Hat eine Behörde Kenntnis von einer eventuellen Gefährlichkeit eines Hundes, so muss sie handeln.
In der Regel kommt es dann – je nach Bundesland und Kommune – zunächst einmal zu vorläufigen Anordnungen, also insbesondere Anordnung der Begutachtung des Hundes und bis dahin Leinenzwang und Maulkorbzwang.
So weit, so richtig.
Problematisch ist aber häufig der Punkt der „Kenntnis“ von einer Gefährlichkeit. Vielfach erlassen die Behörden solche Bescheide aufgrund von – z.T. anonymen – Anzeigen.
Das Oberverwaltungsgericht Münster hatte sich nun mit einem Fall zu befassen, in dem andere Bürger Vorfälle mitgeteilt und die Behörde vorläufige Anordnungen getroffen hatte.
In dem konkreten Fall wandte die Antragstelerin im Wesentlich nur ein, dass die Anwürfe falsch seien und die Nachbarn sie drangsalieren wollten.
Das reichte dem Oberverwaltungsgericht Münster nicht aus, so dass es die Beschwerde gegen die erstinstanzliche Eilentscheidung des Verwaltungsgericht Düsseldorfs1 bestätigt hat.
Aber im Einzelnen:
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat den Antrag der Antragstellerin mit der Begründung abgelehnt, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der in der angefochtenen Ordnungsverfügung angeordneten Maßnahmen bezüglich des Hundes „M. “
– Durchführung einer Begutachtung durch einen amtlichen Tierarzt, Ziffer 1;
– vorläufige Anordnung eines generellen Leinenzwangs, Ziffer 2;
– Ausführungsbeschränkung, Ziffer 3)
– und der hierauf bezogenen Zwangsgeldandrohung
überwiege das private Interesse der Antragstellerin an einem einstweiligen Aufschub der Vollziehung. Die angegriffene Ordnungsverfügung erweise sich als rechtmäßig. Insbesondere seien die Anordnungen zu Ziffern 1 bis 3 verhältnismäßig. Unbeschadet dessen falle auch eine erfolgsunabhängige Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus.
Mit ihrer Beschwerde wendet die Antragstellerin im Wesentlichen ein, die in der Ordnungsverfügung getroffenen Anordnungen seien unverhältnismäßig. Ein bloßer Gefahrenverdacht reiche nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für Anordnungen nach § 12 LHundG NRW nicht aus; dies verkenne der angefochtene Beschluss. Außerdem lege das Verwaltungsgericht zu Unrecht die „von Bürgern via beliebiger Zurufe der Antragsgegnerin mitgeteilten ‚Gefahrenmöglichkeit‘ bzw. ‚Besorgnispotenzial‘“ zugrunde. Auch sei der Hund „M.“ ausweislich einer eingeholten Stellungnahme der das Tier jahrelang behandelnden Tierärztin ein friedliebendes Tier. Schließlich habe der Hund bisher weder Menschen noch Tiere von sich aus angegriffen. Sämtliches Beißen habe bis auf eine Ausnahme niemals stattgefunden. Es seien „alles nur Märchen und Geschichten“ (S. 3 der Beschwerde).
Mit diesen Rügen ist die Antragstellerin beim Oberverwaltungsgericht Münster nicht durchgedrungen.
Sie unterlässt – so das Oberverwaltungsgericht Münster – bereits jegliche substantiierte Auseinandersetzung mit der eingehenden Begründung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf zu den Anordnungen zu den Ziffern 1 bis 3 der Ordnungsverfügung. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht Düsseldorf unter Bezugnahme auf ständige Senatsrechtsprechung getroffenen Ausführungen zur Rechtfertigung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen beim Vorliegen eines Gefahrenverdachts. Der bloße Verweis auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die im Übrigen nicht zur Frage einer – wie hier – konkreten Gefahrerforschungsmaßnahme im Einzelfall, sondern zu einer abstrakt-generellen Gefahrenabwehrregelung ergangen ist2, ist nicht geeignet, eine Auseinandersetzung mit den Gründen des angegriffenen Beschlusses zu ersetzen. In gleicher Weise unterbleibt – wo das Oberverwaltungsgericht Münster weiter – eine konkrete Auseinandersetzung mit der einzelfallbezogenen Würdigung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, wonach der Vorwurf der Antragstellerin, einzelne Vorfälle im Zusammenhang mit dem Verhalten des Hundes dienten lediglich zur Stimmungsmache gegen sie und ihre Familie, nicht durchgreife. Insoweit spricht weiterhin nichts für die wiederholte Bewertung, hinter den Vorwürfen stünden „wahrheitswidrige Anzeigen“ aus derselben Wohngegend. Auch die mit der Beschwerde vorgelegte tierärztliche Bescheinigung stellt die Feststellungen und Bewertungen des Verwaltungsgerichts nicht infrage. Die Bescheinigung besagt nur etwas über das Verhalten von „M.“ in der Tierarztpraxis, ohne Ausführungen zum Wesen des Hundes insgesamt zu enthalten. Hinzu kommt, dass der Begutachtung durch amtliche Tierärzte, wie auch § 3 Abs. 3 Satz 2 LHundG NRW zeigt, aufgrund von deren Objektivität und Sachverstand regelmäßig ein höherer Stellenwert zukommt, als dies bei privattierärztlichen Gutachten der Fall ist3.
Selbst die Einschätzung eines privaten Tierarztes, von einem Hund gehe keine Gefahr aus, wird daher regelmäßig eine amtstierärztliche Begutachtung nicht entbehrlich machen können, so das Oberverwaltungsgericht Münster.
Oberverwaltungsgericht NRW, Beschluss vom 06.01.2023 – 5 B 252/22
ECLI:DE:OVGNRW:2023:0106.5B252.22.00