Bauträger muss Schließkarte und Schließplan an WEG herausgeben

Nicht nur innerhalb von Wohnungseigentümergemeinschaften und zwischen Wohnungseigentümergemeinschaften und Hausverwaltern gibt es häufig Streit. Auch zwischen einer Wohnungeigentümergemeinschaft und einem Bauträger kann es zu rechtlichen Auseinandersetzungen kommen.

Über einen solchen Fall hatte nun das Oberlandesgericht Stuttgart zu entscheiden und kam zu dem Ergebnis, dass einen Bauträger auch ohne ausdrückliche vertragliche Regelung die Pflicht trifft, die Schließkarte und den Schließplan für die Schließanlage eines Mehrfamilienhauses an die Wohnungseigentümergemeinschaft herauszugeben.

Was war passiert?

Ein Bauträger verweigerte der Wohnungseigentümergemeinschaft die Herausgabe des Schließplans und der Schließkarte für die im streitgegenständlichen Objekt installierte Schließanlage.

Die WEG klagte auf Herausgabe.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart:

Die Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Herausgabe war nach Auffassung des Oberlandesgerichts Stuttgart zulässig und begründet.

Der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe von Schließkarte und Schließplan ist gemeinschaftsbezogen. Es liegt im Interesse aller Eigentümer, dass Nachschlüssel nicht durch jeden Wohnungseigentümer angefertigt werden können, sondern allenfalls durch den Verwalter. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Stuttgart1 liegt damit ein Fall der geborenen Ausübungsbefugnis des Verbands aus § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG vor, so dass es keiner gekorenen Ausübungsbefugnis nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG bedurfte2. Die Klägerin war daher zur Geltendmachung dieses Anspruchs aktivlegitimiert, ohne dass es auf die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz erfolgte Beschlussfassung der Eigentümerversammlung ankommt.

Die Klage war auch begründet. Der Anspruch auf Herausgabe der Schließkarte und des Schließplans für die Schließanlage, welche zur Fertigung von Nachschlüsseln erforderlich sind, ist als Nebenpflicht im Wege der Auslegung den Bauträgerverträgen zu entnehmen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es hierfür nicht darauf an, so das Oberlandesgericht Stuttgart, ob sie aus den Bauträgerverträgen die Herstellung einer Schließanlage schuldete oder ob sie in vertragsgemäßer Weise auch jeweils gesonderte Schlösser hätte erstellen können. Nachdem eine Schließanlage tatsächlich erstellt ist, kann der Bauträger nach Übergabe des Objekts nicht die Möglichkeit behalten, Nachschlüssel zu fertigen. Der Hinweis der Beklagten, ein möglicher Missbrauch von Schließkarte und Schließplan könne auch durch deren Vernichtung ausgeschlossen werden, geht fehl. Liegt eine Schließanlage tatsächlich vor, so ist der Besitz von Schließkarte und Schließplan für die Eigentümergemeinschaft von Interesse, während deren Vernichtung für den Bauträger gegenüber der Aushändigung mit keinerlei Vorteilen verbunden ist. Schon wegen des Schikaneverbots (§ 226 BGB) kommt die Vernichtung durch den Bauträger daher als taugliche Alternative zur Aushändigung nicht in Betracht.

Der Anspruch der Klägerin auf Aushändigung des Schließplans und der Schließkarte war außergerichtlich nicht dadurch erfüllt, dass die Beklagte deren Abholung angeboten hatte. Der Erfüllungsort liegt insoweit schon nicht am Geschäftssitz der Beklagten, weil der Bauunternehmer seine Leistung am Ort des Bauwerkes zu erbringen hat3. Das Anerbieten der Beklagten, diese Gegenstände könnten bei ihr abgeholt werden, entspricht daher schon nicht ihrer Verpflichtung, weil aufgrund der vertraglichen Regelung die Auffangvorschrift des § 269 Abs. 1 BGB nicht eingreift und keine Holschuld vorliegt. Überdies hätte selbst ein vertragsgemäßes Angebot allenfalls Annahmeverzug (§ 295 BGB), nicht aber Erfüllung (§ 362 Abs. 1 BGB) zur Folge haben können.

Nicht begründet war die Klage hingegen insofern, als die Klägerin über die Aushändigung von Schließplan und Schließkarte hinaus die Herausgabe weiterer Schlüssel verlangt hat. Benötigt die Verwalterin der Klägerin weitere Schlüssel, um ihrer Tätigkeit nachzukommen, so sind diese mittels der nun übergebenen Gegenstände auf Kosten der Gemeinschaft herzustellen.

Die Revision hat das Oberlandesgericht Stuttgart nicht zugelassen. Zwar sei die Grundsatzfrage nicht abschließend höchstrichterlich geklärt, inwieweit im Stadium vor der Abnahme die Vorschriften der §§ 634 ff. BGB anwendbar sind. Im Streitfall komme es hierauf jedoch nicht an, weil jedenfalls die Voraussetzungen der in Frage kommenden Ansprüche aus § 635 Abs. 2 BGB und aus § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB nicht vorliegen.

OLG Stuttgart Urteil vom 16.11.2016, 3 U 98/16

 

  1. LG Stuttgart, Urteil vom 15.04.2016 – 26 O 199/15 []
  2. BGH, Urteil vom 05.12.2014 – V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 []
  3. BGH, Beschluss vom 05.12.1985 – I ARZ 737/85, NJW 1986, 935 []

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