Da viele Landeshundegesetze auch die Haltung von Kreuzungen mit per definitionem „gefährlichen Hunden“ verbieten (bzw. nur unter sehr engen Voraussetzungen erlauben), kommt es naturgemäß regelmäßig zu rechtlichen Auseinandersetzungen zu der Frage, ob ein Mischling, bei dem irgendwann einmal ein Listenhund „mitgespielt“ hat, noch zu den Hunden zählt, die als Kreuzung im Sinne des Gesetzes anzusehen ist. Wir hatten u.a. hier und hier über entsprechende Entscheidungen berichtet.
Nun hat sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit einem solchen Fall beschäftigt, in dem es um die Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Haltungsuntersagung bzgl. eines Hundes ging, bei dem es sich, so die Behörde, um eine Kreuzung mit einem Pitbull Terrier handeln sollte.
Im Ergebnis hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf entschieden, dass es der Einschätzung der Amtsveterinärin bzgl. des Phänotyps eines Pittbull Terriers folge. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat sich hinsichtlich der Beurteilungskriterien recht ausführlich mit der Sache befasst, scheint die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster allerdings kritisch zu sehen.
Aber im Einzelnen:
Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW soll das Halten eines gefährlichen Hundes u.a. dann untersagt werden, wenn die Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt sind oder eine erforderliche Erlaubnis versagt wurde. Gefährliche Hunde sind gemäß § 3 Abs. 1 LHundG NRW Hunde, deren Gefährlichkeit nach Absatz 2 vermutet wird oder nach Absatz 3 im Einzelfall festgestellt worden ist. (Abstrakt) Gefährliche Hunde sind nach § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW Hunde der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier und deren Kreuzungen untereinander sowie deren Kreuzungen mit anderen Hunden. Dabei sind Kreuzungen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW Hunde, bei denen der Phänotyp einer der dort genannten Rassen deutlich hervortritt.
Gemessen daran handelt es sich zunächst bei dem von der Antragstellerin gehaltenen Hund Q. aller Voraussicht nach um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 LHundG NRW, nämlich um die Kreuzung eines (American) Pitbull Terriers mit einem anderen Hund.
Insoweit ist von einem deutlichem Hervortreten entsprechender phänotypischer Merkmale dann auszugehen, wenn ein Hund nach seiner äußeren Erscheinung (Phänotyp) trotz der erkennbaren Einkreuzung anderer Rassen in markanter und signifikanter Weise die Merkmale einer oder mehrerer der in der Vorschrift genannten oder bestimmten Rassen zeigt1.
Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen ist die Frage, wann bei einem konkreten Hund ein solches Hervortreten anzunehmen ist, einer rein schematischen Beantwortung nicht zugänglich. Maßgeblich sei eine betrachtende Wertung im Einzelfall, die in den Blick nehme, ob ungeachtet des nicht zu leugnenden Einflusses auch anderer Rassen bestimmte, die in Rede stehende Rasse besonders charakterisierende Merkmale deutlich ausgeprägt sichtbar seien. Der Hund müsse in seinem Erscheinungsbild wesentliche Züge der betreffenden Rasse aufweisen2.
Nach neuerer Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen sei bei den charakterisierenden Merkmalen zunächst an solche im Rassestandard aufgeführten äußeren Merkmale des jeweiligen Hundes zu denken, die konstitutionsbedingt zu der Gefährlichkeitsvermutung beitrügen. Dies werde regelmäßig bei der die Kopfform mitprägenden Ausbildung von Kiefer und Gebiss, bei Hals und Brust, der Bemuskelung dieser Körperpartien, der Bemuskelung des Körpers im Ganzen sowie hiermit zusammenhängend bei Größe und Gewicht des Hundes sowie deren Verhältnis zueinander der Fall sein3.
Nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen könne sich das genetische Potential, welches bei Hinzutreten weiterer Umstände die aufgelisteten Hunde zu einer Gefahr werden lassen kann, jedenfalls in der Regel mit fortschreitender Abnahme dieses genetischen Potentials durch wiederholte Kreuzungen mit anderen Hunden im Zuge der Generationen zunehmend verflüchtigen3.
Angesichts dieses Befundes sei, um eine ufer- und konturenlose Definition der „Kreuzungen“ im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW zu vermeiden, ein enges Verständnis des Hervortretens des Phänotyps einer der gelisteten Rassen erforderlich. Nicht ausreichend könne es daher sein, dass ein Hund lediglich einige Merkmale der in Rede stehenden gefährlichen Hunderasse zeige, selbst wenn diese als einzelne Merkmale deutlich hervorträten. Vielmehr müsse man, auch um sowohl Behörden als auch Haltern eines Hundes die Erkennbarkeit und die praktikable Handhabung zu ermöglichen, fordern, dass der Standard der in Rede stehenden Rasse im Wesentlichen erfüllt werde und Abweichungen lediglich Randbereiche, wie etwa Fellfarbe, Ohrenform oder Schwanzform, beträfen. Demgegenüber müssten die das Erscheinungsbild einer Rasse regelmäßig besonders charakterisierenden Merkmale – wie insbesondere Kopfform, Größe und Gewicht und deren Verhältnis zueinander sowie generell die Proportionen der verschiedenen Körperteile zueinander – vorliegen. Zudem werde man fordern müssen, dass gerade auch die körperlichen Merkmale gegeben seien, die die Gefährlichkeitseinstufung in körperlicher Hinsicht rechtfertigten3.
Ob in dem zuletzt genannten Maßstab ein engeres Verständnis des Kreuzungsbegriffs als bisher von dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zugrunde gelegt zu sehen ist und ob das Verwaltungsgercht Düsseldorf einer solchen Auslegung des Begriffs der Kreuzung folgt, bedurfte nach seiner Auffassung vorliegend keiner Entscheidung. Denn auch unter Anlegung der zuletzt genannten Vorgaben ist die Qualifizierung des Hundes der Antragstellerin als gefährlicher Hund i.S.d. § 3 Abs. 2 LHundG NRW gerechtfertigt. Denn bei Q. tritt der Phänotyp eines (American) Pitbull Terrier, der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW als Pittbull Terrier bezeichnet wird, in dem Sinne deutlich hervor, dass er nicht nur einige Merkmale der in Rede stehenden gefährlichen Hunderasse zeigt, sondern – unter Berücksichtigung der im Rassestandard beschriebenen Gewichtung der Rassemerkmale beim Pittbull Terrier – in ganz wesentlichen Punkten dem Rassestandard entspricht, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf.
Dabei ist eine wesentliche Entsprechung nicht in dem Sinne zu verstehen, dass der betreffende Hund das Erscheinungsbild eines reinrassigen Pittbull Terriers aufweist. Denn es liegt in der Natur einer Kreuzung, dass diese – entsprechend der oben genannten Definition – auch nicht zu leugnende Einflüsse anderer Rassen zeigt. Nicht außer Betracht bleiben darf darüber hinaus, dass selbst reinrassige Hunde nicht alle dasselbe Erscheinungsbild aufweisen. Entsprechend sind die Rassestandards (nur) als Zuchtziele formuliert, die mit Blick auf Abweichungen zum Idealzustand zwischen Fehlern, schwerwiegenden Fehlern und disqualifizierenden Elementen unterscheiden.
Bei der danach hier vorzunehmenden Beurteilung der Einkreuzung eines (American) Pitbull Terriers legt das Verwaltungsgericht Düsseldorf nach wie vor den „American Pit Bull Terrier Official UKC Breed Standard“ des UKC, Stand 1. Mai 2017, zugrunde. Soweit das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 03.12.2020 erhebliche Zweifel geäußert hat, dass auf der Grundlage dieses Standards das Vorliegen einer Kreuzung eines Pitbull Terriers hinreichend verlässlich bejaht werden kann, lässt das Verwaltungsgericht Düsseldorf offen, ob es diese Zweifel teilt. Jedenfalls sind die vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen geäußerten Zweifel nicht in die Feststellung gemündet, dass eine Kreuzungsbeurteilung wegen mangelnder Bestimmtheit der gesetzlichen Grundlage nicht möglich ist. Im Gegenteil hat sich das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in der genannten Entscheidung – nachdem es die Frage der Bestimmtheit offengelassen hat – in der Lage gesehen, den dort konkret in Rede stehenden Hund einer Beurteilung mit Blick auf das deutliche Hervortreten des Phänotyps eines Pitbull Terriers zu unterziehen. Vor diesem Hintergrund ist die Ansicht der Antragstellerin, eine Einstufung als Pitbull Terrier oder als Kreuzung mit dieser Rasse sei (nunmehr) per se ausgeschlossen, nicht tragfähig, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf.
Die vorliegend vorzunehmende Einschätzung, dass es sich bei dem Hund der Antragstellerin um eine Kreuzung mit einem deutlichen Hervortreten der Merkmale der Rasse des Pitbull Terriers handelt, beruht auf der Rassebeurteilung durch die stellvertretende Amtstierärztin C. sowie ihrer ergänzenden Stellungnahme. Diese kommt insbesondere mit Blick auf die Merkmale des Kopfes zu einer eindeutigen Zuordnung zur Rasse des Pitbull Terriers. Unter anderem sei deutlich zu erkennen, dass Schädel und Nasenrücken parallel verlaufen. Von der Seite sei die Keilform deutlich zu erkennen. Der Kopf sei groß und breit mit deutlich erkennbarer Mittellinie am Oberkopf und ausgeprägter Wangenmuskulatur. Der breite Fang verschmälere sich zur Nase. Ferner passe das Längenverhältnis Schnauze zu Schädel. Ebenso seien Nase, Zähne, Augen und Ohrenansatz regelgerecht. Lediglich die Lefze reiche gering über den Unterkieferast und sei nicht komplett verschlossen. Dies stelle, so die Amtsveterinärin, zwar einen Fehler dar, sei jedoch kein Ausschlusskriterium betreffend die Rasse des Pitbull Terriers. Dies zugrunde gelegt entsprechen die Merkmale des Kopfes des Hundes der Antragstellerin eindeutig dem Standard des Pitbull Terriers und ist vor dem Hintergrund, dass der Kopf ausweislich der Standardbeschreibung ein Schlüsselelement dieser Rasse darstellt, die Anforderung der oben genannten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen erfüllt, wonach bei einer Kreuzung die das Erscheinungsbild einer Rasse regelmäßig besonders charakterisierenden Merkmale vorliegen müssen, so die Auffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf. Insoweit zeugten, wie die Amtsveterinärin ausdrücklich ausgeführt hat, die markanten Merkmale am Kopf von hoher Beißkraft und seien mitentscheidend für die Gefährlichkeitsvermutung. Soweit die Amtsveterinärin Fehler im Bereich der Lefze festgestellt hat, stellt dies zwar eine Abweichung vom Zuchtziel dar, führt jedoch mangels Einstufung als disqualifizierendes Element nicht dazu, dass das betreffende Tier nicht mehr der betreffenden Rasse zugeordnet werden kann. Ebenso wenig kann in der Folge (erst recht) nicht das Vorliegen einer Kreuzung mit deutlichen Hervortreten der Merkmale eines Pitbull Terriers verneint werden.
Auch die weiteren körperlichen Merkmale des Hundes der Antragstellerin stehen der Annahme einer Kreuzung mit einem Pitbull Terrier, bei der die phänotypischen Merkmale eines Pitbull Terrier deutlich hervortreten, nicht entgegen, so das Verwaltungsgericht Düsseldorf weiter. Die breite tiefe Brust, das Haarkleid, der Farbschlag und der kräftige und stabile Körperbau entsprechen nach den Ausführungen der Amtsveterinärin den markanten Rassemerkmalen. Soweit Größe und Gewicht betroffen sind, stellt der oben genannte Standard für Rüden auf eine wünschenswerte – vom Hund der Antragstellerin mit 47 cm Höhe erfüllte – Widerristhöhe von 46-53 cm und ein wünschenswertes Gewicht von 16-27 kg ab. Jedoch, so die Standardbeschreibung, sei das richtige Verhältnis von Gewicht zu Körpergröße viel wichtiger als das tatsächliche Gewicht oder die tatsächliche Größe des Hundes. Vor diesem Hintergrund stellen die absolute Größe und das absolute Gewicht kein für die Rasse des Pitbull Terriers signifikantes Merkmal dar, das nach der oben genannten Kreuzungsdefinition des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen für die Feststellung einer entsprechenden Kreuzung erforderlich ist. Dementsprechend kann das Gewicht des Hundes der Antragstellerin für sich genommen (zuletzt angegeben mit 40 kg) einer Einstufung als Kreuzung mit einem Pitbull Terrier, bei der die phänotypischen Merkmale eines Pitbull Terrier deutlich hervortreten, nicht entgegenstehen. Vielmehr kommt es nach dem genannten Rassestandard auf das Verhältnis von Größe und Gewicht an. Vor diesem Hintergrund dürfte die Festlegung einer prozentualen Überschreitungs- oder Unterschreitungsgrenze mit Blick auf Größe und Gewicht, wie sie das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung vom 03.12.2020 auch für die Rasse des Pitbull Terrier angeführt hat3 und die die Annahme eines deutlichen Hervortretens dieser Rasse ausschließen soll, nicht ohne Weiteres möglich sein.
Diese generellen Überlegungen bedürfennach Auffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf indes keiner Vertiefung. Denn im vorliegenden Fall ist das tatsächliche Gewicht nicht einem (dem Standard vorschwebenden) trainierten Tier zuzuordnen. Vielmehr war der Hund der Antragstellerin nach den Angaben der Amtstierärztin juvenil, untrainiert und übergewichtig und sei die Bezeichnung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, der Hund sei „adipös“, zutreffend. Vor diesem Hintergrund kann das Gewicht des Hundes Q., insbesondere auch im Zusammenhang mit der Proportion aus Größe und Gewicht, nicht zur Begründung herangezogen werden, es läge keine Kreuzung vor, bei der die phänotypischen Merkmale eines Pitbull Terrier deutlich hervortreten. Anderenfalls hätte es der Halter durch entsprechendes Fütterungsverhalten in der Hand, das Gewicht des Hundes so weit unter oder über den Rassestandard zu regulieren, dass eine Subsumtion unter den Kreuzungsbegriff – zumal vor dem Hintergrund der von dem Oberverwaltungsgericht das Land Nordrhein-Westfalen aufgestellten Abweichungsmargen – nicht mehr möglich wäre.
Soweit sich schließlich im Halsbereich Falten zeigten, liegt – ungeachtet der Frage ob dies seine Ursache in dem Alter und bzw. oder der Übergewichtigkeit des Tieres hat – hierin lediglich ein Fehler, der selbst die Einordnung als reinrassigen Pitbull Terrier nicht hinderte.
Die gegen die nachvollziehbare amtstierärztliche Einschätzung – auf die sich die zuständige Behörde wegen der besonderen Sachkunde eines Amtsveterinärs regelmäßig stützen kann4 -, vorgetragenen Einwendungen der Antragstellerin rechtfertigen eine abweichende Einschätzung (ebenfalls) nicht.
Insbesondere ist die von der Antragstellerin vorgelegte Begutachtung durch den Sachverständigen Herrn W. weder geeignet, die Feststellungen der Amtstierärztin zu erschüttern, noch als Nachweis im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW dafür zu dienen, dass eine Kreuzung mit einer der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW genannten Rassen nicht vorliegt. Soweit der Sachverständige seiner Rassebeurteilung eine Gegenüberstellung von American Bully und American Pitbull Terrier zugrunde legt, ist dies mit Blick auf die Frage, ob es sich bei dem Hund der Antragstellerin um einen gefährlichen Hund nach § 3 Abs. 2 Landesmeldegesetz NRW handelt, bereits nicht unmittelbar zielführend. Denn die Rassebezeichnung des American Bully ist in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW nicht erwähnt, so dass allein entscheidend ist, ob die phänotypischen Merkmale einer der in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG genannten Rassen deutlich hervortreten5.
Im Übrigen stellt auch Herr W. die wesentlichen Übereinstimmungen mit dem Standard des American Pitbull Terrier fest, soweit die Kopfform betroffen ist, die nach den obigen Ausführungen als Schlüsselelement der Rasse gilt. Das ergibt sich aus der entsprechenden Grauunterlegung in der Spalte „American Pitbull Terrier“, was nach den Erläuterungen des Sachverständigen bedeutet, dass es sich hier um markante, signifikante, rassetypische Merkmale des Hundes Q. handele. Soweit in dem an die Tabelle anschließenden verbalisierten Teil davon die Rede ist, im Kopfbereich sei die Keilform nicht charakteristisch markant, stellt dies einen Widerspruch zu der tabellarischen Darstellung dar, in der die Angabe „breiter stumpfer Keil“ sowie auch weitere die Kopfform betreffende Aspekte grau unterlegt sind. Nicht nachvollziehbar ist vor dem Hintergrund der grauen Hinterlegungen im Bereich der Kopfmerkmale auch die Schlussfolgerung des Sachverständigen, der Hund weise keine signifikanten und markanten Merkmale eines American Pitbull Terrier auf. Denn u.a. auch die Brustmerkmale sieht der Sachverständige in Übereinstimmung mit dem Standard des American Pitbull Terrier. Betreffend die übrigen körperlichen Merkmale hat der Sachverständige selbst Größe und Gewicht bzw. die Proportion beider Parameter in der Spalte „American Pitbull Terrier“ grau unterlegt. Soweit die Halsfalten bzw. die Wamme betroffen ist, ergeben sich ebenso wie betreffend den Fehler bei den Lefzen keine Abweichungen zu den Feststellungen der Amtsveterinärin. Gleiches gilt für die Einschätzung, der Hund sei aktuell etwas adipös.
Erweisen sich die Ausführungen des Herrn W. danach zum Teil als übereinstimmend mit den Darlegungen der Amtsveterinärin und im Übrigen – vor allem betreffend die ganz wesentlichen Merkmale des Kopfes – nicht frei von Widersprüchen, ist das vorgelegte Gutachten vom 29. Dezember 2020 nach der im vorläufigen Rechtsschutz lediglich vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht geeignet, die oben genannte Einschätzung zu widerlegen. Insoweit kommt hinzu, dass der Sachverständige eine prägnante Abweichung in Größe und Gewicht feststellt, er hierbei jedoch auch eine Prognose betreffend die weitere Entwicklung einbezieht, die nicht geeignet ist, zur Grundlage einer Beurteilung des Ist-Zustandes zu dienen.
Handelt es sich bei dem Hund der Antragstellerin aller Voraussicht nach um die Kreuzung eines (American) Pitbull Terriers mit einem anderen Hund, bei dem die Merkmale eines gefährlichen Hundes deutlich hervortreten, mithin um einen gefährlichen Hund nach § 3 Abs. 2 LHundG NRW, liegen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Haltungsuntersagung nach § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW vor. Insoweit soll das Halten eines gefährlichen Hundes unter anderem untersagt werden, wenn die Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW wird die Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes im Sinne des § 3 Abs. 2 LHundG NRW oder des § 3 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 LHundG NRW nur erteilt, wenn ein besonderes privates Interesse nachgewiesen wird oder ein öffentliches Interesse an der weiteren Haltung besteht. Ein besonderes privates Interesse der Antragstellerin (vgl. § 4 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW) ist weder nachgewiesen noch sind hierfür sonst Anhaltspunkte ersichtlich. Auch ein öffentliches Interesse an der weiteren Haltung des Hundes Q. durch die Antragstellerin besteht nicht.
Hintergrund des Erfordernisses eines besonderen privaten oder eines öffentlichen Interesses an der Haltung ist der Umstand, dass die Haltung eines gefährlichen Hundes ein gesteigertes Risiko für die Bevölkerung bedeutet. Dabei kann ein öffentliches Interesse an der weiteren Haltung beispielsweise aus Gründen des Tierschutzes gegeben sein, wenn ein Hund aus einem Tierheim oder einer vergleichbaren Einrichtung an eine Privatperson vermittelt werden soll.
Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen kann auch an einer ununterbrochenen weiteren Haltung eines gefährlichen Hundes zur Vermeidung eines Tierheimaufenthaltes ein öffentliches Interesse bestehen. Dies ergebe sich aus dem Gesetzeswortlaut6.
Jedoch soll ein öffentliches Interesse im Sinne des § 4 Abs. 2 LHundG NRW jedenfalls dann ausscheiden, wenn die Vorgaben dieser Norm bewusst umgangen werden. Gleiches gelte unter Rechtsmissbrauchsgesichtspunkten, wenn ein Betroffener einen gefährlichen Hund ohne die erforderliche Erlaubnis in Obhut nehme oder bzw. und behalte, obwohl er dessen Eigenschaft als gefährlich kenne oder kennen müsse7.
Hierbei seien wegen der von gefährlichen Hunden ausgehenden Gefahren grundsätzlich hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen, wobei jeweils die Besonderheiten des zugrundeliegenden Falles zu beachten seien5.
Zu den Besonderheiten des Falles gehörten dabei die Art des Erwerbs sowie die Umstände des Kaufes5.
Dies zugrunde gelegt, scheidet die Annahme eines öffentlichen Interesses im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW deshalb aus, weil die Antragstellerin die Gefährlichkeit des Hundes Q. entweder aktiv kannte oder sich wegen Verletzung bestehender Sorgfaltsanforderungen zurechnen lassen muss, bei dem Kauf des Hundes Q. dessen Eigenschaft als gefährlich im Sinne des § 3 Abs. 2 LHundG NRW gekannt haben zu müssen. Die Antragstellerin, die bereits einen Hund der Rasse Bulldoggen Boston Terrier Mix hält und deren Ehemann nach dessen Angaben anlässlich der amtsärztlichen Untersuchung bereits einen Pitbull Terrier gehalten hat, hätte in Anbetracht des deutlichen Erscheinungsbildes des Hundes beim Kauf erkennen können, dass es sich um einen gefährlichen Hund gemäß § 3 Abs. 2 LHundG NRW handelt. Jedenfalls hätte sie sich vergewissern müssen, ob es sich bei dem Hund, den sie als Englischen Bulldoggen-Mix erworben haben will, tatsächlich nicht um einen gefährlichen Hund nach § 3 Abs. 2 LHundG NRW handelt. Insoweit hat betreffend das Erscheinungsbild nicht nur die Amtsveterinärin das deutliche Hervortreten phänotypischer Merkmale festgestellt sondern auch der Sachverständige W. ausgeführt, „auf den ersten Blick wahrzunehmende Ähnlichkeiten mit anderen bullartigen Rassen, insbesondere mit dem American Pitbull Terrier sind sicherlich nicht von der Hand zu weisen“.
Auch die Zwangsgeldandrohung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Grundlage hierfür sind §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG NRW. Der Höhe nach ist das angedrohte Zwangsgeld von 750,- Euro am unteren Ende des möglichen Rahmens (von zehn bis hunderttausend Euro) anzusiedeln. Die Höhe des Zwangsgeldes berücksichtigt darüber hinaus das Interesse der Antragstellerin an der Nichtbefolgung der Anordnung.
Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 06.08.2021 – 18 L 192/21
ECLI:DE:VGD:2021:0806.18L192.21.00
Hinweis: Das Oberverwaltungsgericht Münster hat diese Entscheidung in den wesentichen Punkten abgeändert.
- Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 11.03.2002, Hundegesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landeshundegesetz – LHundG NRW), LT-Drs. 13/2387, S. 22 [↩]
- OVG NRW, Urteil vom 12.03.2019 – 5 A 1210/17 [↩]
- OVG NRW, Urteil vom 03.12.2020 – 5 A 1033/18 [↩] [↩] [↩] [↩]
- OVG NRW, Beschluss vom 04.11.2020 – 5 B 838/20 [↩]
- OVG NRW, Beschluss vom 21.10.2019 – 5 B 761/19 [↩] [↩] [↩]
- OVG NRW, Beschluss vom 31.07.2020 – 5 B 703/20 [↩]
- OVG NRW, Beschlüsse vom 12.06.2014 – 5 B 446/14; vom 06.01.2011 – 5 E 888/10 [↩]