Wohnraumkündigungen sind per se für einen Vermieter schon nicht einfach. Das gilt erst recht für fristlose Kündigungen wegen Störung des Hausfriedens.
Besonders schwierig wird es bei einem Mieter, der psychisch beeinträchtigt ist.
Das Landgericht Hamburg ist in einem solchen Fall im Rahmen der Frage, ob einem fristlos gekündigten Mieter Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Räumgsklage bewilligt werden soll, als Beschwerdeinstanz zu folgenden Ergebnissen gekommen:
- Ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung durch den Vermieter liegt gemäß § 569 Abs. 2 BGB vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Verschulden ist jedoch keine zwingende Voraussetzung für die Kündigung. Zu berücksichtigen sind auch die Auswirkungen der Vertragsverletzung und die Folgen des Wohnungsverlustes für den Mieter.
- Wird der Hausfrieden durch das Verhalten eines schuldunfähigen, psychisch kranken Mieters gestört, sind die Belange des Vermieters, des Mieters und der anderen Mieter unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes und der besonderen Schutzbedürftigkeit des kranken Mieters gegeneinander abzuwägen. Die Verpflichtung zur Toleranz endet dort, wo durch das Verhalten des psychisch erkrankten Mieters die Gesundheit anderer Mieter im Haus ernsthaft gefährdet wird.
- Die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ist auch unter Berücksichtigung der langjährigen Dauer des Mietverhältnisses und der schweren psychischen Erkrankung des Mieters nicht zumutbar, wenn dieser Mieter eine Nachbarin in deren Gesundheit geschädigt hat, indem er, als diese ihm nicht ermöglichte, in deren Wohnung nach einer dort vermuteten Katze Nachschau zu halten, diese an den Haaren packte, an die Wand drückte, und als diese nicht wie aufgefordert die Wohnungsschlüssel herausgab, einen Stoß Pfefferspray versprühte, bevor er die Wohnungsschlüssel an sich nahm und in der Wohnung erfolglos nach der Katze schaute.
Die Hintergründe dieser Entscheidung:
Nach Auffassung des Landgerichts Hamburg hat das Amtsgericht Hamburg-Barmbek1 den Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt, da es an den hinreichenden Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO für eine Prozesskostenhilfebewilligung fehlt.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf geräumte Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nach § 546 Abs. 1 BGB zu, da jedenfalls die fristlose Kündigung vom 08.01.2021 das Mietverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten beendet hat. Diese war gem. §§ 543 Abs. 1, 569 Abs. 2 BGB wirksam. Nach § 543 Abs. 1 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen; ein wichtiger Grund liegt gem. § 569 Abs. 2 BGB vor, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört, so dass dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Das Verschulden ist jedoch keine zwingende Voraussetzung für die Kündigung. Zu berücksichtigen sind das Ausmaß der Schuld, die Auswirkungen der Vertragsverletzung und die Folgen des Wohnungsverlustes für den Mieter2.
Wird der Hausfrieden durch das Verhalten eines schuldunfähigen, psychisch kranken Mieters gestört, sind die Belange des Vermieters, des Mieters und der anderen Mieter unter Berücksichtigung der Wertentscheidungen des Grundgesetzes und der besonderen Schutzbedürftigkeit des kranken Mieters gegeneinander abzuwägen3. Die Verpflichtung zur Toleranz endet jedoch dort, wo durch das Verhalten des psychisch erkrankten Mieters die Gesundheit anderer Mieter im Haus ernsthaft gefährdet wird4.
Die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ist der Klägerin hiernach auch unter Berücksichtigung der langjährigen Dauer des Mietverhältnisses und der Erkrankung der Beklagten, einer paranoiden Schizophrenie, rezidivierenden depressiven Störungen sowie einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ, und ausgehend von der Schuldunfähigkeit der Beklagten sowie unter Berücksichtigung einer drohenden Verschlechterung ihrer Erkrankung bei Verlust der Wohnung, nicht zuzumuten.
Denn demgegenüber steht, dass die Beklagte ihre Nachbarin, die Zeugin Dähne D., in deren Gesundheit schädigte, indem sie, als diese ihr nicht ermöglichte, in deren Wohnung nach ihrer dort vermuteten Katze Nachschau zu halten, diese an den Haaren packte, an die Wand drückte, und als diese nicht wie aufgefordert die Wohnungsschlüssel herausgab, einen Stoß Pfefferspray versprühte, bevor sie die Wohnungsschlüssel an sich nahm und in der Wohnung der Zeugin Dähne D. erfolglos nach ihrer Katze schaute.
Aufgrund der Schwere des Pflichtenverstoßes und der erheblichen Auswirkungen ihres Verhaltens auf ihre Nachbarin geht die Abwägungsentscheidung nach Auffassung des Landgerichts Hamburg zulasten der Beklagten. Eine positive Prognose ist auch bereits nicht schon aus dem Grund gerechtfertigt, wenn sich die Beklagte in ambulanter ärztlicher Behandlung befindet, die Ereignisse reflektiert, und bereit ist, einem erneuten Auftreten einer psychotischen Symptomatik entgegenzuwirken.
Landgericht Hamburg, Beschluss vom 23.06.2021 – 316 T 24/21
ECLI:DE:LGHH:2021:0623.316T24.21.00
- AG Hamburg-Barmbek, Beschluss vom 30.03.2021 – 810 C 345/20 [↩]
- Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 569 Rn. 23 [↩]
- BGH, Urteil vom 08.12.2004 – VIII ZR 218/03; Schmidt-Futterer/Blank, 14. Aufl. 2019, BGB § 569 Rn. 23 [↩]
- AG Berlin-Wedding, Urteil vom 25.06.2013 – 7 C 148/12; AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Versäumnisurteil vom 12.09.2014 – 25 C 219/13; Schmidt-Futterer/Blank,14. Aufl. 2019, BGB § 569 Rn. 23 [↩]