Für eine Eigenbedarfskündigung reicht ein „Ich will das aber“ nicht aus

Eine Kündigung von Wohnraum wegen Eigenbedarfs ist gesetzlich zulässig, aber natürlich immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen (wir hatten z.B. hier und hier über entsprechende Entscheidungen berichtet).

Das Gesetz sagt in § 573 BGB zur Kündigung wegen Eigenbedarfs folgendes:

(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. (…)

(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn (…)
 
2.
der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt (…).
 
(3) Die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters sind in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Andere Gründe werden nur berücksichtigt, soweit sie nachträglich entstanden sind.

Das Amtsgericht Hamburg hat hierzu nun entschieden, dass es für eine Eigenbedarfskündigung nicht ausreicht, wenn der Neffe des Eigentümers in eine andere Wohnung (die gekündigte) umziehen will, obgleich in der selben  Zeit vergleichbare Wohnungen in demselben Haus neu vermietet wurden.

Aber im Einzelnen:

Die Parteien schlossen am 2019 einen Mietvertrag über die im ersten Obergeschoss des Gebäudes des klagenden Vermieters in Hamburg, rechts gelegene Wohnung mit einer Gesamtmietfläche von circa 43 Quadratmetern mit einem Mietbeginn zum 01.06.2019 ab. Der Vertrag enthielt zunächst eine Befristung zum 31.05.2020, wobei der Grund der Befristung Eigenbedarf für Familienmitglieder war. Ferner sah der Vertrag zum 01.06.2020 eine Erhöhung um 25,00 € auf € 765,00 netto/kalt zuzüglich Betriebskosten mit der Formulierung „bei Optionswahrnehmung“ vor. Der zuletzt gezahlte Netto-Kalt-Mietzins beläuft sich auf € 765,00 beziehungsweise € 885,00 brutto/warm.

In der Folgezeit gab es zunächst eine gerichtliche Streitigkeit zwischen den Parteien hinsichtlich der Wirksamkeit der Befristung, die dazu führte, dass das Amts- und Landgericht Hamburg feststellten, dass eine wirksame Befristung des Mietverhältnisses nicht vorliegt. Ferner gibt es eine Rüge des Beklagten gegenüber dem Kläger im Bezug auf eine Mietpreisüberhöhung sowie einer Instandsetzungsklage wegen überhöhtem Bleigehalt im Trinkwasser der streitbefangenen Wohnung.

In dem Hause wurden in den letzten Jahren diverse Wohnungen mit einer Größe von 43 oder 65 Quadratmetern frei, wobei eine Vermietung häufig befristet erfolgte. So wurde im ersten Obergeschoss links die Wohnung im Oktober 2018 mit einer Befristung bis Ende Oktober 2019 vermietet mit einem Befristungsgrund wegen Eigenbedarfes für den Neffen des Klägers, K.H.. Dieser Vertrag war um ein Jahr verlängerbar bis Ende Oktober 2020, jedoch nachfolgend dann nicht vom Neffen in Anspruch genommen, sondern weitervermietet. Ferner stand eine Wohnung im zweiten Obergeschoss rechts mit einer Wohnfläche von 43 Quadratmetern etwa ein Jahr leer und wurde im November 2021 neu vermietet.

Eine Wohnung im zweiten Obergeschoss rechts mit 65 Quadratmetern stand etwa sechs Monate leer und wurde im August 2021 neu vermietet. Anschließend wurde sie im Januar 2022 mit einem befristeten Mietvertrag wegen Eigenbedarfs anderweitig vermietet. Im dritten Obergeschoss links wurde eine Wohnung mit einer Fläche von 43 Quadratmetern nach sechsmonatigem Leerstand zum 01.10.2021 neu vermietet, die gegenüberliegende Wohnung mit einer Wohnfläche von 65 Quadratmetern zum 01.12.2020 ebenfalls befristet für ein Jahr mit einer Verlängerungsoption, weil diese Wohnung zum Ende März 2022 frei werden sollte. Eine weitere Wohnung im dritten Obergeschoss links mit 65 Quadratmetern steht seit mehreren Jahren leer.

Mit Schreiben vom 19.08.2021 kündigte der Kläger gegenüber dem Beklagten das Mietverhältnis fristgemäß zum 30.11.2021 wegen Eigenbedarfs für seinen Neffen J.H., wobei die Kündigung damit begründet wurde, dass der Neffe J.H. ab dem Monat Juni 2020 seinen Wohnsitz aus beruflichen Gründen von Sylt nach Hamburg verlegen musste. Die derzeit von dem Neffen bewohnte Wohnung diene nur der vorübergehenden Unterkunft und sei für einen Alleinstehenden zu groß und im Unterhalt zu teuer. Eine andere passende Wohnung sehe dem Kläger nicht zur Verfügung.

Der Neffe des Klägers wohnt tatsächlich in einer Wohnung im vierten Obergeschoss des Hauses, wobei die Wohnung möglicherweise eine Größe von 50, maximal von 60 Quadratmetern aufweist und zu einer Gesamtmonatsmiete von € 1.050,00 an den Neffen vermietet worden sein soll.

Der Kläger behauptet, die vom Neffen bewohnte Wohnung sei diesem zu groß und zu teuer. Im Übrigen habe sich der Neffe des Klägers von vornherein dazu entschieden, in seinem Haus mit einer kleinen Wohnung im Gebäude und möglichst raschem Zugang zu Keller und Straße, also in einem möglichst niedrigen Stockwerk zu begründen, auch wenn das Haus unstreitig über einen Fahrstuhl verfügt, da dieser sehr langsam sei. In das zweite oder dritte Obergeschoss möchte der Neffe des Klägers nicht ziehen, die Wohnung im ersten Obergeschoss mit einer Größe von 43 Quadratmetern sei nun mal anderweitig vermietet.

Die Entscheidung:

Das Amtsgericht Hamburg hat die Klage auf Räumung abgewiesen, da der Räumungsanspruch des Klägers aus den §§ 546 Abs. 1, 573 Abs. 2 Ziff. 2, Abs. 3 BGB nicht besteht, da es an einer wirksamen Kündigung im Sinne von § 573 Abs. 3 BGB fehlt.

Nach § 573 Abs. 3 BGB sind die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters in dem Kündigungsschreiben anzugeben. Die Angabe der Gründe ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die ordentliche Kündigung.

Eine Eigenbedarfskündigung ist hinreichend begründet, wenn sich aus dem Kündigungsschreiben ergibt, dass der Vermieter die Räume einer Bedarfsperson überlassen will und hierfür vernünftige Gründe vorliegen1.

Danach muss der Vermieter diejenigen Tatsachen mitteilen, aus denen sich das Nutzungsinteresse ergibt, so genügt etwa die Angabe „wegen Eigenbedarfs“ nicht aus. Der Mieter muss insoweit aufgrund der im Kündigungsschreiben mitgeteilten Gründe in der Lage sein, die Erfolgsaussicht der Kündigung überschlägig zu prüfen. Diesen Anforderungen genügt die von dem Kläger erklärte Eigenbedarfskündigung nicht.

Nach Maßgabe der im Kündigungsschreiben angeführten Gründe besteht danach im konkreten Fall nach Auffassung des Amtsgerichts Hamburg ein Bedarf für den Neffen des Klägers nicht. Die Kündigung wird allein darauf gestützt, dass die derzeitige Wohnung zu groß und zu teuer sei.

Dabei lässt die Kündigung des Klägers unerwähnt, dass sein Neffe bereits in dem Haus in Hamburg wohnt, das heißt letztlich die Höhe des Mietzinses vom Kläger selbst festgesetzt worden ist. Auch die Größe der Wohnung bleibt, obwohl es sich durchgängig um Wohnungen mit recht ähnlicher Wohnungsgröße handelt, unerwähnt. Hinzukommt, so das Amtsgericht Hamburg weiter, dass nach dem Vortrag des Klägers ein Bedarf seines Neffen bereits seit Juni 2020, jedenfalls seit seinem Umzug von Sylt nach Hamburg, bestehen soll. Dennoch ist im Oktober 2020 die 43 Quadratmeter große Wohnung im ersten Obergeschoss links anderweitig vermietet worden. Auch die ebenfalls 43 Quadratmeter großen Wohnungen im zweiten Obergeschoss rechts und dritten Obergeschoss links sind zum 01.11. beziehungsweise 01.10.2021 unmittelbar vor der Kündigungserklärung des Klägers im vorliegenden Rechtsstreit anderweitig vermietet worden. Hinzukommt, dass das Haus nach dem Vortrag des Klägers über einen Fahrstuhl verfügt, der Neffe des Klägers keiner Bewegungseinschränkung unterworfen sein soll und insoweit auch die Nutzung der monatelangen freien Wohnungen im zweiten und dritten Obergeschoss ohne Weiteres dem Neffen des Klägers möglich gewesen wären. Soweit sich der Kläger nunmehr hinsichtlich des Bedarfs des Neffen auf die Geschosslage bezieht, vermag dies letztlich nicht berücksichtigt zu werden, da dies als Kündigungsbegründung explizit nicht angegeben worden ist, vgl. § 573 Abs. 3 BGB.

Es kann nicht dagegen eingewandt werden, dass die Kündigungsbegründungen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Teil auch recht allgemein gehalten möglich sein sollen, sofern sie denn das Nutzungsinteresse im Kern formulieren. Hier soll sich der Kern des Nutzungsinteresses allerdings aus der Geschosslage ergeben, die in der Kündigung ausdrücklich nicht als kündigungsrelevant genannt worden ist. Nach den in der Kündigung genannten Kriterien fehlt es insoweit am Benötigen des Klägers, da diesem hinreichend anderweitiger Wohnraum in dem betreffenden Haus zu Verfügung stand, der den Kriterien der Bedarfsperson genügt hätte, zumal es sich schon um einen länger bestehenden Eigenbedarfsgrund handeln soll.

Hiernach ist die nunmehr – ungeachtet des vorhandenen Fahrstuhls – zwar wenig plausibele, aber nunmehr besonders hervorgehobene Kündigungsbegründung der Geschosslage nicht zu berücksichtigen, die kündigungsbegründenen Umstände der Wohnungsgröße sowie des Mietpreises vom Kläger wiederum in der Kündigung in keiner Weise spezifiziert worden sind, obwohl sie in Anbetracht einer bereits jetzt bewohnten kleineren Wohnung im Eigentum des Klägers erkennbar als Kerntatsachen erläuterungsbedürftig gewesen wären, zumal ein Benötigen des Klägers bei näherer Erläuterung der im Kündigungsschreiben genannten Gründe aufgrund der Vielzahl freier Mietobjekte eben gerade nicht nachvollziehbar gewesen wäre.

Amtsgericht Hamburg, Urteil vom 04.05.2022 – 49 C 438/21
ECLI:DE:AGHH:2022:0504.49C438.21.00

Hinweis:

Auch diese Entscheidung lehrt wieder, dass – sei es auf Mieterseite oder Vermieterseite – die Beratung durch https://www.raschlosser.de/anwaelte/rechtsanwalt-schlosser sinnvoll ist.

 

  1. BGH, Rechtsentscheid vom 20.01.1988 – VIII ARZ 4/87, BGHZ 103, 91 []

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