Justizmodernisierungsgesetz 2

Die Bundesregierung hat den Entwurf eines zweiten Justizmodernisierungsgesetzes vorgelegt.Der Entwurf enthält wie schon das Erste Justizmodernisierungsgesetz ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das nahezu alle Bereiche der Justiz betrifft. Neben gewichtigen inhaltlichen Änderungen des geltenden Rechts gehört dazu auch eine Vielzahl kleinerer, zum Teil punktueller Korrekturen und Ergänzungen. Insgesamt soll der Entwurf in 26 Gesetzen Änderungen zur Folge haben.

Zu den Schwerpunkten des Zweiten Justizmodernisierungsgesetzes zählen im Einzelnen:

1. Stärkung des Opferschutzes in Strafverfahren

Im Strafrecht wird der Opferschutz sowohl gegenüber erwachsenen als auch gegenüber jugendlichen Tätern gestärkt.

Die Opfer von Straftaten leiden neben dem physischen und psychischen Schaden häufig auch unter den finanziellen Folgen der Tat. Deshalb soll die Wiedergutmachung durch den Täter Vorrang vor der Vollstreckung von Geldstrafen haben: Wenn der Verurteilte nicht genug Geld hat, um sowohl sein Opfer zu entschädigen als auch die Geldstrafe zu zahlen, soll ihm schon im Urteil Stundung der Geldstrafe oder Ratenzahlung gewährt werden, damit er zunächst Wiedergutmachung an das Opfer leisten kann.

Damit Opfer schneller ihre Schadensersatzansprüche gegen Heranwachsende (Alter des Täters von 18 bis 20 Jahre) verfolgen können, wird das Adhäsionsverfahren auch dann zugelassen, wenn sie nach Jugendstrafrecht verurteilt werden. Mit dem Adhäsionsverfahren kann das Opfer zivilrechtliche Ansprüche bereits im Strafverfahren geltend machen. Bislang ist das nur möglich, wenn das Gericht im Verfahren gegen den Heranwachsenden Erwachsenenstrafrecht auf sie anwendet.

Weitere Änderungen im Jugendgerichtsgesetz verbessern die Position der Opfer im Strafverfahren gegen Jugendliche. Bei minderjährigen Opfern kommen die Verbesserungen auch den Eltern zugute. So wird ausdrücklich festgeschrieben, dass ein Verletzter auch im Verfahren gegen Jugendliche bestimmte Informations- und Schutzrechte hat. Insbesondere sollen die Vorschriften über die Beteiligung eines Opferanwalts Anwendung finden. Wenn der Täter Jugendlicher ist, müssen sich zum Beispiel die Eltern eines ermordeten Kindes bislang selbst durch eine langwierige und belastende Hauptverhandlung quälen, auch wenn sie sich lieber durch einen Anwalt vertreten lassen würden. Hier schafft das Zweite Justizmodernisierungsgesetz Abhilfe.

2. Mehr Sicherheit für Bürgerinnen und Bürger

Änderungen im Strafverfahrensrecht zielen auf mehr Sicherheit für Bürgerinnen und Bürger durch klare und praxisnahe Bestimmungen. Soll sichergestellt werden, dass gefährliche Angeklagte wie Sexual- oder Gewalttäter, die schon zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, in Haft bleiben, auch wenn sie eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erreichen, die die Rechtskraft der Verurteilung durchbricht und eine Fortsetzung des Verfahrens erforderlich macht. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass der Verurteilte in dieser Situation nicht ohne weiteres in Haft gehalten werden darf, weil es dazu einer besonderen Rechtsgrundlage bedarf. Deshalb wird in der Strafprozessordnung jetzt eindeutig festgelegt, dass in einem solchen Fall die Rechtslage wieder hergestellt wird, wie sie vor der Rechtskraft des Urteils bestanden hat. Damit leben vorläufige Maßnahmen wie vor allem U-Haft- und Unterbringungsbefehle automatisch wieder auf, so dass der Angeklagte in Haft bleibt. Seine Grundrechte werden dadurch geschützt, dass der Haftbefehl unverzüglich gerichtlich überprüft werden muss.

Ferner erhält der Generalbundesanwalt mehr Kompetenzen bei Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz und dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Dadurch können Straftaten, die für die äußere Sicherheit und das Ansehen Deutschlands in der Staatengemeinschaft besonders schädlich sind, effektiver bekämpft und die sicherheitsgefährdenden Dimensionen besser aufgeklärt werden.

3. Mehr Flexibilität bei strafrechtlichen Sanktionen

Richterinnen und Richtern sollen künftig noch flexibler und situationsgerechter auf weniger schwer wiegende Straftaten reagieren können: Sie können öfter als bisher eine Verwarnung mit Strafvorbehalt aussprechen. Diese Sanktion ist das Mittel der Wahl, wenn dem Täter das Unrecht seiner Tat deutlich vor Augen geführt werden muss, aber eine Geld- oder Freiheitsstrafe nicht zwingend erforderlich ist.

4. Änderungen in Zivilprozessen und Zwangsvollstreckung

Mit verschiedenen Maßnahmen soll dafür gesorgt werden, dass die Gerichte Zivilverfahren effizienter und schneller durchführen können. Unter anderem werden die Regelungen über den Sachverständigenbeweis geändert. Wenn ein Gericht ein Gutachten erstellen lassen will, dauert das heute zum Beispiel in Bauprozessen oft relativ lange. Die Gerichte können den Sachverständigen zwar Fristen setzen, müssen das aber nicht tun. In Zukunft soll eine solche Fristsetzung die Regel sein. Ob das allerdings zu schnelleren Gutachtenerstellungen führt, darf wohl bezweifelt werden.

Außerdem soll Möglichkeit erweitert werden, in einem Zivilrechtsstreit auch Sachverständigengutachten aus anderen Verfahren zu verwerten. Als wenn das bei vernünftigen Gutachten nicht bereits heute geschehen würde…

Auf mehr Effizienz und Kostenersparnis sollen angeblich auch folgende Maßnahmen zielen:

  • die Beschränkung des baren Zahlungsverkehrs bei den Justizkassen: Die weitgehende Umstellung auf den unbaren Zahlungsverkehr spart Arbeitsaufwand für die Justiz und mindert Sicherheitsrisiken. Das gilt insbesondere für die Abschaffung der baren Sicherheitsleistung in der Zwangsversteigerung. Wer bei einer Grundstücksversteigerung mitbieten will, muss derzeit häufig eine Sicherheitsleistung in bar erbringen und deshalb große Geldbeträge bei sich tragen – ein vermeidbares Risiko. Nach dem neuen Recht kann man dem Gericht vorsorglich einen Betrag überweisen, wenn man bei einer Zwangsversteigerung mitbieten will. Wird das Geld später nicht als Sicherheitsleistung benötigt, überweist es das Gericht unmittelbar nach dem Versteigerungstermin zurück. Wer diesen Weg nicht wählen möchte, kann die Sicherheitsleistung wie bisher durch Vorlage von bestimmten Schecks oder durch eine Bankbürgschaft erbringen.
    die Modernisierung der Kommunikation zwischen den Gerichten und den Bürgerinnen und Bürgern im Zwangsversteigerungswesen: Die Veröffentlichung von Wertgutachten und die Bekanntmachung von Terminen sollen künftig auch per Internet zulässig sein. So kann jeder die Mitteilungen der Zwangsversteigerungsgerichte bequem von zu Hause abrufen und sich über die Wertgutachten der ihn interessierenden Objekte informieren. Der Gang zum Gericht entfällt.
  • Änderungen im Mahnverfahren: Rechtsanwälte sollen – außer im arbeitsgerichtlichen Mahnverfahren – die Anträge auf Erlass eines Mahnbescheides künftig in maschinell lesbarer Form stellen. Derzeit werden bereits ca. 68% aller Mahnanträge auf diese Weise gestellt. Welchen Vorteil es hat, wenn dies zukünftig verpflichtend wird, ist auch nicht ersichtlich.

  • der Ausschluss der Streitverkündung gegenüber dem Gericht und dem gerichtlichen Sachverständigen: Die Streitverkündung ist ein Mittel, einen Außenstehenden an einem Rechtsstreit zu beteiligen. In der Praxis werden angeblich gerichtlichen Sachverständigen häufig der Streit verkündet, um das Verfahren zu verzögern oder einen unliebsamen Sachverständigen für das Verfahren auszuschalten. Die vorgeschlagene Änderung verhindert diese angeblich missbräuchliche Form der Streitverkündung.

Viele Verbesserungen werden nicht nur im Zivilprozess greifen, sondern auf alle Verfahren, also auch auf Verfahren der Fachgerichtsbarkeiten, Auswirkungen haben.

5. Stärkung von Verfahrensrechten

Das Zweite Justizmodernisierungsgesetz soll Verfahrensrechte in mehrfacher Hinsicht stärken. Das gilt zum Beispiel für:

  • Änderungen im Zivilprozessrecht, die eine Wiederaufnahme des (bereits abgeschlossenen) Verfahrens ermöglichen, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Entscheidung des Gerichts wegen einer Menschenrechtsverletzung bemängelt hat. Diese Möglichkeit gibt es bis jetzt nur im Strafprozess.
  • Änderungen im Jugendgerichtsgesetz zum Anwesenheitsrecht von Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern des Angeklagten. Hier greift der Gesetzentwurf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf: Unter Berücksichtigung des Elterngrundrechts wird genau festgelegt, in welchen Fällen Eltern von der Hauptverhandlung gegen Jugendliche ausgeschlossen werden können.

6. Kostenrecht

Von den zahlreichen kostenrechtlichen Änderungen sind schließlich die folgenden kostenrechtlichen Regelungen des Entwurfs hervorzuheben:

  • Im berufsgerichtlichen Verfahren der Rechtsanwälte, Patentanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sollen erstmals Gebühren eingeführt werden.
  • Ein gerade ergangener Auftrag des Bundesverfassungsgerichts zum Kostenrecht wird umgesetzt, wonach es mit Artikel 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar ist, für die Berechnung der Gerichtsgebühr in Betreuungssachen auch dann unbegrenzt das reine Vermögen zugrunde zu legen, wenn sich Fürsorgemaßnahmen auf die Personensorge beschränken. Dieser Vorgabe wird dadurch Rechnung getragen, dass es künftig nur noch eine Festgebühr geben wird, wenn von einer Betreuung das Vermögen nicht unmittelbar erfasst ist.

Das Gesetz soll zum Ende des Jahres in Kraft treten. Aktionismus pur. Leider.
Die Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins zu dem Gesetzesentwurf ist lesenswert.

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