Der Bundesgerichtshof hatte aktuell über eine spannende Frage zur Untermiete zu entscheiden:
Der Hauptmieter war verstorben. Er hatte einen kleinen Teil seiner Wohnung untervermietet (7 m² von 106,55 m²).
Der Untermieter wollte nach dem Tod des Hauptmieters nicht ausziehen und wurde in der Folge zur Räumung verurteilt. Ihm wurde hierbei eine Räumungsfrist gewährt.
Die Klägerin verlangte sodann von dem Beklagten nach dessen Zwangsräumung im Oktober 2016 die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die gesamte Wohnung für die Monate März 2016 bis September 2016, zuletzt noch in Höhe von insgesamt 2.170 €, der ursprünglichen Miete für die gesamte Wohnung. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolgreich gewesen1.
Die Revision hiergegen war erfolglos.
Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht – so der Bundesgerichtshof – davon aus, dass der Anspruch der Klägerin auf Ersatz des durch die Vorenthaltung der ganzen Wohnung entstandenen Schadens aus § 990 Abs. 2 i.V.m.§280 Abs. 1 und 2,§§286, 249, 252 BGB folgt.
Die Vorschriften der §§ 987 ff. BGB finden auf den Besitzer, dessen ursprüngliches Besitzrecht entfallen ist, und damit auch auf den infolge des Wegfalls des Hauptmietvertrags nicht mehr zum Besitz berechtigten Untermieter Anwendung2. Der zur Herausgabe verpflichtete Besitzer haftet im Fall des Verzugs gemäß § 990 Abs. 2 BGB i.V.m. § 280 Abs.1 und 2,§ 286 BGB (auch) auf Ersatz des durch die Verzögerung der Herausgabe entstehenden Schadens, wenn er bei Erwerb des Besitzes bösgläubig war oder von dem Mangel im Besitzrecht später erfahren hat3. Die zweite Voraussetzung liegt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor.
Das gilt unabhängig davon, ob, was für das Revisionsverfahren mangels gegenteiliger Feststellungen zu Gunsten des Beklagten zu unterstellen ist, der Erblasser (Vermieter) der Untervermietung zugestimmt hatte. Die Erlaubnis zur Untervermietung gemäß § 540 BGB gibt dem Untermieter ein von dem Hauptmieter abgeleitetes Besitzrecht gemäß § 986 Abs. 1 Satz1 Alt. 1 BGB. Dieses entfällt mit der Beendigung des Hauptmietverhältnisses4. Ob es dafür zusätzlich eines Räumungsverlangens des Eigentümers gegenüber dem Untermieter bedarf5, kann dahinstehen. Denn ein solches Räumungsverlangen ist hier im Dezember 2014 erfolgt.
Die dem Beklagten gewährte Räumungsfrist nach § 721 ZPO ändert daran nichts, denn sie ist verfahrensrechtlicher Natur und hat – anders als kraft der Sonderregelung des § 571 Abs. 2 BGB für Wohnraum – keine materielle Bedeutung6. Sie beseitigte den Verzug des Beklagten mit der Herausgabe nicht7.
Für den Anspruch nach § 990 Abs. 2, § 286 BGB ist unerheblich, ob der Beklagte die gesamte Wohnung oder, was er geltend macht, nur die an ihn untervermietete Kammer in Besitz hatte. Der Beklagte ist zwar durch das gegen ihn ergangene Räumungsurteil nicht daran gehindert, einen Besitz an sämtlichen Räumen in Abrede zu stellen. Durch die Rechtskraft des Räumungsurteils steht nämlich nicht fest, in welchem Umfang er Besitz an den herauszugebenden Räumen hatte8. Darauf kommt es für den Schadensersatzanspruch nach § 990 Abs. 2 BGB – anders als bei der Herausgabe von Nutzungen (§§ 987, 990 Abs. 1 BGB) aber nicht an. Gibt ein unmittelbarer Besitzer eines Raums einer Wohnung diesen nicht heraus und ist es dem Eigentümer nicht zumutbar, nur Teile der Wohnung zu vermieten, so setzt der unmittelbare Besitzer des Raums die Ursache dafür, dass die gesamte Wohnung nicht vermietet werden kann und daher ein entsprechender Mietausfallschaden entsteht (§ 252 BGB)9. So ist es auch hier, weil davon auszugehen ist, dass der Vermieter die Wohnung im Regelfall nur als Einheit weitervermieten kann und Anhaltspunkte dafür, dass es dem Erblasser ausnahmsweise möglich und zumutbar war, die Wohnung in Teilen zurückzunehmen und zum Teil weiterzuvermieten,nicht bestehen.
Zutreffend nimmt das Berufungsgericht daher nach Auffassung des Bundesgerichtshofs weiter an, dass der Schadensersatzanspruch aus § 990 Abs. 2 i.V.m. § 280 Abs. 1 und 2, §§ 286, 249, 252 BGB in der geltend gemachten Höhe nicht nach § 571 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist.
Nach § 571 Abs. 2 BGB ist der Mieter, dem nach § 721 oder § 794a ZPO eine Räumungsfrist gewährt wird, für die Zeit von der Beendigung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Räumungsfrist zum Ersatz eines weiteren Schadens nicht verpflichtet. Die Norm beschränkt die Ansprüche des Vermieters auf die ihm nach § 546a Abs. 1 BGB für die Zeit der Vorenthaltung zustehende Nutzungsentschädigung und befreit den Mieter von einer Haftung für weitere durch die Ausnutzung der gerichtlichen Räumungsfrist entstehende Schäden; insbesondere für einen dem Vermieter in Folge des Verzuges mit der Wohnungsher-ausgabe entstehenden Schaden hat der Mieter für den Zeitraumderihm vom Gericht gewährtenRäumungsfrist nach § 721 oder § 794a ZPO nicht einzustehen10.
Unmittelbar anwendbar ist § 571 Abs. 2 BGB hier schon deshalb nicht, so der Bundesgerichtshof weiter, weil der Beklagte nur Untermietergewesen ist. Zwar kann auch dem Untermieter eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO gewährt werden11. Dafür kommt es nämlich allein auf die tatsächliche Nutzung des Raums zum Wohnen und nicht auf den Rechtsgrund des Innehabens des Wohnraums an12. Die Vorschrift des § 571 Abs. 2 BGB gilt unmittelbar aber nur imVerhältnis zwischen Eigentümer und Mieter, da sie systematisch an die Regelung des § 546a BGB anknüpft und wie diese das Bestehen eines (beendeten) Mietverhältnisses voraussetzt13. Daran fehlt es im Verhältnis zwischen Eigentümer und Untermieter.
Eine Begrenzung des Anspruchs der Klägerin auf die Nutzungsentschädigung für die von dem Beklagten genutzte Kammer lässt sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs entgegen der Ansicht der Revision auch nicht aus einer analogen Anwendung von § 571 Abs. 2 BGB herleiten.
Die Frage, ob § 571 Abs. 2 BGB auf den Untermieter von Wohnraum entsprechend anwendbar ist, wird allerdings unterschiedlich beurteilt. Das Landgericht Stuttgart hat das für das gewerbliche Zwischenmietverhältnis bejaht14,und dem hat sich ein Teil des Schrifttums angeschlossen15. Die überwiegende Ansicht lehnt eine entsprechende Anwendung von § 571 Abs. 2BGB auf den Untermieter dagegen ab16.
Ob § 571 Abs. 2 BGB auf den Untermieter von Wohnraum entsprechend anzuwenden ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls hätte eine analoge Anwendung der Vorschrift entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zur Folge, dass sich der Schadensersatzanspruch des Eigentümers auf eine Nutzungsentschädigung für die untergemieteten Räume be-schränkte.
Der Zweck des § 571 Abs. 2 BGB spricht allerdings für eine analoge Anwendung der Vorschrift auf den Untermieter von Wohnraum, dem eine Räumungsfrist gewährt worden ist. Er ist darin zusehen, dass der Wohnraummieter sich nicht aus Sorge vor Schadensersatzansprüchen des Vermieters davon abhalten lassen soll, eine Räumungsfrist zu beantragen und zu nutzen17. Daher begrenzt § 571 Abs. 2 BGB die Haftung des Mieters, dem eine Räumungsfrist gewährt worden ist, auf die vereinbarte bzw. ortsübliche Miete (vgl. § 546 Abs. 1 BGB); für weitere Schäden (vgl. § 546 Abs. 2 BGB) haftet er dagegen nicht18. Der Untermieter von Wohnraum, dem eine Räumungsfrist nach § 721 oder § 794a ZPO gewährt worden ist, befindet sich in einer vergleichbaren Situation. Müsste er bei Ausnutzung der Räumungsfrist un-begrenzte Schadensersatzansprüche des Eigentümers wegen Verzuges (§ 990 Abs. 2 BGB) gewärtigen, hätte dies entweder zur Folge, dass er, obwohl darauf angewiesen, keinen Räumungsschutz in Anspruch nimmt, oder dass er nach Nutzung der Räumungsfrist unter Umständen erheblichen Schadensersatzansprüchen des Eigentümers ausgesetzt ist. Beides soll durch die Regelung des § 571 Abs. 2 BGB bei einem (früheren) Mieter verhindert werden.
Für den Vermieter wäre es jedoch unzumutbar, wenn die dem in der Wohnung verbliebenen Untermieter gewährte Räumungsfrist dazu führte, dass er trotz Vorenthaltung der gesamten Wohnung eine Nutzungsentschädigung nur in Höhe des Untermietzinses bzw. der ortsüblichen Miete für die untervermieteten Teile der Wohnung erhielte. Er stünde dann schlechter als im Verhältnis zum Hauptmieter, der nach § 546a Abs. 1 BGB während der Räumungsfrist die Nutzungsentschädigung in voller Höhe schuldet. Ein solches Ergebnis ließe sich nicht mit dem Schutzzweck des § 571 Abs. 2 BGB rechtfertigen. Die Vorschrift schützt zwar das Interesse des Mieters, eine ihm gewährte Räumungsfrist zu nutzen; das Gesetz bringt es aber in einen Ausgleich mit den Interessen des Vermieters an der baldigen Rückerlangung der Wohnung nach Ende des Mietverhältnisses, indem § 546a Abs. 1 BGB dem Vermieter einen Anspruch auf eine Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten bzw. ortsüblichen Miete für diesen Zeitraum zuerkennt. Ein solcher Anspruch muss dem Vermieter auch dann verbleiben, wenn § 571 Abs. 2 BGB analog auf einen Untermieter anzuwenden sein sollte; denn der Untermieter steht dem Vermieter schon mangels vertraglicher Beziehungen ferner als Hauptmieter. Dass der Untermieter den ihm gewährten Räumungsschutz nur um den Preis einer Nutzungsentschädigung für die ganze Wohnung in Anspruch nehmen kann, ist dagegen hinzuzunehmen. Darin setzt sich lediglich fort, dass der Untermieter zu keiner Zeit in einem vertraglichen Verhältnis zu dem Eigentümer stand, sondern sein Besitzrecht von dem Hauptmieter ableitete. Soweit die mietrechtliche Vorschrift des § 571 Abs. 2 BGB überhaupt geeignet ist, Rechte des Eigentümers im Verhältnis zum Untermieter einzuschränken, kann eine solche Beschränkung nicht über das hinausgehen, was zwischen den (ursprünglichen) Hauptmietparteien gelten würde. Wird dem Untermieter, der nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses über eine Wohnung und Räumung durch den Hauptmieter die untergemieteten Wohnräume an den Eigentümer nicht herausgibt, eine gerichtliche Räumungsfrist gewährt, kann der Eigentümer deshalb von ihm nach den Vorschriften des Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses Schadensersatz jedenfalls in Höhe der von dem Hauptmieter bei Nichträumung geschuldeten Nutzungsentschädigung für die ganze Wohnung verlangen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.12.2020 -V ZR 26/20
ECLI:DE:BGH:2020:111220UVZR26.20.0
- AG Berlin-Schöneberg, Urteil vom 05.01.2017 -105 C 317/16; LG Berlin, Urteil vom 20.08.2019 – 63 S 51/17 [↩]
- BGH, Urteile vom 14.03.2014 -V ZR 218/13; vom 31.01.2001 -XII ZR 221/98 [↩]
- BGH, Urteile vom 12.11.1992 – V ZR 230/91, BGHZ120, 204, 214; vom 19.09.2003 -VZR360/02, BGHZ 156, 170, 171; vom 30.09.1964 – VIII ZR 302/62, NJW 1964, 2414 [↩]
- BGH, Urteile vom 06.11.1968 – V ZR 85/65, WM 1968, 1370; vom 31.01.2001 -XII ZR 221/98 [↩]
- so LG Köln, NJW-RR 1990, 1231 [↩]
- BGH, Urteil vom 29.04.1987 – VIII ZR 258/86, NJW-RR 1987, 907 [↩]
- BGH, Urteil vom 27.06.1953 – VIZR 235/52, NJW 1951, 1586, 1587; Schuschke/Walker/Kessen/Tholen/Braun, ZPO, 7. Aufl., § 721 Rn.17 [↩]
- BGH, Urteil vom 14.03.2014 – V ZR 218/13, WuM 2014, 347 [↩]
- BGH, Urteile vom 06.11.1968 – V ZR 85/65, WM 1968, 1370; vom 14.03.2014 – V ZR 218/13 [↩]
- LG Berlin, Grundeigentum 2017, 538; MüKoBGB/Häublein, 8. Aufl., § 571 Rn. 10; Staudinger/Rolfs, BGB [2018], § 571 Rn. 10, 11 [↩]
- OLG Köln, WuM 1997, 336; LG Stuttgart, NJW-RR 1990, 654; LG Stade, WuM 1987, 62 [↩]
- MüKo ZPO/Götz, 5.Aufl., § 721 Rn. 2; Musielak/Lackmann, ZPO, 17. Aufl., § 721 Rn. 3; Zöller/Seibel, ZPO, 33. Aufl., § 721 Rn. 2; zur Vorschrift des § 794a ZPO vgl. Schmidt/Futterer/Lehmann-Richter, Mietrecht, 14. Aufl., §794a ZPO Rn. 4 [↩]
- BGH, Urteil vom 31.01.2001 -XII ZR 221/98 zu § 557 BGB aF betreffend Vereinsräume; BeckOK MietR/Klotz-Hörlin [1.8.2020], § 571 BGB Rn. 5; MüKoBGB/Bieber, 8.Aufl., §546a Rn.3; Staudinger/Rolfs, BGB [2018], § 546a Rn.10, 12; Blank/Börstinghaus/Blank, Miete, 5. Aufl., § 546a Rn. 5; Gramlich, Mietrecht, 15.Aufl., § 546a Rn. 1; Schmidt/Futterer/Streyl, Mietrecht, 14. Aufl., §546a Rn. 5, § 571 Rn. 1, 3; Greiner, ZMR 1998, 403, 404 f. [↩]
- LG Stuttgart, NJW-RR 1990, 654 f. [↩]
- BeckOK BGB/Wöstmann [1.8.2020], §571 Rn. 9; jurisPK-BGB/Tiedemann, 9.Aufl., § 571 BGB Rn. 41 [↩]
- LG Kiel, WuM 1995, 540; BeckOGK/Gelb, BGB [1.7.2020], § 571 Rn.4;BeckOK MietR/Klotz-Hörlin [1.8.2020], § 571 BGB Rn. 5; NK-BGB/Hinz, 3.Aufl., § 571 Rn. 7; RGRK/Gelhaar, BGB, 12. Aufl. § 557 Rn. 24; Staudinger/Rolfs, BGB [2018], §571 Rn. 10; EmmerichinBub/Treier, Handbuch der Geschäfts-und Wohnraummiete, 5. Aufl., Kap.V Rn. 184; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 11.Aufl., § 571 Rn. 7; Schmidt-Futterer/Streyl, Mietrecht, 14. Aufl., §571 BGB Rn. 3; Ettl in Spielbauer/Schneider, Mietrecht, 2. Aufl., § 571 BGB Rn. 9 [↩]
- BT-Drs. IV 806, 11 [↩]
- Staudinger/Rolfs, BGB [2018], §571 Rn. 12; Blank/Börstinghaus/Blank, 5.Aufl., § 571 Rn. 1; Herrlein in Herrlein/Kandelhard, ZAP-Praxiskommentar Mietrecht, 4. Aufl., § 571 BGB Rn. 2; Lammel, Wohnraum-mietrecht, 3. Aufl., §571 BGB Rn. 2 [↩]