Mietminderung bei einer Gewerbeimmobilie wegen Corona-Beschränkungen – ja oder nein?

Es war zu erwarten, dass uns die Thematik noch eine Weile beschäftigen wird, ob die Beschränkungen bzw. Schliessungen von Geschäften wegen Corona-Schutzverordnungen den Mieter von Gewerbeimmobilien zu Mietminderungen berechtigt oder nicht.

Nachdem wir hier von einer Entscheidung des Landgerichts München I zugunsten von Gewerbemietern berichtet hatten, in der das Gericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Sachen Mietmangel seziert hat, um dann zu dem mieterfreundlichen Ergebnis zu kommen, hat nun das Landgericht Frankfurt a.M. genau entgegengesetzt entschieden.

Nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt a.M. liegt in der staatlich verordneten Schließung von Verkaufsstätten des Einzelhandels im Zuge der Corona-Epidemie kein Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB.

Auch in diesem Fall stritten die Parteien um die Zahlung von Gewerberaummiete  – hier für den Monat April 2020.

Die Klägerin vermietet an die Beklagte Gewerberäume „zur Nutzung als Verkaufs- und Lagerräume eines Einzelhandelsgeschäfts für Textilien aller Art sowie aller Waren des täglichen Ge- und Verbrauchs“. Die Beklagte betreibt in den Räumlichkeiten ein dem entsprechendes Einzelhandelsgeschäft. Sie betreibt darüber hinaus mehrere Tausend weiterer solcher Märkte in Deutschland und einigen europäischen Ländern.

Im Zuge der Corona-Epidemie verordnete das Land Hessen die Schließung sämtlicher Verkaufsstätten des Einzelhandels, also auch des Geschäfts der Beklagten, in der Zeit vom 18.03. bis zum 20.04.2020.

Die Beklagte verzeichnete unternehmensweit gegenüber dem Durchschnitt der Jahre 2018 und 2019 im März 2020 einen Umsatzrückgang um 54 % und im April 2020 einen solchen von 41 %. Die Schließung der Filialen führte zu einer erheblichen Liquiditätslücke, so dass ihr die Mietzinszahlung im April 2020 nicht möglich war.

Die Beklagte nutzte für sämtliche Filialen in Deutschland Kurzarbeit. Darüber hinausgehende staatliche Unterstützungsleistungen erhielt die Beklagte nicht.

Für den Monat April entrichtete die Beklagte die Miete nicht.

Die Klage der Vermieterin auf Mietzahlung ist nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt a.M. begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten Anspruch auf Mietzahlung und Betriebskostenvorschuss für den Monat April 2020.

Die Beklagte ist nicht gemäß § 536 Abs. 1 S. 1 BGB von der Entrichtung der Miete befreit oder gemäß § 536 Abs. 1 S. 2 BGB zur Entrichtung nur einer herabgesetzten Miete verpflichtet.

In der staatlich verordneten Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels liegt kein Mangel der Mietsache i.S.v. § 536 Abs. 1 S. 1 BGB.

Ein Mangel setzt voraus, dass der tatsächliche Zustand der Mietsache vom vertraglich vorausgesetzten Zustand abweicht. Wenn – wie hier – Parteiabreden zur Beschaffenheit der Mietsache fehlen, wird der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand unter Berücksichtigung des vereinbarten Nutzungszwecks und des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nach der Verkehrsanschauung bestimmt1.

Auch öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und -beschränkungen können die Tauglichkeit zu dem vertragsgemäßen Gebrauch mindern und damit einen Sachmangel bedeuten. Insbesondere bei der Vermietung von Gewerberäumen können privat- oder öffentlich-rechtliche Hindernisse zu einem Mangel führen. Voraussetzung ist aber, dass die Beschränkungen der konkret vermieteten Sache ihre Ursache gerade in deren Beschaffenheit und Beziehung zur Umwelt haben und nicht in den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters2. Durch hoheitliche Maßnahmen bewirkte Gebrauchsbeschränkungen können deshalb nur dann einen Mangel begründen, wenn sie unmittelbar mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand oder der Lage der konkreten Mietsache in Zusammenhang stehen; Maßnahmen, die nur den geschäftlichen Erfolg des Mieters beeinträchtigen, fallen in dessen Risikobereich, so das Landgericht Frankfurt a.M.. § 535 Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet den Vermieter nur, die Mietsache in einem Zustand zu erhalten, der dem Mieter die vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht, das Verwendungsrisiko trägt hingegen der Mieter allein3.

Ausgehend von diesen rechtlichen Vorgaben liegt im vorliegenden Fall nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt a.M. kein Sachmangel vor. Die hoheitlichen Maßnahmen dienen hier dem Schutz der Bevölkerung vor allgemeinen gesundheitlichen Gefahren. Sie knüpfen nicht unmittelbar an die konkrete Beschaffenheit der Mietsache an, sondern allgemein an die Nutzungsart sowie den Umstand, dass in den betroffenen Flächen Publikumsverkehr stattfindet und dadurch Infektionen begünstigt werden3.

Der Anspruch des Klägers ist nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt a.M. auch nicht gemäß § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfallen.

Durch die staatlich verordnete Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels ist der Klägerin die Gebrauchsgewährung nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB unmöglich geworden.

Zwar konnte die Beklagte die Mietsache während der behördlich angeordneten Schließung nicht als Verkaufsraum nutzen. Damit hat sich jedoch lediglich das Verwendungsrisiko verwirklicht, welches allein die Beklagte zu tragen hat. Die Kläger haben der Beklagten die Mietsache, wie es ihrer Hauptleistungspflicht entspricht, in gebrauchstauglichem Zustand bereitgestellt. Der Umstand, dass die Nutzung für die Beklagte nicht wie von ihr beabsichtigt möglich war, liegt nicht an der Sache selbst3.

Die Beklagte hat schließlich keinen Anspruch auf Anpassung des Vertrags unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, so das Landgericht Frankfurt a.M. weiter.

Es steht bereits nicht fest, dass die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie sich bewusst gemacht hätten, dass es für die Dauer eines Monats zu einer staatlich verordneten Schließung der Verkaufsstätten des Einzelhandels kommen würde.

Jedenfalls ist der Beklagten das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht unzumutbar.

Eine Vertragsanpassung unter diesem Gesichtspunkt setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass dies zur Vermeidung eines untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nach Treu und Glauben nicht zuzumutenden Ergebnisses unabweislich erscheint4.

Dies lässt sich hier nicht sagen.

Gemäß § 313 Abs. 1 BGB ist bei der anzustellenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls das wichtigste Kriterium das der vertraglichen Risikoverteilung. Wie oben ausgeführt, geht diese hier dahin, dass die Beklagte als Mieterin das Verwendungsrisiko der Mietsache trägt, also das Risiko, mit dem Mietobjekt Gewinne erzielen zu können. Eine solche vertragliche Risikoverteilung bzw. Risikoübernahme schließt für den Betroffenen – abgesehen von extremen Ausnahmefällen, in denen eine unvorhergesehene Entwicklung mit unter Umständen existentiell bedeutsamen Folgen für eine Partei eintritt – regelmäßig die Möglichkeit aus, sich bei Verwirklichung des Risikos auf Wegfall der Geschäftsgrundlage zu berufen.

Dass die erzwungene Schließung hier zu existentiell bedeutsamen Folgen für die Beklagte geführt hätte, ist nicht dargelegt. Die Beklagte beschränkt sich darauf, Liquiditätsengpässe für den Zeitraum der Schließung geltend zu machen. Solchen Liquiditätsengpässen trägt jedoch bereits Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 1 EGBGB Rechnung, der den Mieter vor der Kündigung schützt, soweit er, bedingt durch die Corona-Pandemie, seine Miete vorübergehend nicht pünktlich zu leisten im Stande war.

Hinzu kommt, dass der Zeitraum der Schließung letztlich nur etwa einen Monat betrug. In dieser Zeit konnte die Beklagte Kurzarbeit einführen und dadurch beträchtliche Einsparungen verbuchen. Seit dem Ende der Schließung hat sie ihre Geschäftstätigkeit ohne wesentliche Einschränkungen wiederaufgenommen. Der Umsatzrückgang ist demnach vorübergehend geblieben. Dass ihre Liquiditätssituation auch heute noch angespannt wäre, trägt die Beklagte nicht vor. Dann ist es ihr aber auch zumutbar, die rückständige Miete nunmehr zu begleichen.

Landgericht Frankfurt/Main, Urteil vom 02.10.2020 – 2-15 O 23/20
ECLI:DE:LGFFM:2020:1002.2.15O23.20.00

  1. BGH, Urteil vom 19.12.2012 – VIII ZR 152/12 []
  2. BGH, Urteil vom 13.07.2011 – XII ZR 189/09 []
  3. LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020, 5 O 66/20 [] [] []
  4. BGH, Urteil vom 01.02.2012 – VIII ZR 307/10 []

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