In Hessen ist – anders, als in vielen anderen Bundesländern – die Zucht von gefährlichen Hunden erlaubt, jedoch gibt es für die Haltung nach § 3 HundeVO (Hessen) Voraussetzungen, die zu erfüllen sind:
(1) Die Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes darf nur erteilt werden, wenn die Halterin oder der Halter
1. das 18. Lebensjahr vollendet hat,
2. zuverlässig ist,
3. sachkundig ist,
4. eine positive Wesensprüfung für den Hund nachweist, deren Durchführung zum Zeitpunkt der Vorlage bei der zuständigen Behörde nicht länger als sechs Monate zurückliegt,
5. nachweist, dass der Hund artgerecht gehalten wird und die erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind, damit von ihm keine Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz ausgehen,
6. nachweist, dass der Hund mit einem Chip nach § 12 gekennzeichnet ist,
7. nachweist, dass für den Hund nach Maßgabe einer gesetzlichen Regelung eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen worden ist,
8. nachweist, dass die bereits fällig gewordene Hundesteuer entrichtet worden ist.
Wird der Hund von einer juristischen Person gehalten, müssen die Voraussetzungen des Satz 1 Nr. 1 bis 3 bei einer von dieser mit der Verantwortung für den Hund beauftragten natürlichen Person vorliegen. Die Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes ist befristet, höchstens für einen Zeitraum von vier Jahren zu erteilen. Sind für einen Hund ohne zeitliche Unterbrechung mehrere befristete Erlaubnisse erteilt worden und erstrecken sich diese auf einen Zeitraum von mehr als sieben Jahren oder ist ein Hund älter als zehn Jahre, kann eine unbefristete Erlaubnis erteilt werden.
(2) Erlangt die Behörde Kenntnis über einen gefährlichen Hund, erteilt sie auf Antrag eine vorläufige Erlaubnis zum Halten des Hundes, sofern die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 1, 5, 7 und 8 erfüllt sind und keine Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit der Halterin oder des Halters bestehen. Die befristete Erlaubnis nach Abs. 1 kann erteilt werden, wenn die Halterin oder der Halter innerhalb der von der zuständigen Behörde gesetzten Frist nachweist, dass alle Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen.
Wie steht es nun um den Hundezüchter? Muss er für die Welpen eine (vorläufige) Halteerlaubnis nach § 3 Abs. 2 HundeVO für jeden Welpen beantragen?
Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat diese Frage bejaht1. Diese Entscheidung hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof in der Berufungsinstanz nun bestätigt.
Worum ging es konkret?
Der Kläger züchtet Hunde der Rasse Staffordshire-Bullterrier und verkauft die von ihm gezüchteten Welpen.
Dabei geht er davon aus, dass er für die Welpen keine vorläufige Haltererlaubnis benötigt.
Der Kläger teilte der Beklagten am 28. Juli 2014 mit, dass am 5. und 23. Mai 2014 weitere sechs Hunde geboren worden seien.
Fünf der sechs Hunde hatten zu diesem Zeitpunkt bereits den Besitzer gewechselt. Für den in seinem Besitz verbliebenen Hund stellte er den Antrag auf Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Hundes.
Die Beklagte erteilte dem Kläger die vorläufige Erlaubnis zum Halten des Hundes und setzte eine Gebühr i.H.v. 55 € fest. Der Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Weil der Kläger es unterlassen habe, für die übrigen fünf Welpen aus den Würfen im Mai 2014 vorläufige Erlaubnisse zu beantragen, erließ die Beklagte fünf Bußgeldbescheide gegen den Kläger wegen der Haltung von gefährlichen Hunden ohne erforderliche Erlaubnis.
Hiergegen erhob der Kläger beim Amtsgericht Groß-Gerau Einspruch. Das Amtsgericht Groß-Gerau verurteilte ihn zu Geldbußen von jeweils € 100 je Hund2. In der Begründung des Urteils führt das Amtsgericht Groß-Gerau aus, dass allein die Zugehörigkeit der Welpen zu einer Rasse die Vermutung ihrer Gefährlichkeit begründe und hieran knüpfe die Hundeverordnung zahlreiche Pflichten an. Dabei könne es nicht auf das Alter der Tiere ankommen, da dies die Kontrollmechanismen der Hundeverordnung ad absurdum führen würde2.
In der Folge hat der Kläger Klage gegen die Gemeinde erhoben und wollte festgestellt wissen,
- dass die Beklagte nicht berechtigt ist, für jeden einzelnen Welpen der Rasse Staffordshire-Bullterrier bis zu einem Alter von acht Wochen eine vorläufige Haltererlaubnis vom Kläger zu verlangen,
- hilfsweise, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche Nachweise in Form eines einzigen Bescheides anzufordern und nicht durch Gebührenbescheide für jeden einzelnen Welpen mit einer entsprechenden Kostenanforderung.
Er meinte u.A., er benötige für die Haltung von Hundewelpen im Alter von bis zu sieben Wochen keine Erlaubnis, da von diesen keine Gefahr ausgehe und es sich somit nicht um gefährliche Hunde im Sinne der Hundeverordnung handele.
Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen1.
Die Berufung zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof hatte keinen Erfolg.
Die Entscheidung:
Das Verwaltungsgericht Darmstadt hat die Klage im Ergebnis nach Auffassung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zu Recht abgewiesen.
Zwar ist die Feststellungsklage zulässig, da der Kläger ein berechtigtes Interesse geltend machen kann. Denn es besteht eine Wiederholungsgefahr, da für ihn als Hundezüchter beim nächsten Wurf sich der Sachverhalt und das behördliche Verhalten (ggf. mit anschließendem Bußgeldverfahren) wahrscheinlich wiederholen werden.
Die Feststellungsklage hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die Ermächtigungsgrundlage ergibt sich aus der Hundeverordnung. Einen gefährlichen Hund darf danach nur halten, wem eine Erlaubnis durch die zuständige Behörde erteilt worden ist, § 1 Abs. 3 HundeVO. Eine solche Erlaubnis wird nur auf Antrag erteilt, § 3 Abs. 2 HundeVO.
Der Kläger als Züchter ist Halter der in seiner Obhut geborenen Staffordshire-Bullterrier-Welpen und diese sind gefährliche Hunde im Sinne der HundeVO.
Der Züchter ist Halter der in seiner Obhut geborenen Welpen, auch wenn diese nach mindestens acht Wochen abgegeben werden. Als Halter ist derjenige anzusehen, der einen Hund nicht nur kurzfristig und vorübergehend, quasi besuchsweise, sondern für eine solche Dauer zum Zwecke der Verwahrung bzw. Betreuung in seinem Haushalt aufnimmt, dass der „gewöhnliche Aufenthalt und Lebensmittelpunkt“ des Hundes in der Wohnung bzw. dem eingefriedeten Besitztum begründet wird. Auch wenn ein Züchter von vorneherein beabsichtigt, die Welpen abzugeben und zu veräußern, so verbleiben die Welpen jedoch mindestens acht bis neun Wochen in seinem Haushalt bei der Mutter, so dass sie dort ihren Lebensmittelpunkt begründen.
Auch bei Welpen der Rasse Staffordshire-Bullterrier handelt es sich um gefährliche Hunde im Sinne der Hundeverordnung. Was ein gefährlicher Hund ist, regelt § 2 der HundeVO. Dabei sind drei Alternativen zur Feststellung der Gefährlichkeit von Hunden zu unterscheiden, eine art- oder wesensbedingte Gefährlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 HundeVO), Rasseliste (§ 2 Abs.1 Satz 2 HundeVO) und individuelle Gefährlichkeit (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 HundeVO). Hunde der Rasse Staffordshire-Bullterrier stehen auf der Rasseliste, § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HundeVO. Nach dieser wird die Gefährlichkeit der genannten Rassen und Gruppen sowie deren Kreuzungen vermutet.
Erfolglos beruft sich der Kläger zunächst darauf, dass von den Welpen bis zu einer Abgabe mit einem Alter von frühestens ca. acht Wochen tatsächlich gar keine Gefahr ausgehen könne. Auf das Alter sog. Listenhunde kommt es nicht an, so der Hessische Verwaltungsgerichtshof. Bei Listenhunden wird die Gefährlichkeit mit Zugehörigkeit zur Rasse vermutet. Dieser Regelung lässt sich gerade nicht entnehmen, dass der Verordnungsgeber jüngere Hunde generell von einer Erlaubnispflicht ausnehmen wollte. Der Verordnungsgeber war sich durchaus bewusst, dass Hunde unterschiedlichen Alters, sowohl sehr junge (vgl. § 4 Abs. 4 HundeVO) als auch alte Hunde (vgl. §§ 3 Abs. 1 Satz 4, 4 Abs. 6 HundeVO), der Hundeverordnung unterfallen. Bei jungen Hunden wird lediglich für die Erteilung einer vorläufigen Erlaubnis auf bestimmte Voraussetzungen verzichtet (vgl. § 3 Abs. 2 HundeVO), bis diese im erwachsenen Alter des Hundes nachzuholen sind. Eine Beschränkung der in § 2 Abs. 1 Satz 2 HundeVO enthaltenen Vermutung von vornherein auf ältere Tiere oder ein entsprechender „Welpenbonus“ wurde seitens des Verordnungsgebers verzichtet (vgl. Hinweise für die Durchführung der Gefahrenabwehrverordnung über das Halten und Führen von Hunden (VVHundeVO) zu § 4, S. 11 des Abdrucks vorletzter Absatz).
Eine solche Ausnahme wäre auch mit dem Sinn und Zweck der Regelung nur schwer vereinbar. Bei den so genannten Listenhunden kommt es auf eine konkrete Gefährlichkeit des einzelnen Hundes zunächst nicht an, sondern eine solche wird anhand der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse vermutet. Bei einem reinrassigen Hund vom Züchter ergibt sich diese also mit Geburt, auch wenn in den ersten Wochen von dem Hund keine Gefahr ausgehen kann. Die Hundeverordnung dient jedoch nicht nur dazu, Gefahren einzudämmen, sondern auch eine gewisse Überwachungs- und Kontrollfunktion auszuüben. Dieser wird nur Rechnung getragen, wenn von Anfang an ein Erlaubnisverfahren durchzuführen ist. So können die Wege der jungen Hunde vom Züchter zu den neuen Besitzern nachvollzogen werden, so der Hessische Verwaltungsgerichtshof. Auch der Züchter kann und wird ein Interesse daran haben, seine Welpen an zuverlässige neue Besitzer abzugeben, die auch eine vorläufige Haltererlaubnis erhalten können und bereits bei Abgabe darauf hinzuwirken. Ein sogenannter „Welpen- oder Junghundebonus“ könnte gegenteilig dazu führen, dass die neuen Besitzer sich um dieses Thema zunächst keine Gedanken machen und den Hund später gegebenenfalls wieder abgeben müssen, weil sie keine Erlaubnis erhalten können. Dies ist jedoch weder im Interesse des Verordnungsgebers noch kann es im Interesse der Tiere sein; Ziel muss die Vermittlung in ein zuverlässiges, stabiles und verantwortungsvolles Umfeld sein. Aus diesem Grund erscheint es sinnvoll, bereits frühzeitig gewisse Voraussetzungen auch für eine vorläufige Erlaubnis zu überprüfen, auch wenn der Hund das Alter für einen Wesenstest noch nicht erreicht hat.
Gegen die Rechtmäßigkeit der Hundeverordnung oder einzelner der genannten Regelungen bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Insbesondere § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 HundeVO, wonach bei Hunden der in diesen Bestimmungen aufgeführten Rassen einschließlich ihrer Kreuzungen eine Gefährlichkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 HundeVO vermutet wird, ist rechtmäßig. Diese Regelungen sind durch die gesetzliche Vorschrift des § 71a Abs. 1 HSOG gedeckt3.
Dabei dient die Rassen- oder Gruppenzugehörigkeit von Hunden nicht als sachliche Grundlage für die Feststellung einer vermutlichen Gefährlichkeit von Hunden dieser Rassen oder Gruppen, sondern wird durch statistisches Material untermauert4. An dieser grundsätzlichen Regelung hinsichtlich der Listenhunde bestehen auch seitens des Klägers keine Bedenken. Dabei ist der Verzicht mehrerer Bundesländer auf Listen nicht geeignet, den Einschätzungsspielraum anderer Landesgesetzgeber einzuengen5.
Hinsichtlich des Hilfsantrags ist der Hessische Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, dass der Antrag bereits unzulässig ist.
Aber auch in der Sache ist eine Zusammenfassung der Erlaubniserteilung völlig fernliegend, so eder Hessische VErwaltungsgerichtshof abschliessend, da keine „Rudelhaltung“ überprüft wird, sondern die Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung für jeden einzelnen Hund, auf dessen Individualität es auch ankommt (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 und 6 HundeVO), erfolgen soll. Hierbei sind bspw. die Namen der Hunde sowie die Chipnummern zu ergänzen und bei Abgabe ggf. mit jeder Gemeinde, in der die neuen Besitzer der einzelnen Welpen gemeldet sind, Kontakt aufzunehmen.
Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 17.09.2021 – 8 A 736/17
ECLI:DE:VGHHE:2021:0917.8A736.17.00
- VG Darmstadt, Urteil vom 26.10.2016 – 3 K 2079/15.DA [↩] [↩]
- AG Groß-Gerau, Urteil vom 24.02.2016 – 33 OWi-8200 Js 28204/15 [↩] [↩]
- Hess. VGH, Urteile vom 27.01.2004 – 11 N 520/03; Hess. VGH, vom 13.06.2006 – 11 UE 3367/04; BVerwG, Beschluss vom 27.02.2007 – BVerwG 6 B 81/06 [↩]
- Hess. VGH, Urteil vom 27.01.2004 – 11 N 520/03 [↩]
- BVerwG, Beschluss vom 31.07.2019 – BVerwG 37/19 [↩]