Berechtigt die regelmäßig verspätete Mietzahlung durch das Jobcenter den Vermieter dazu, das Wohnraummietverhältnis mit dem bedürftigen Mieter fristlos zu kündigen?
Nein, urteilte der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung.
In dem entschiedenen Fall mieteten die Beklagten mit Vertrag vom 11. Mai 2007 ein Reihenhaus des Klägers in W. an. Nach § 4 des Mietvertrages ist die Miete jeweils bis zum 3. Werktag eines Monats im Voraus an den Vermieter zu zahlen. Die Beklagten trennten sich noch im Jahr 2007; der Beklagte zu 2 zog aus dem Reihenhaus aus. Die Mietzahlungen gingen beim Kläger für April 2008 am 11. April, für Mai 2008 am 7. Mai, für Juni 2008 am 6. Juni und für Juli 2008 am 8. Juli ein. Mit Schreiben vom 7. April und 13. Mai 2008 mahnte der Kläger die verspäteten Zahlungen ab. Die Mietzahlungen erfolgten seit April 2008 durch das Jobcenter. Dieses ist trotz Vorlage der Abmahnungen des Klägers durch die Beklagte zu 1 nicht bereit, die Mietzahlungen früher anzuweisen. Mit Schreiben vom 11. Juni 2008 kündigte der Kläger das Mietverhältnis unter Berufung auf verspätete Mietzahlungen. Er begehrt die Räumung des Reihenhauses und die Erstattung vorgerichtlicher Auslagen.
Das Amtsgericht Weilheim i. OB hat die Klage mit Urteil vom 19. August 2008 (1 C 214/08) abgewiesen. Das Landgericht München II hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 10. Februar 2009 (12 S 4884/08) zurückgewiesen. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Kläger nicht berechtigt war, das Mietverhältnis gemäß § 543 Abs. 1 BGB wegen der unpünktlichen Mietzahlungen fristlos zu kündigen.
Für die Beurteilung, ob ein Grund zur fristlosen Kündigung nach dieser Vorschrift gegeben ist, bedarf es, so der Bundesgerichtshof, der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Das Berufungsgericht habe zu Recht nicht isoliert auf die unpünktlichen Zahlungen abgestellt, sondern bei der Interessenabwägung berücksichtigt, dass die Beklagten seit April 2008 auf staatliche Sozialleistungen angewiesen sind und dass die seither eingetretenen Zahlungsverzögerungen von jeweils einigen Tagen darauf beruhen, dass das Jobcenter nicht zu einer früheren Zahlungsanweisung bereit ist. Diese Würdigung weise keinen Rechtsfehler auf.
Die Mieter müssen sich, so der Bundesgerichtshof weiter, im Rahmen der Abwägung nach § 543 Abs. 1 BGB auch nicht ein etwaiges Verschulden des Jobcenters zurechnen lassen. Das Jobcenter handele bei der Übernahme der Mietzahlungen nicht als Erfüllungsgehilfe (§ 278 BGB) des Mieters, sondern nehme ihm obliegende hoheitliche Aufgaben der Daseinsvorsorge wahr. Der Mieter schalte die Behörde nicht als Hilfsperson zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietverhältnis ein; vielmehr wende er sich an die staatliche Stelle, um den eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen. Dabei mache es keinen Unterschied, ob das Jobcenter anschließend die Kosten der Unterkunft an den Hilfebedürftigen selbst zahle oder direkt an den Vermieter überweise.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Oktober 2009 – VIII ZR 64/09