Mietminderung wegen Legionellenbelastung des Trinkwassers

Das Landgericht Berlin ist in einer aktuellen Entscheidung zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Mietminderung um 10 % gerechtfertigt ist, wenn die Trinkwasserversorgungsanlage der Mietsache von Legionellen befallen ist und dadurch der technischen Maßnahmewert nach Anlage 3 Teil II der TrinkwV (100 KbE/100 ml) überschritten wird – einer konkreten Gesundheitsgefährdung bedarf es dabei nicht.

Worum ging es konkret?

In dem streitgegenständlichen Wohnobjekt wurde nach Trinkwasseruntersuchungen im Zeitraum von 2014 bis 2017 ein der klagenden Mieterin wiederholt mitgeteilter Legionellenbefall von bis zu maximal 3.700 kbE (koloniebildenden Einheiten/100 ml) festgestellt. Im Rahmen einer durch die beklagte Vermieterin beauftragten Gefährdungsanalyse wurden aufgrund Ende 2015 und Anfang 2016 entnommener Proben die Gefahrenquellen in den Wohnungen mit den Risikoklassen 4 (signifikant) bis 6 (hoch), an den außerhalb der Wohnung belegenen Leitungen mit bis zu der Risikoklasse 7 (sehr hoch) klassifiziert und konkrete Maßnahmen zur Behebung dieser Gefahrenquellen empfohlen.

Die Mieterin erhob – zuletzt – Klage auf Feststellung, dass die Bruttomiete um 10 % gemindert sei, da es sich um einen Mangel der Mietsache handele.

Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat die Klage abgewiesen. Ein Mangel liege nicht vor, da eine akute Gesundheitsgefährdung durch Legionellen im Trinkwasser auch nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne1.

Das sah das Landgericht Berlin auf Berufung der Klägerin nun anders.

Die Entscheidung:

Der Mietzins war in dem streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 536 Abs. 1 BGB um 10 % gemindert.

Für die Feststellung des Mangels der Mietsache, der eine lediglich 10 %ige Minderung rechtfertigt, kommt es nicht darauf an, ob die Nutzung der Wasserversorgung tatsächlich mit Sicherheit zu einer Gesundheitsgefährdung geführt hat, wie etwa bei der Überschreitung eines durch Richtlinien oder Verordnungen aufgestellten – für den Legionellenbefall nicht festgelegten – Grenzwertes, so das Landgericht Berlin. Vielmehr genügt, dass eine solche Gefährdung in dem nunmehr streitgegenständlichen Zeitraum nicht ausgeschlossen werden kann. Bereits die aufgrund der Feststellungen des Sachverständigen in dieser Zeit begründete Besorgnis einer nicht nur unerheblichen Gesundheitsgefahr führt zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Wohngebrauchs, wenn und weil sie nur in der Befürchtung der durch eine mit ihr in einer konkreten Beziehung stehenden Gefahrenquelle begründete Gefahrverwirklichung benutzt werden kann. Damit ist der ungestörte Gebrauch der Mietsache so lange beeinträchtigt, bis die Gesundheitsgefahr sicher behoben ist, ohne dass es aufgrund der bereits minderungsrelevanten latenten Gesundheitsgefahr eines tatsächlichen Schadenseintritts oder der Feststellung unmittelbar bevorstehender Schädigungen bedarf2.

Nach dieser Maßgabe steht zur Überzeugung des Landgerichts Berlin fest, dass die Wohnung der Klägerin jedenfalls im fraglichen Zeitraum mit einem Mangel behaftet war. Für eine begründete Gefahr durch Legionellenbelastung sprechen bereits die gemäß § 16 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 TrinkwV im Jahr 2016 durchgeführten Gefährdungsanalysen der X GmbH mit dem Ergebnis von Zuordnungen von Leitungen des Objekts, die auch die Wasserversorgung der Beklagten und nicht nur einzelne Wohnungen betreffen, zu den Risikoklassen 4 (signifikant) bis 6 (hoch) sowie die im Rahmen nachfolgender Untersuchungen wiederholt festgestellten und den Maßnahmewert um ein Vielfaches überschreitenden Werte mit einer mindestens mittleren Kontamination von bis zuletzt 3.700 KbE/100 ml. Die Annahme einer begründeten Gesundheitsgefahr findet ihre Bestätigung in der allgemeinen Aussage des Sachverständigen im Rahmen seiner mündlichen Anhörungen, wonach es zwar keinen durch wissenschaftliche Erkenntnisse belegten Grenzwert für die Unbedenklichkeit von Legionellenkonzentrationen gebe, die vorliegend festgestellten, den Maßnahmewert deutlich überschreitenden Werte jedoch bereits eine maßgebliche Gesundheitsgefährdung bewirken können, die weitergehend sogar bei einer den Maßnahmewert unterschreitenden Kontamination nicht ausgeschlossen sei, da auch eine geringe Konzentration eine vermeidbare Gesundheitsgefährdung begründen könne.

Davon ausgehend ist aufgrund der wiederholt festgestellten und nicht als gering einzustufenden Legionellenkonzentration unabhängig von der Wahrscheinlichkeit einer tatsächlichen Erkrankung der Klägerin von einer hinreichend begründeten und den Mietgebrauch beeinträchtigenden Gesundheitsgefährdung auszugehen, dem die Beklagte als Vermieterin durch Tätigwerden im Sinne der in der Gefährdungsanalyse benannten Maßnahmen zu begegnen hatte. Dass sie dem nachgekommen und die nach Maßgabe der obigen Ausführungen maßgebliche Gesundheitsgefahr innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums sicher behoben war, ist von der hierfür darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten weder konkret dargetan noch ersichtlich. Soweit die Beklagte auf von ihr im Jahr 2016 ergriffene technische Maßnahmen verweist, wird eine dadurch bewirkte endgültige und als sicher erscheinende Mangelbeseitigung bereits durch die ausweislich eines ihrer Schreibens erneut festgestellte Legionellenbelastung in einer die vorherigen Messwerte sogar überschreitenden Konzentration widerlegt.

Eine andauernde Minderung von 10 % erscheint vorliegend als angemessen. Dafür reichte es aus, dass seit 2014 wiederholt an verschiedenen Messstellen der Warmwasserversorgung eine den technischen Maßnahmewert bei weitem überschreitende Legionellenbelastung festgestellt worden ist. Die zur Begründung des Mangels hinreichende Gefahrbesorgnis wäre allenfalls dann entfallen, wenn die Beklagte die Klägerin ausdrücklich und durch signifikant von den Voruntersuchungen abweichenden Testergebnisse im Rahmen der angekündigten Folgeuntersuchungen des Trinkwassers entwarnt hätte3. An einer solchen Entwarnung fehlte es jedoch bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung. Soweit die Beklagte darauf verweist, die Klägerin würde nicht mehr in der streitbefangenen Wohnung wohnhaft sein, verfängt dies nicht. Denn für die Beurteilung eines Mangels i.S.d. § 536 BGB kommt es nicht darauf an, ob der Mieter in der Mietsache aufhältlich ist oder nicht4. Davon unabhängig ist der zuerkannte Minderungssatz selbst bei einem nicht in der Wohnung aufhältlichen und gesundheitlich nicht vorbelasteten Mieter gerechtfertigt, so das Landgericht Berlin abschliessend.

Landgericht Berlin, Urteil vom 17.06.2021 – 67 S 17/21
ECLI:DE:LGBE:2021:0617.67S17.21.00

  1. AG Berlin-Mitte, Urteil vom 08.12.2020 – 12 C 183/16 []
  2. OLG Hamm, Urteil vom 13.02.2002 – 30 U 20/01, NZM 2003, 395; BGH, Urteil vom 15.03.2006 – VIII ZR 74/05, NZM 2006, 504; LG Berlin, Urteil vom 21.12.2015 – 67 S 65/14, WuM 2016, 168; LG Stuttgart, Urteil vom 12.05.2015 – 26 O 286/14, ZMR 2015, 720 []
  3. Emmerich, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2021, § 536 Rz. 29 []
  4. KG Berlin, Urteil vom 10.03.2011 – 8 U 187/10, WuM 2012, 142 []

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