Mit seiner Entscheidung vom 24.03.2004 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass, weist eine gemietete Wohnung eine Wohnfläche auf, die mehr als 10 % unter der im Mietvertrag angegebenen Fläche liegt, dieser Umstand grundsätzlich einen Mangel der Mietsache im Sinne des § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB darstellt, der den Mieter zur Minderung der Miete berechtigt1.
Gilt das immer und so pauschal?
Das Oberlandesgericht Dresden sieht dies in einer aktuellen Entscheidung eher differenziert.
Geklagt hatte der Vermieter aufgrund rückständiger Mietzahlungen, während der Mieter Mietminderung wegen einer zu geringen Mietfläche geltend machte.
Der Einwand der Beklagten, sie könne gegen den Anspruch des Klägers auf Zahlung rückständiger Miete gemäß § 535 Abs. 2 BGB bzw. Nutzungsentschädigung gemäß § 546a Abs. 1 BGB aufrechnen und habe ab dem Januar 2019 lediglich eine reduzierte Miete zu zahlen, weil die unrichtige Angabe der Mietfläche in den Verträgen vom 17. und 20.11.2017 einen Mangel des Mietobjekts darstelle und demzufolge zu einer Minderung der Miete nach § 536 Abs. 1 BGB führe, ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden unbegründet, wonach bei einer erheblichen Abweichung der tatsächlichen Mietfläche von der vertraglich vereinbarten Mietfläche zu Lasten des Mieters, für welche bei einer Flächenabweichung von mehr als 10 % eine tatsächliche Vermutung spreche, ein Mietmangel i.S.v. § 536 Abs. 1 BGB besteht, der zu einer entsprechenden Minderung der Miete führt.
Vergleicht man die in den Mietverträgen vom 17. und 20.11.2017 enthaltenen Angaben zur Mietfläche mit der tatsächlichen Mietfläche der vermieteten Räume, so liegt auch eine Abweichung zum Nachteil der Beklagten um mehr als 10 % vor.
Die genannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet allerdings nur dann Anwendung, wenn die Angabe der Mietfläche im Vertrag der vertraglichen Festlegung der Sollbeschaffenheit des Mietobjekts dient und nicht lediglich dessen Beschreibung2. Nur wenn die Flächenangabe im Mietvertrag Bestandteil des vom Vermieter zu erfüllenden Leistungsprogramms ist, kann die dahinter zurückbleibende tatsächliche Fläche zum Gewährleistungsrecht der Minderung führen. Ob die Angabe der Mietfläche im Vertrag die Sollbeschaffenheit vertraglich festlegen oder nur der Objektbeschreibung dienen soll, ist im Wege der Auslegung des Mietvertrages nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln3. Die Auslegung der Mietverträge vom 17. und 20.11.2017 nach §§ 133, 157 BGB ergibt nach Auffassung des Oberlandesgerichts Dresden, dass die darin enthaltenen Flächenangaben nicht zur Festlegung der Sollbeschaffenheit des Mietobjektes, sondern lediglich zu dessen Beschreibung dienen. Dies ergibt sich aus dem zwischen den Parteien unstrittigen Hergang des Vertragsschlusses, ohne dass es auf die zwischen den Parteien strittige Frage ankäme, ob die Beklagte vor dem Vertragsschluss Kenntnis vom Exposé der Wohnungsbörse E. hatte.
Der Abschluss des Mietvertrages zwischen den Parteien kam dadurch zustande, dass diese, nachdem die Beklagte im Anschluss an die Besichtigung des Objektes Interesse an der Anmietung signalisiert hatte, den ursprünglichen Mietvertrag vom 15./25.10.2017 unterzeichneten, welcher lediglich in Bezug auf eine Reduzierung der Miete für die Monate November und Dezember 2017 durch einen neuen Mietvertrag mit gleichem Datum ersetzt wurde. Dieser Mietvertrag vom 15./25.10.2017 enthielt (in beiden Fassungen) keine Flächenangaben, woraus ohne jeden Zweifel folgt, dass darin keine Mietflächengröße als vertragliche Sollbeschaffenheit vereinbart wurde. Die Parteien haben zwar den Mietvertrag vom 15./25.10.2017 durch die beiden Mietverträge vom 17. und 20.11.2017 ersetzt, welche zum einen das Mietverhältnis in zwei Mietverhältnisse über das Erd- und Untergeschoss einerseits und über das Obergeschoss andererseits aufspalteten und zum anderen jeweils Flächenangaben aufnahmen. Die Aufnahme der Flächenangaben erfolgte aber nicht zur Festlegung der Fläche des Mietobjektes, über welches bereits ein Vertrag ohne entsprechende Flächenangaben geschlossen worden war. Vielmehr wurden die Flächenangaben nur deshalb auf Wunsch der Beklagten in den Vertrag aufgenommen, weil Dritte, nämlich Krankenkassen und das Finanzamt, wünschten, dass das Mietobjekt, über welches sich die Parteien längst geeinigt hatten, im Wege einer Flächenangabe nachträglich hinsichtlich seiner Größe konkretisiert werden würde. Es handelte sich deshalb um eine das Objekt beschreibende Flächenangabe, nicht aber um eine vertragliche Vereinbarung zur Mietgröße, welche für die Parteien beim eigentlichen Vertragsschluss unerheblich war. Ziel der Aufnahme der Größe der Fläche des Mietobjektes in den bereits bestehenden Mietvertrag war also die nachträgliche Beschreibung des Mietobjektes in Form einer Flächenangabe, welche allerdings misslang, weil offenbar irrtümlich die falsche Flächengröße angegeben wurde. Ein vertragliches Versprechen des Klägers dahin, dass die angegebene Fläche tatsächlich erreicht werden würde (Sollbeschaffenheit), an das mit dem Gewährleistungsrecht der Miete angeschlossen werden könnte, war damit nicht verbunden. Ohne dass es darauf entscheidend ankäme, lässt sich zudem die Bedeutungslosigkeit der Flächenangabe für die Höhe der Miete auch daran ablesen, dass nach dem Text der Verträge vom 17. und 20.11.2017 die auf die Räume der beiden Mietverträge entfallende Kaltmiete gleich groß war, obwohl die Fläche der Räume im Unter- und Erdgeschoss nach der Flächenangabe im Vertrag doppelt so groß war wie die Fläche der Räume im Obergeschoss. Im Ergebnis kann deshalb die Beklagte keine Minderung der Miete auf die fehlerhafte Flächenangabe in den Verträgen vom 17. und 20.11. 2017 stützen. Es ist deshalb unerheblich, ob die Beklagte vor Vertragsschluss Kenntnis vom vorgelegten Exposé der Wohnungsbörse E. hatte.
Oberlandesgericht Dresden, Urteil vom 21.10.2020 – 5 U 1257/20
- BGH, Urteil vom 24.03.2004 – VIII ZR 295/03 [↩]
- Günter in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 536 BGB Rn. 142; BGH, Urteil vom 10.11.2010 – VIII ZR 306/09, NJW 2011, 220; OLG Rostock, Urteil vom 03.12.2001 – 3 U 153/00, NZM 2003, 25 [↩]
- Günter in Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Aufl., § 536 BGB Rn. 142 [↩]