Bogen zu laufen oder das Tempo zu verringern.
Dies sei eine zutreffende Erwägung, denn gegenüber dem unberechenbaren tierischen Verhalten, von dem jedermann weiß, und mit dem er zu rechnen hat, besteht die Sorgfaltspflicht, sich darauf einzustellen und Vorsicht walten zu lassen.
Das hat der Kläger nicht getan.
Der Kläger hat die Hunde schon von weitem gesehen. Dennoch hat er sich laufend und in nicht herabgesetzter Geschwindigkeit den beiden links und rechts des Weges befindlichen Dackeln genähert, wobei er nicht damit rechnen konnte, dass sie dort auch verbleiben würden. Hinzu tritt noch ein weiterer Umstand, der dem Kläger anzulasten ist. Nach seinem eigenen Vorbringen lief er in einem so knappen Abstand hinter dem Zeugen M., dass ihm die Sicht nach vorne genommen war. Das war unter den gegebenen Umständen ebenfalls unvorsichtig, denn er hätte die nicht angeleinten Tiere im Auge behalten müssen, um sich hierdurch auf deren unberechenbares Verhalten einstellen zu können. Diese Nachlässigkeiten „in eigener Sache” rechtfertigen es, dem Kläger ein mitverursachendes Verschulden i.H.v. 30 % anzulasten und seine Ersatzansprüche entsprechend zu kürzen.
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 03. Juli 2003 – 5 U 27/03