In diversen Bundesländern gibt es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Hundehaltern und Behörden, weil es um die Frage geht, ob es sich bei dem gehaltenen Hund um einen Miniatur-Bullterrier oder einen Bullterrier handelt.
Diese Frage ist deshalb von Relevanz, weil sich nur der Bullterrier auf der sog. „Rasseliste“ findet, also als per se gefährlich eingestuft wird. Diese Einstufung führt dann zum Einen dazu, dass die Frage im Raum steht, ob der Halter übrhaupt eine Halteerlaubnis erhält und zum Anderen einen Reihe von Auflagen zu erfüllen sind sowie eine in der Regel nicht unerheblich höhere Hundesteuer zu zahlen ist.
Wir hatten u.A. hier und hier über entsprechende Entscheidungen berichtet.
Nun hat auch das Verwaltungsgericht Minden entschieden, dass es sich durchaus auch dann um einen Miniatur Bullterrier handeln kann, wenn dieser eine Widerristhöhe von mehr als 39 cm (also mehr als dem Standard von Miniatur-Bullterriern) erreicht hat, aber sich aus der Ahnentafel ergibt, dass es sich bei den Vorfahren jeweils um Miniatur-Bullterrier handelte und kein Bullterrier eingekreuzt wurde.
In dem entschiedenen Fall hatte die beklagte Gemeinde den Hund des klagenden Halters als Bullterrier eingestuft und damit als gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 LHundG NRW.
Die beklagte Gemeinde stützte sich dabei auf die Begutachtung durch das Veterinäramt. Danach handele es sich bei dem Hund dem Phänotyp nach um einen Bullterrier. Der Hund sei ein 41 cm großer und nach Aussage des Klägers 16,8 kg schwerer, gestromter Jungrüde mit weißen Abzeichen an allen vier Pfoten, von der Nasen-/Oberlippenregion bis zur Mitte des Kopfes, im Nacken, vom Kinn über die Brust bis zum Bauch sowie am Skrotum („bridle and white“). Sein Haarkleid sei kurz und dicht. Der Nasenspiegel sei schwarz. Der Hund besitze einen athletischen, harmonischen Körperbau und sei, vor allem an den Oberschenkeln, gut bemuskelt. Der Rücken sei gerade mit leichtem Bogen über der Lendengegend. Der Kopf sei leicht eiförmig mit einem konvex geformten Nasenrücken. Die Augen seien mandelförmig und gut in den Schädel eingebettet. Der Hund besitze einen Vorbiss. Die mittelgroßen Stehohren seien eher seitlich und relativ weit hinten am Kopf angesetzt. Die Rute sei mittelang und mittelhoch angesetzt. Die Haut sei dicht anliegend ohne Faltenbildung. Phänotypisch zeige der Hund hinsichtlich Kopfform sowie Körperbau markante und signifikante Merkmale eines Bullterriers. Aufgrund seiner Schulterhöhe von 41 cm zähle er nicht mehr zu den Miniatur Bullterriern, denn die für „Miniatur Bullterrier“ im Rasse-/FCI-Standard Nr. 359 angegebene Schulterhöhe von 35,5 m überschreite der Hund deutlich.
In der Folge erhielt der Hundehalter zwar eine Halteerlaubnis für den Hund, wehrte sich jedoch gegen die Einstufung als „gefährlicher Hund“.
Das Verwaltungsgericht Minden gab der Klage auf Feststellung, dass es sich bei dem Hund nicht um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 LHundG NRW handelt, statt.
Nach § 3 Abs. 2 LHundG NRW gelten als gefährliche Hunde im Sinne des LHundG NRW Hunde der Rassen Pittbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier und deren Kreuzungen untereinander sowie deren Kreuzungen mit anderen Hunden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW). Kreuzungen sind Hunde, bei denen der Phänotyp einer der dort genannten Rassen deutlich hervortritt (§ 3 Abs. 2 Satz 2 LHundG NRW). In Zweifelsfällen hat die Halterin oder der Halter nachzuweisen, dass eine Kreuzung nicht vorliegt (§ 3 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW).
Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Minden bei dem Hund nicht um einen Hund der Rasse Standard Bullterrier, sondern um einen Hund der Rasse Miniatur Bullterrier.
Für die Abgrenzung zwischen Miniatur Bullterrier und Standard Bullterrier ist von den zum 01.01.2003 geltenden FCI-Rassestandards und ergänzend der Zuchtordnung des zuständigen Zuchtverbands auszugehen. Die beiden Rassestandards waren und sind weitgehend inhaltsgleich. Der Rassestandard des Miniatur Bullterriers sieht vor, dass Hunde dieser Rasse eine Widerristhöhe von 35,5 cm nicht überschreiten sollen, während der Rassestandard des Bullterriers keine Größenbegrenzung enthält. Die Zuchtordnung des Verbands schreibt darüber hinaus fest, dass Hunde der Rasse Miniatur Bullterrier mit einer Widerristhöhe von über 39 cm nur mit einer Ausnahmegenehmigung durch den Zucht-Ausschuss und mit Auflagen zur Zucht zugelassen werden können. Daneben sieht der Standard des Miniatur Bullterriers vor, dass dessen Körperbau den Eindruck von Substanz im Verhältnis zur Größe des Hundes vermitteln soll, während beim Standard Bullterrier auf jeden Fall ein Eindruck höchstmöglicher Substanz im Einklang zu Größe und Geschlecht vorhanden sein muss1.
Aus diesen, vom Gesetzgeber in Bezug genommenen Vorgaben folgt für die Abgrenzung der beiden Hunderassen nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Minden Folgendes:
Erstes Abgrenzungskriterium stellt grundsätzlich die Widerristhöhe des Hundes dar. Unterschreitet ein Hund die Widerristhöhe von 35,5 cm, kommt eine Einstufung als Standard Bullterrier grundsätzlich nicht in Betracht. Allein, dass nach dem Wortlaut des Rassestandards des Standard Bullterriers auch ein unter 35,5 cm großer Hund, der den Rassestandard beider Rassen des jeweiligen Zuchtverbands im Übrigen erfüllt, möglicherweise als Standard Bullterrier angesehen werden könnte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Mit der getroffenen Feststellung, dass es sich um eine eigenständige Rasse handelt, scheidet nach der oben dargestellten Exklusivität des Rassebegriffs im Landeshundegesetz eine Zuordnung auch zum Standard Bullterrier aus.
Andererseits gilt, dass eine Überschreitung der Widerristhöhe von 35,5 cm nicht zwingend zum Ausschluss von der Rasse des Miniatur Bullterriers führt, so das Verwaltungsgericht Minden weiter. Auch bei einer Überschreitung der im Rassestandard genannten Widerristhöhe von 35,5 cm kann ein Hund als Miniatur Bullterrier einzustufen sein. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Rassestandards handelt es sich hierbei um eine Soll-Vorschrift, die keine zwingende und abschließende Abgrenzung der beiden in Rede stehenden Rassen erlaubt. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die in der Zuchtordnung des Verbands aufgeführte Zuchtbeschränkung, die erst für Hunde über 39 cm, also bei einer Abweichung von 10% gegenüber der Soll-Größe greift, eine grundsätzlich geeignete Konkretisierung der Soll-Bestimmung des Rassestandards enthält. Damit wird der Eigenart des Rassestandards Rechnung getragen, der anders als viele andere Standards keinen Größenkorridor, sondern lediglich eine Soll-Höchsthöhe bestimmt. Bei einer Widerristhöhe bis zu 39 cm ist eine Zuordnung zu der Rasse des Miniatur Bullterriers daher möglich und naheliegend. Dem entspricht es, dass auf Zuchtschauen der Rasse vielfach Hunde mit einer Widerristhöhe zwischen 36 und 38 cm ausgezeichnet werden. Auch in der juristischen Literatur wird angenommen, Standard Bullterrier seien regelmäßig zwischen 42 und 55 cm groß und zwischen 24 bis 32 kg schwer und die Widerristhöhe vieler Miniatur Bullterrier liege zwischen 37 bis 38 cm.
Liegt die Widerristhöhe oberhalb von 39 cm, ist hingegen angesichts der deutlichen Überschreitung der Soll-Größe des Rassestandards regelmäßig nicht mehr von einem Miniatur Bullterrier auszugehen. Zu prüfen ist dann, ob ein „Kreuzungshund“ vorliegt, bei dem phänotypisch die Rasse des Miniatur Bullterriers oder des Standard Bullterriers deutlich hervortritt. Angesichts der wenigen, vagen weiteren Abgrenzungskriterien zwischen beiden Hunderassen wird in diesem Fall nach der Zweifelsregel des § 3 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW grundsätzlich von einer Zuordnung zur Rasse des Standard Bullterriers auszugehen sein2.
Auch diese Vermutung ist allerdings widerlegbar.
Zum einen ist davon auszugehen, dass ein Hund, dessen Elterntiere ein Miniatur Bullterrier und ein anderer deutlich größerer Hund (etwa ein Labrador) sind, auch für den Fall dass er über 39 cm groß ist und phänotypisch die markanten optischen Eigenschaften des (Miniatur) Bullterriers hervortreten, kein Standard Bullterrier-Mischling im Sinne des Landeshundegesetzes sein kann. Eine gegenteilige Auslegung stünde mit dem exklusiven Rassebegriff des Landeshundegesetzes sowie mit der grundsätzlichen gesetzgeberischen Annahme nicht in Einklang, dass die in § 3 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW genannten Hunderassen eine durch Zuchtauswahl bedingte gesteigerte Aggressivität aufweisen, so das Verwatungsgericht Minden. Eine entsprechende aggressivitätssteigernde Zucht läge bei einem Kreuzungshund, wie dem eben beschriebenen, nicht vor.
Die gesetzliche Vermutung des § 3 Abs. 2 Satz 3 LHundG NRW kann danach durch den Nachweis widerlegt werden, dass die Überschreitung der Widerristhöhe nicht durch die Einkreuzung eines Standard Bullterriers, sondern eines anderen größeren Hundes erfolgt ist bzw. im Rahmen der üblichen genetischen Varianz liegt. Dies ist insbesondere dann möglich, wenn entweder die Elterntiere des Hundes bekannt sind und bei diesen eine entsprechende Einkreuzung ausgeschlossen werden kann bzw. dies durch eindeutige und glaubhafte Zuchtpapiere nachgewiesen werden kann ((OVG NRW, Urteile vom 17.02.2020 – 5 A 3227/17; vom 17.02.2020 – 5 A 1631/18)).
Die Widerlegung dieser Vermutung ist zum anderen anhand der Rassestandards insoweit möglich, als diese hinsichtlich der „Substanz“ des Hundes Raum für eine Unterscheidung lassen. Diese soll beim Miniatur Bullterrier zwar vorhanden sein, beim Standard Bullterrier hat sie aber auf jeden Fall das höchstmögliche Maß zu erreichen. Für die Widerlegung der Vermutung kann insbesondere eine eher wenig ausgeprägte Muskulatur sprechen. Eine ausgeprägte Muskulatur ist für den Standard Bullterrier angesichts dessen Zuchtgeschichte, des Rassestandards und für die vom Gesetzgeber angenommene rassebedingte Gefährlichkeit von herausragender Bedeutung. Auch ein schmaler Körperbau des Hundes ist damit regelmäßig nicht vereinbar. Ähnliches gilt für die Kaumuskulatur des Hundes, die beim Standard Bullterrier zuchtgeschichtsbedingt besonders ausgeprägt ist. Ebenso sprechen sehr dünne Beine gegen die Annahme höchstmöglicher Substanz. Dabei wird sich eine Abgrenzung zwischen Miniatur Bullterrier auf der einen und Standard Bullterrier auf der anderen Seite daran orientieren müssen, in welchem Umfang die oben genannte Widerristhöhe überschritten wird. Nur bei einer geringfügigen Überschreitung der Höhe von 39 cm um wenige Zentimeter kommt ein Überwiegen des Phänotyps des Miniatur Bullterriers noch in Betracht. Je weniger die Widerristhöhe über 39 cm liegt, umso eher ist dies möglich. Bei dieser im Einzelfall schwierigen Abgrenzung wird die Behörde regelmäßig den Amtsveterinär hinzuziehen, der das Gesamtbild des Hundes berücksichtigen und ein nachvollziehbares Gesamtergebnis schildern muss3.
Gemessen an dem Vorstehenden handelt es sich in dem konkreten Fall bei dem Hund nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Minden nicht um einen Standard Bullterrier und auch nicht um eine Kreuzung eines solchen mit einem anderen Hund, bei dem der Phänotyp des Standard Bullterriers deutlich hervortritt.
Der Kläger hat die Vermutung, dass es sich bei seinem Hund aufgrund der vom Veterinäramt festgestellten Widerristhöhe von 41 cm um einen Standard Bullterrier handelt, erfolgreich widerlegt.
Aus den vorgelegten Zuchtpapieren – der Ahnentafel der Gesellschaft der Bullterrier-G. e.V. – ergibt sich, dass es sich bei dem Hund, Zuchtname „New Action Merkur“ um einen reinrassigen Miniatur Bullterrier handelt. Ein Einkreuzung eines Standard Bullterriers kann ausgeschlossen werden. Bei den in den Ahnentafeln der Gesellschaft der Bullterrier-G. e.V. aufgelisteten Ahnen handelt es sich um reinrassige Hunde, da nur reinrassige Hunde zur Zucht zugelassen werden. Dies ergibt sich für das Verwaltungsgericht Minden aus der Zuchtordnung der Gesellschaft der Bullterrier-G. e.V. sowie der vom Gericht eingeholten telefonischen Auskunft des 1. Vorsitzenden der Gesellschaft der Bullterrier-G. e.V.. Die letztlich nur geringfügige Überschreitung der regelhaft anzunehmenden maximalen Widerristhöhe für Miniatur Bullterrier von 39 cm liegt noch innerhalb der üblichen genetischen Varianz.
Aufgrund der eindeutigen und glaubhaften Zuchtpapiere kommt es auf den Vortrag der Beklagten, der Hund zeige nach den Feststellungen eines anderen Veterinäramts auch „hinsichtlich der Kopfform und des Körperbaus markante und signifikante Merkmale eines Bullterriers“, nicht mehr an. Ungeachtet dessen kann diese nicht weiter begründete Aussage auch nicht ohne Weiteres nachvollzogen werden. Sollte mit der Aussage auf das bei dem Hund vorhandene Ausmaß von „Substanz“ angespielt werden, fällt jedenfalls auf, dass der Hund bei einer Widerristhöhe von 41 cm und einem Gewicht von rund 17 kg eher schlank sein dürfte, vergleicht man ihn mit einem Standard Bullterrier, der nach den obigen Ausführungen regelmäßig eine Widerristhöhe zwischen 42 bis 55 cm und ein Gewicht zwischen 24 und 32 kg und damit ein deutlich höheres Ausmaß an „Substanz“ haben dürfte.
Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 31.08.2022 – 11 K 2052/20
ECLI:DE:VGMI:2022:0831.11K2052.20.00
Anmerkung:
Wir weisen darauf hin, dass ein Kernpunkt dieser Entscheidung die Vorlage einer „sauberen“ Ahnentafel eines seriösen Hundezüchtervereins war.
- OVG NRW, Urteile vom 17.02.2020 – 5 A 1631/18, vom 17.02.2020 – 5 A 3227/17; § 3 Nr. 2 der Zuchtordnung der Gesellschaft der Bullterrier-G. e.V. [↩]
- OVG NRW, Urteile vom 17.02.2020 – 5 A 3227/17; vom 17.02.2020 – 5 A 1631/18 [↩]
- OVG NRW, Urteile vom 17.02.2020 – 5 A 3227/17; vom 17.02.2020 – 5 A 1631/18 [↩]