- eine im Eingangsbereich eines Wohnhauses befindliche Videokamera zu entfernen,
- gespeicherte Aufzeichnungen dieser Videokamera zu löschen und die Löschung nachzuweisen,
- es zu unterlassen, in dem Wohnhaus im Treppenhaus im Erdgeschoss des Hauses Videokameras zu installieren, die geeignet sind, die Bewegungen der Klägerin (Mieterin) im Hause zu überwachen und dauerhaft festzuhalten.
Was war passiert?
Die Klägerin ist Mieterin einer Wohnung im Erdgeschoss, die Beklagte ist ihre Vermieterin.
Im Treppenhauseingangsbereich befindet sich eine Überwachungskamera. Nachts zeichnet die Kamera mangels Nachtsichtfunktion nicht auf. Im oder am Objekt ist noch eine weitere Videokamera installiert, im Bereich neben der Haustüre, welche nicht in Richtung der Wohnungstür der Klägerin ausgerichtet ist.
Die Beklagte ist der Aufforderung der Klägerin nicht nachgekommen, die im Hauseingangsbereich befindliche Kamera zu entfernen.
Die Beklagte behauptet, die streitgegenständliche Kamera im Treppenhaus erfasse nicht die Wohnungstür bzw. entsprechende Bereiche des Kamerabildes seien geschwärzt. Die Beklagte behauptet weiter, die Kamera sei auf Verlangen und mit Zustimmung der übrigen Mieter installiert worden. Hintergrund sei, dass im Treppenhaus und im Aufzug seit Jahren nahezu wöchentlich Müll, Zeitungen, Prospekte und Kleidung abgelegt werde. Diese Gegenstände würden eine erhebliche Brandlast darstellen.
Das Amtsgericht Köln hat der Klage stattgegeben.
Die Entscheidung:
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Beseitigung bzw. Entfernung der im Objekt installierten Videokamera sowie Unterlassung der Neuinstallation.
Dieser Anspruch folgt aus der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin, §§ 823 Abs. 1 BGB, 1004 Abs. 1 BGB analog i.V.m. Art. 1, 2 GG.
Die Installation der Kamera im Treppenhaus und insbesondere die Speicherung der Aufzeichnungen verletzen die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und ist auch nicht durch überwiegende schutzbedürftige Belange der Beklagten oder Dritter gerechtfertigt.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart und persönliche Daten preisgegeben und verwendet werden1. Eine Videoüberwachung greift in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen in seiner Ausprägung als Recht der informationellen Selbstbestimmung ein1. Aus diesem Grund schützt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht auch jedermann vor einer technisch gestützten Beobachtung und der Aufzeichnung persönlicher Lebenssachverhalte ohne Einwilligung. Die freie Entfaltung der eigenen Persönlichkeit wird gefährdet, wenn jederzeit mit der Beobachtung durch Personen gerechnet werden muss, die man selbst nicht sehen kann oder wenn die reproduzierbare Aufzeichnung des eigenen Verhaltens droht. Denn durch eine Video- und Tonaufzeichnung können Lebensvorgänge technisch fixiert und in der Folge abgerufen, aufbereitet und gegebenenfalls ausgewertet werden. Hierdurch können eine Vielzahl von Informationen über die Betroffenen, ihre Familienmitglieder, Freunde und Besucher gewonnen werden2.
Unstreitig zeichnet die Kamera im Treppenhauseingangsbereich die Aufnahmen jedenfalls zu Tageszeiten bei ausreichender Belichtung/ Helligkeit auf.
Die Kamera ist in einem Bereich installiert, in denen sich die Klägerin und auch ihr Besuch sich potentiell aufhalten kann, da es sich um Gemeinschaftsbereiche des Hauses handelt sowie dem unmittelbar ihrer Wohnungseingangstür vorgelagerten Bereich. Hierdurch greift die Beklagte in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin ein, da es ihr nicht mehr möglich ist, unbeobachtet die Wohnung zu verlassen, zu begehen und Besuch zu empfangen.
Insoweit kann es offenbleiben, ob die Kamera tatsächlich die Wohnungseingangstür direkt erfasst oder ob sie nur zu einem kleinen Ausschnitt erfasst und dieser geschwärzt ist. Denn bereits die Überwachung des Bereiches unmittelbar vor der Wohnungseingangstür im Treppenhaus lässt den Rückschluss darauf zu, wer das Treppenhaus passiert und wann und mit wem die Klägerin ihre Wohnung verlässt oder betritt. Unstreitig ist die Kamera auch in Blickrichtung der Wohnungstür der Klägerin gerichtet, anderenfalls wäre es auch nicht erforderlich einen Abschnitt des überwachten Bereichs zu schwärzen, den Vortrag der Beklagten im Hinblick auf die Schwärzung des Bereichs einmal als wahr unterstellt.
Diese Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin ist auch rechtswidrig.
Insbesondere liegt eine Einwilligung der Klägerin nicht vor. Ein Einverständnis, welches nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) der DSGVO ausreichen würde, liegt seitens der Klägerin als betroffener Mieterin nicht vor und auch bzgl. des Einverständnisses der übrigen Mieter hat die Beklagte keinen Beweis angeboten, wobei diese allein ohnehin nicht ausreichen würden ohne das Einverständnis der Klägerin.
Aber auch unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls und Vornahme einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung1, lässt sich keine Rechtfertigung für die Videoüberwachung erblicken. Damit die Abwägung zu Gunsten des Nutzers der Kamera ausfallen kann, muss die Überwachung zur Abwehr schwerwiegender Beeinträchtigungen erforderlich und die drohende Beeinträchtigung auf andere Weise nicht zu verhindern sein3.
Auch nach der unmittelbar anwendbaren Datenschutz-Grundverordnung EU 2016/679 vom 27.04.2016, Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO ist eine Abwägung vorzunehmen.
Gemäß Art. 6 Abs. 1 f DSGVO ist eine Videoüberwachung zulässig, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
Die Beklagte hat bereits nicht substantiiert zu ihren berechtigten Interessen vorgetragen. Zwar mag es ein berechtigtes Anliegen auch im Sinne von Brandschutz sein, das Treppenhaus frei von brennbaren Materialien zu halten. Allerdings ist die Videokamera bereits nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nur bedingt geeignet, dem Ablegen von Zeitungen u.Ä. zu begegnen, denn es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass sich an dem Umfang oder der Häufigkeit der abgelegten Gegenstände, diese einmal als wahr unterstellt, etwas geändert hätte. Eine Abschreckungswirkung lässt sich nicht feststellen. Die Beklagte hat auch nicht dargelegt, inwieweit die Überwachung der Entfernung der Gegenstände dienlich sein kann, insbesondere nicht dargelegt, nach welchem Modus die Aufnahmen gesichtet werden und inwieweit im Anschluss Maßnahmen zur Beseitigung ergriffen werden, so das Amtsgericht Köln weiter.
Selbst wenn der Beklagten und den Mitmietern ein berechtigtes Interesse in Form von Brandschutz zugestanden werden würde, würden doch die grundrechtlichen Freiheiten der Klägerin, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht am eigenen Bild, überwiegen. Denn eine konkrete, gesteigerte Brandgefahr ist nicht ersichtlich. Es handelt sich um eine eher abstrakte Gefahr. Die tägliche und permanente Überwachung der Klägerin wiegt insofern schwerer auch weil sie dauernd stattfindet. In der Regel entsteht in einem Treppenhaus mangels technischen Geräten, offenem Feuer etc. kein Brand.
Es sind zudem mildere Maßnahmen denkbar, die der potentiellen Brandlast entgegen wirken können. Insbesondere kann mittels Werbeverboten an Briefkästen dem Einwurf von Werbeprospekten vorgebeugt werden. Auch könnte die Klägerin den Hausmeisterservice, welcher ihrem Vorbringen nach einmal wöchentlich für die Treppenhausreinigung kommt, für den Wochentag beauftragen, an welchem regelmäßig die Werbeprospekte und Zeitungen geliefert werden und gleichzeitig mit der Beseitigung der Werbeprospekte beauftragen, jedenfalls sofern sie noch nicht im Briefkasten eines Mieters gelangt sind.
Gemäß Art. 17 Abs. 1 d) DSGV hat die Klägerin das Recht, die Löschung der verarbeiteten Daten zu verlangen. Die Verarbeitung erfolgte unrechtmäßig i.S.d. Art. 6 DSGV.
Die Klägerin hat sodann auch einen Anspruch auf Unterlassung für die Zukunft gemäß §§ 823 Abs. 1 BGB, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog. Hierbei begründet in der Regel die vorangegangene rechtswidrige Beeinträchtigung eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr4. Die insoweit jedenfalls bestehende Vermutung hat die Beklagtenseite nicht widerlegt.
Der bestehende Unterlassungsanspruch rechtfertigt nach der Entscheidung des Amtsgerichts Köln auch die vom Kläger begehrte Rechtsfolge, nämlich die Entfernung der Kameras5. Ein Störer kann im Rahmen eines Anspruchs § 1004 BGB dann zu einer konkreten Maßnahme verurteilt werden, wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet bzw. weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können. So liegt es hier.
- BGH, Urteil vom 16.03.2010 – VI ZR 176/09, NJW 2010, 1533 [↩] [↩] [↩]
- BVerfG, Beschluss vom 23.02.2007 – 1 BvR 2368/06, NVwZ 2007, 688; LG Essen, Urteil vom 30.01.2019 – 12 O 62/18 [↩]
- BGH, Urteil vom 25.04.1995 – VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955 [↩]
- BGH, Urteil vom 21.09.2012 – V ZR 230/11, NJW 2012, 3781 [↩]
- OLG Köln, Urteil vom 22.09.2016 – 15 U 33/16, NJW 2017, 835 [↩]