Das Gesetz (§ 556b Abs. 1 BGB) sieht für Mietzahlungen vor:
„Die Miete ist zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag der einzelnen Zeitabschnitte zu entrichten, nach denen sie bemessen ist.„
In Wohnraummietverträgen findet sich in der Regel die Klausel,
„Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes an.„
Hier hat der Bundesgerichtshof nun „dazwischengegrätscht“ und geurteilt:
„Gemäß § 556b Abs. 1 BGB, der bestimmt, dass die Miete zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag der vereinbarten Zeitabschnitte zu entrichten ist, kommt es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung im Überweisungsverkehr nicht darauf an, dass die Miete bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts auf dem Konto des Vermieters eingegangen ist. Es genügt, dass der Mieter – bei ausreichend gedecktem Konto – seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts erteilt.
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Wohnraummietvertrages, der bestimmt, dass die laufende Miete monatlich im Voraus, spätestens am dritten Werktag des Monats auf das Konto des Vermieters zu zahlen ist, ist die Klausel
„Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes an. Aus mehrfach verspäteter Mietzahlung kann der Mieter keine Rechte herleiten; vielmehr kann dies im Einzelfall ein Grund für eine Kündigung des Mietverhältnisses sein.“
gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung das Risiko einer durch Zahlungsdienstleister verursachten Verzögerung des Zahlungsvorgangs entgegen der gesetzlichen Regelung dem Mieter auferlegt.„
Hintergrund dieser Entscheidung war folgender:
Die Vermieterin ist einer in Köln gelegenen Wohnung. Der mit den Beklagten geschlossene Mietvertrag bestimmt unter § 4 („Zahlung der Miete“):
„1. Die Gesamtmiete […] ist monatlich im Voraus, spätestens am dritten Werktag des Monats an den Vermieter auf das Konto-Nr. […] Sparkasse K. -B. […] zu zahlen.
[…]
3. Für die Rechtzeitigkeit der Zahlung kommt es nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes an. Aus mehrfach verspäteter Mietzahlung kann der Mieter keine Rechte herleiten; vielmehr kann dies im Einzelfall ein Grund für eine Kündigung des Mietverhältnisses sein […].„
Mit Schreiben vom 23.08.2013 mahnte die Klägerin die Beklagten unter Hinweis darauf ab, dass die Miete in den Monaten Januar, Februar, März, Mai und Juli 2013 nicht bis zum dritten Werktag des Monats auf ihrem Konto eingegangen sei.
In den Monaten März, April und Mai 2014 zahlten die Beklagten die Miete spätestens am dritten Werktag des Monats in bar bei ihrem Zahlungsdienstleister (Deutsche Post AG) ein und erteilten gleichzeitig einen Überweisungsauftrag. Die Klägerin macht geltend, in den vorgenannten Monaten sei die Miete erneut nach dem dritten Werktag auf ihrem Konto eingegangen. Mit Anwaltsschreiben vom 06.05.2014, mit der Klageschrift sowie mit weiterem Schriftsatz kündigte sie das Mietverhältnis wegen verspäteter Mietzahlungen jeweils fristlos, hilfsweise fristgerecht.
Die Kündigung vom 09.07.2014 stützte die Klägerin zusätzlich darauf, dass die Beklagte zu 1 in einem gegen ihre Mutter gerichteten Parallelverfahren eine dem Mieterverein erteilte Vollmacht vom 02.06.2014 für einen Widerspruch gegen die Kündigung des Mietverhältnisses ihrer Mutter mit deren Namen unterzeichnet habe, ohne dies gegenüber der Klägerin offenzulegen.
Die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage hat beim Amtsgericht Köln1 und dem Landgericht Köln2 keinen Erfolg gehabt.
Mit der vom Landgericht Köln zugelassenen Revision verf
olgte die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Dies ohne Erfolg.
Die auf verspätete Mietzahlungen in den Monaten März, April und Mai 2014 gestützten fristlosen (§ 543 Abs. 1 BGB) sowie hilfsweise ordentlichen (§ 573 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) Kündigungen sind schon deshalb unwirksam, weil die Beklagten die Miete jeweils pünktlich spätestens am dritten Werktag des Monats gezahlt haben. Hierfür genügte es gemäß § 556b Abs. 1 BGB, dass sie die Leistungshandlung (Überweisungsauftrag) jeweils bis zu diesem Zeitpunkt vorgenommen haben; auf einen späteren Eingang der Miete auf dem Konto der Klägerin kommt es nicht an. Aus § 4 Nr. 3 des Mietvertrages, der für die Rechtzeitigkeit auf den Eingang der Miete beim Vermieter abstellt, ergibt sich nichts anderes. Diese Formularklausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung der Beklagten unwirksam, weil sie abweichend von § 556b Abs. 1 BGB dem Mieter das Risiko von Zahlungsverzögerungen im Überweisungsverkehr auferlegt, die durch Zahlungsdienstleister verursacht worden sind.
Gemäß § 556b Abs. 1 BGB, der durch das Gesetz zur Neugliederung, Vereinfachung und Reform des Mietrechts (Mietrechtsreformgesetz) vom 19.06.20013 zum 01.09.2001 eingefügt wurde, ist die Miete zu Beginn, spätestens bis zum dritten Werktag der einzelnen Zeitab-schnitte zu entrichten, nach denen sie bemessen ist. Dem entspricht § 4 Nr. 1 des Mietvertrags, wonach die Miete spätestens am dritten Werktag des Monats an den Vermieter zu zahlen ist4. Insoweit genügt es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung, dass der Mieter seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag (§ 675f Abs. 3 Satz 2, § 675n Abs. 1 BGB) für die Überweisung (Zahlungsdienst im Sinne von § 675c Abs. 3 BGB, § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b des Gesetzes über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten; Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz – ZAG) bis zum dritten Werktag des Monats erteilt und das Konto des Mieters ausreichend gedeckt ist. Dem haben die Beklagten unstreitig Rechnung getragen.
Schon dem Gesetzeswortlaut des § 556b Abs. 1 BGB lässt sich nicht zwingend entnehmen, dass eine im Überweisungsverkehr gezahlte Miete bereits am dritten Werktag des Monats auf dem Konto des Vermieters eingegan-gen sein muss. Der Begriff des Entrichtens ist nach allgemeinem Sprachgebrauch als Synonym für das Bezahlen eines Geldbetrages zu verstehen (siehe Deutsches Wörterbuch von J. und W. Grimm, Neubearbeitung 1999, Stichwort „entrichten“). Dass der juristische Sprachgebrauch hiervon abweicht, ist weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Entscheidend ist letztlich die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gekommene Zielsetzung des § 556b Abs. 1 BGB. Danach ist der Eingang der Miete auf dem Konto des Vermieters nicht maßgeblich für die Rechtzeitig-keit der Mietzahlung.
Bei der Schaffung der von der bisherigen Rechtslage (vgl. § 551 Abs. 1 BGB in der bis zum 31.08.2001 geltenden Fassung) abweichenden Regelung des § 556b Abs. 1 BGB ließ sich der Gesetzgeber von der Erwägung leiten, dass in der vertraglichen Praxis schon unter der Geltung des § 551 Abs. 1 BGB aF überwiegend eine Vorleistungspflicht des Mieters vereinbart, zugleich aber dem Mieter das Recht eingeräumt worden war, die Miete bis zum dritten Werktag des jeweils maßgeblichen Zeitabschnitts zu entrichten5. Der Gesetzgeber hat dabei jedoch nicht auf den Eingang der Miete beim Vermieter abgestellt, sondern als ausreichend erachtet, dass die Miete bis zum dritten Werktag des vereinbarten Zeitabschnitts „entrichtet“ wird. So heißt es ausdrücklich6:
„Da die meisten Verträge [….] vorsehen, dass es ausreicht, wenn der Mieter die Miete bis zum dritten Werktag des jeweiligen Zeitabschnittes entrichtet, wurde diese Frist entsprechend übernommen.„
Der Gesetzgeber des Mietrechtsreformgesetzes hat § 556b Abs. 1 BGB damit ersichtlich keinen von den Auslegungsregeln der § 269 Abs. 1, § 270 Abs. 1, 4 BGB abweichenden Regelungsgehalt zugemessen.
Nach diesen Bestimmungen ist die Mietschuld, wie andere Geldschulden, im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners zu erfüllen. Gemäß § 270 Abs. 1 BGB trägt der Schuldner grundsätzlich zwar die Verlustgefahr bei Geldleistun-gen, denn Geld hat der Schuldner im Zweifel auf seine Gefahr und Kosten dem Gläubiger an dessen Wohnsitz zu übermitteln. § 270 Abs. 1 BGB erfasst aber nicht die Gefahr, dass sich die Übermittlung des Geldes verzögert, denn der Ort der Leistungshandlung bleibt nach § 269 Abs. 1, § 270 Abs. 4 BGB der Wohnsitz des Schuldners. Der Schuldner muss zwar rechtzeitig alles getan haben, was seinerseits am Leistungsort erforderlich ist, um den Gläubiger zu befriedi-gen. Der Leistungserfolg – die Gutschrift des Überweisungsbetrages auf dem Empfängerkonto – gehört jedoch nicht mehr zur Leistungshandlung des Schuldners7. An dieser zutreffenden Einordnung ist entgegen der Auffassung der Revision festzuhalten, so der Bundesgerichtshof.
Somit hat der Schuldner für die Gefahr, dass sich die Übermittlung des Geldes verzögert, nicht einzustehen und werden die eingeschalteten Zahlungsdienstleister nicht als seine Erfüllungsgehilfen im Sinne von § 278 BGB tätig.
Anders als die Revision meint, ändern die Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.02.2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (Zahlungsverzugsrichtlinie, ABl. Nr. L 48 S. 1) und die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (nachfolgend: Gerichtshof) daran nichts.
Allerdings will eine in der Rechtsprechung der Instanzgerichte und im Schrifttum vertretene Ansicht, die sich die Revision zu eigen macht, aus der Zahlungsverzugsrichtlinie und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs herleiten, dass die Mietschuld als (modifizierte) Bringschuld anzuse-hen sei und die Wohnraummiete bis zum dritten Werktag des Monats bei der Bank des Vermieters eingegangen beziehungsweise auf seinem Konto gutgeschrieben sein müsse8. Nach einer ähnlichen Auffassung sei die Mietschuld zwar nach wie vor eine qualifizierte Schickschuld, jedoch müsse die Miete gleichwohl zum vereinbarten Zeitpunkt bei der Bank des Gläubigers eingehen9.
Diese Sichtweise beruht auf der Überlegung, dass Schulden von Verbrauchern aus Geschäften mit Unternehmern zur Vermeidung einer gespaltenen Auslegung des nationalen Rechts in richtlinienkonformer Auslegung der § 269 Abs. 1, § 270 Abs. 1, 4 BGB ebenso zu behandeln seien wie die von der Zahlungsverzugsrichtlinie erfassten Entgelte. Für die Rechtzeitigkeit der Leistung sei daher generell, also auch außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie, nicht mehr auf die Erbringung der Leistungshandlung, sondern auf den Erhalt der Leistung abzustellen.
Dies ist in mehrfacher Hinsicht – sowohl innerhalb als auch außerhalb des Geltungsbereichs der Zahlungsverzugsrichtlinie – verfehlt, so der Bundesgerichtshof.
Für den Anwendungsbereich der Zahlungsverzugsrichtlinie hat der Gerichtshof zwar entschieden, dass der Zeitpunkt, der für die Beurteilung maßgeblich ist, ob eine Zahlung durch eine Banküberweisung im Rahmen eines Geschäftsvorgangs als rechtzeitig bewirkt anzusehen ist, der Zeitpunkt ist, zu dem der geschuldete Betrag auf dem Konto des Gläubigers gutgeschrieben wird10.
Die Zahlungsverzugsrichtlinie begründet aber selbst innerhalb ihres Anwendungsbereichs keine Verzugsfolgen, wenn „der Schuldner für den Zahlungsverzug nicht verantwortlich ist“ (Art. 3 Abs. 1 Buchst. b Halbs. 2 der neu-gefassten Zahlungsverzugsrichtlinie; ebenso bereits Art. 3 Abs. 1 Buchst. c Un-terabs. ii Halbs. 2 der Vorgängerrichtlinie). Danach schließt die Richtlinie die von ihr erfassten Verzugsfolgen in den Fällen aus, in denen der Zahlungsverzug nicht die Folge des Verhaltens eines Schuldners sei, der den üblicherweise für die Durchführung einer Banküberweisung erforderlichen Fristen sorgfältig Rechnung getragen hat11. Daher darf der Schuldner auch nach der Zahlungsverzugsrichtlinie in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof nicht für Verzögerungen im Bereich der beteiligten Banken verantwortlich gemacht werden.
Unbeschadet dessen sind (Miet-)Verträge mit Verbrauchern bereits nicht Gegenstand der Zahlungsverzugsrichtlinie. Die Richtlinie, die nach ihrem Art. 1 Abs. 1 der Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr dient, um sicherzustellen, dass der Binnenmarkt reibungslos funktioniert, und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu fördern, ist gemäß Art. 1 Abs. 2 (lediglich) auf Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden. (Miet-)Verträge mit Verbrauchern unterfallen daher nicht dem Anwendungsbereich der Richtlinie. Eine Ausdehnung auf Verbraucher ist nach ihrer Zielsetzung auch nicht erwünscht, denn der Erwägungsgrund 8 der Richt-linie sieht vor, dass ihr Anwendungsbereich auf die als Entgelt für Handelsge-schäfte geleisteten Zahlungen beschränkt sein und keine Geschäfte mit Verbrauchern umfassen sollte.
Ein von dieser Vorgabe abweichender Wille des nationalen Gesetzgebers, die Zahlungsverzugsrichtlinie zu Lasten von Verbrauchern umzusetzen, ist weder bei der Umsetzung der ersten Zahlungsverzugsrichtlinie noch bei der neugefassten Zahlungsverzugsrichtlinie erkennbar geworden, so dass die Voraussetzungen einer richtli-nienkonformen Auslegung12 entgegen der Auffassung der Revision nicht gegeben sind.
Die Richtlinie 2000/35/EG zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr wurde durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.200113 umgesetzt. Der Umsetzungsbedarf wurde im Gesetzgebungsverfahren als „gering“14 beziehungsweise „äußerst gering“15 angesehen.
Hervorgehoben wurde, dass die Richtlinie nicht sämtliche Forderungen betrifft, sondern nach ihrem Art. 1 nur Ansprüche auf Zahlung eines (vereinbarten) Ent-gelts im Geschäftsverkehr und damit nur im Verhältnis von Unternehmern un-tereinander und von Unternehmern zu öffentlichen Stellen gilt.
Zwar sollte es – worauf die Revision hinweist – nach den Gesetzesmaterialien „Ziel des deutschen Gesetzgebers sein, im Interesse der Übersichtlich-keit und besseren Anwendbarkeit des deutschen Verzugsrechts und der Tradition folgend in möglichst weitgehendem Umfang für jedermann geltende Rege-lungen beizubehalten und von der Schaffung eines Sonderverzugsrechts abzusehen“. Dies belegt jedoch nicht, dass für den unternehmeri-schen Geschäftsverkehr getroffene Wertungen der Richtlinie ohne Weiteres zu Lasten von Verbrauchern umgesetzt werden sollten, zumal die Gesetzesmaterialien hervorheben, dass für Verbraucher und Unternehmer „in einzelnen Punkten differenzierende Regelungen notwendig“ seien.
Im Gesetzgebungsverfahren zur Umsetzung der Richtlinie 2011/7/EU ist besonders deutlich geworden, dass die Rechtsstellung von Verbrauchern nicht verschlechtert werden sollte.
Ein zur Vorbereitung eines Gesetzes zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr ergangener Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz (Bearbeitungsstand: 16. Januar 2012), der durch eine Änderung des § 270 Abs. 1 BGB erreichen wollte, dass es dem Schuldner obliege, für eine rechtzeitige Übermittlung zu sorgen, und der persönliche Anwendungsbereich der Vorschrift „bei der Ausweitung der Gefahrtragung aus Gründen der Einheitlichkeit nicht eingeschränkt werden“ sollte (S. 13 des Referentenentwurfs), ist nicht verwirklicht worden16. Die vorgenannten Erwägungen des Referentenentwurfs waren im Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht mehr enthalten17.
Die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämp-fung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr, der der Umsetzung der Richtlinie 2011/7/EU in deutsches Recht dient, geht davon aus, dass sich über die bereits vorgenommene Umsetzung kein weiterer Umsetzungsbedarf ergebe18, und hebt erneut hervor, dass Verbrauchergeschäfte nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst sind. Das Gesetz solle Verbrauchern zugutekommen, denn als Schuld-ner von Entgeltforderungen seien sie nicht betroffen; vielmehr hätten sie „keine zusätzliche Belastung durch die Umsetzung der Richtlinie zu erwarten“.
Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich eine unpünktliche Mietzahlung der Beklagten auch nicht aus der in § 4 Nr. 3 des Mietvertrags enthaltenen Bestimmung herleiten, wonach es für die Rechtzeitigkeit der Zahlung nicht auf die Absendung, sondern auf den Eingang des Geldes ankommt. Denn diese Formularklausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen unangemes-sener Benachteiligung der Beklagten unwirksam.
Die vorgenannte Klausel, die der Bundesgercihtshof selbst auslegen kann19, verlagert – jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung – das Risiko von Verzögerungen, die von Zahlungsdienstleistern zu verantworten sind, entgegen der gesetzlichen Regelung formularmäßig auf den Wohnraum-mieter.
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und red-lichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise be-teiligten Kreise verstanden werden20. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen21. Ansatzpunkt für die bei einer Formularklausel gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie ihr Wortlaut22.
Gemessen an diesem Maßstab kommen für die streitgegenständliche Klausel zwei Auslegungsmöglichkeiten in Betracht. Sie kann zum einen dahingehend verstanden werden, dass der Mieter für außerhalb seines Einflussbereichs liegende Fehler der beteiligten Zahlungsdienstleister nicht einzustehen hat.
Die Klausel eröffnet jedoch auch die Verständnismöglichkeit, der Mieter genüge seiner Verpflichtung zur rechtzeitigen Zahlung der Miete selbst dann nicht, wenn er seinem Zahlungsdienstleister den Zahlungsauftrag zwar rechtzeitig erteilt hat, der Zahlungsvorgang sich jedoch aufgrund eines Verschuldens des Zahlungsdienstleisters verzögert. Ein solches Klauselverständnis liegt ent-gegen der Ansicht der Revision nicht so fern, dass es für den durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Mieter einer Wohnung nicht ernsthaft in Be-tracht käme. Das Verständnis der streitgegenständlichen Klausel darf nicht al-lein auf die bloße „Rechtzeitigkeit der Zahlung“ (§ 4 Nr. 3 Satz 1 des Mietvertrages) beschränkt werden. Dagegen spricht bereits der nachfolgende Satz der Klauselbestimmung. Denn § 4 Nr. 3 Satz 2 des Mietvertrages weist darauf hin, dass eine mehrfach verspätete Mietzahlung im Einzelfall ein Grund für eine Kündigung des Mietverhältnisses sein kann. Dies umfasst unterschiedslos nicht nur verspätete Mietzahlungen, die vom Mieter zu vertreten sind, sondern auch solche, die von ihm nicht zu vertreten sind, also auch durch das Fehlverhalten von Zahlungsdienstleistern verursachte Verzögerungen.
Eine Einschränkung, die klarstellt, dass solche Verzögerungen vom Anwendungsbereich der Klausel ausgenommen sind23, enthält § 4 Nr. 3 des Mietvertrages nicht.
In ihrer kundenfeindlichsten Auslegung setzt die vorgenannte Klausel die Beklagten damit dem Risiko einer Kündigung des Mietverhältnisses auch bei von ihnen nicht zu verantwortenden Zahlungsverzögerungen aus.
In ihrer hiernach rechtlich maßgeblichen Auslegung ist § 4 Nr. 3 des Mietvertrages gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klauselbestim-mung benachteiligt den Mieter entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sie dem Vermieter eine Kündigung des Mietverhältnisses wegen verspäteter Mietzahlungen auch in Fällen ermöglicht, in denen die Verzögerung nicht vom Mieter, sondern von Zahlungsdienstleistern zu verantworten ist.
Ohne Erfolg verweist die Revision darauf, dass der Bundesgerichts-hof die Verwendung einer Formularklausel, nach der es für die Rechtzeitigkeit der Mietzahlung ohne jede Einschränkung auf den Geldeingang beim Vermieter ankommt, bei der Miete von Geschäftsräumen gebilligt hat. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 24.06.199824 halte eine solche Rechtzeitigkeitsklausel der Inhaltskontrolle stand, wenn sie sich auf die Zahlung der laufenden Miete beziehe und die Parteien zudem Kaufleute seien; eine solche Klausel bedeute gemessen an den Bedürfnissen des modernen Zahlungsverkehrs keine unangemessene Benachteiligung des Mieters.
Diese – ausdrücklich auf Kaufleute begrenzte – Bewertung ist auf Wohn-raummietverhältnisse nicht übertragbar. Angesichts der schwerwiegenden Nachteile, die der Mieter im Fall des (unverschuldeten) Verlustes der Wohnung als seines räumlichen Lebensmittelpunktes zu erwarten hat25, hat der Vermieter kein schutzwürdiges Interesse, den Mieter für Zahlungsverzögerungen verantwortlich zu machen, die auf Fehlleistungen eingeschalteter Zahlungsdienstleister beruhen.
Entgegen der Ansicht der Revision ändern die zum 31.10.2009 in Kraft getretenen Bestimmungen des Zahlungsverkehrsrechts (§§ 675c ff. BGB) daran nichts. Zwar dürfen sich Zahlungsdienstnutzer gemäß §§ 675s, 675t BGB in aller Regel auf kurze Ausführungsfristen für Zahlungsvorgänge einstellen und können sich bei nicht erfolgter oder fehlerhafter Ausführung von Zahlungsaufträgen auf besondere Haftungsbestimmungen berufen (§§ 675y, 675z BGB26). Eine etwaige Haftung des Zahlungsdienstleisters gegenüber dem Zahlungsdienstnutzer ändert jedoch entgegen der Ansicht der Revision nichts an der Unwirksamkeit der von der Klägerin verwendeten Formularbestimmung. Es ist unzumutbar, den Mieter auf einen Geldanspruch gegen seine Bank, der unter Umständen erst in einem Rechtsstreit durchzusetzen ist, zu verweisen, denn dies vermag nicht annähernd die Folgen auszugleichen, die dem Mieter durch den Verlust der Wohnung als seines Lebensmittelpunktes erwachsen.
Ebenfalls rechtsfehlerfrei hat das Landgericht Köln nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Wirksamkeit der Kündigung von 09.07.2014 auch insoweit verneint, als sie auf die von der Beklagten zu 1 in einem Parallelverfahren verwendete Unterschrift ihrer Mutter unter einer dem Mieterverein erteilten Vollmacht gestützt worden ist. Nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts hat eine etwaige Vertragsverletzung der Beklagten zu 1 im Zusammenhang mit dem Kündigungswiderspruch nicht das für eine Kündigung des Mietverhältnisses der Beklagten erforderliche Gewicht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 05.10.2016 – VIII ZR 222/15
Anmerkung: Auch diese Entscheidung zeigt wieder, dass die Herrschaften beim Bundesgerichtshof sich in ihrem Elfenbeinturm befinden: Was macht denn der private Vermieter? Wann soll denn die Miete eingehen? Zu der Miete gehören auch die Betriebskosten. Der Vermieter kann dem – z.B. – Gasversorger für die Heizung nicht sagen, dass noch nicht der „dritte“ ist und er schon überwiesen habe… Der Mieter kann ggfls. aber schon mindern… Natürlich kann man sich dann ggfls. an Banken schadlos halten – aber mit welchem Aufwand?
- AG Köln, Urteil vom 28.08.2014 – 209 C 209/14 [↩]
- LG Köln, Urteil vom 17.09.2015 – 1 S 282/14 [↩]
- BGBl. I S. 1149 [↩]
- zu einer gleichlautenden Klausel siehe BGH, Urteil vom 13.07.2010 – VIII ZR 291/09 [↩]
- BT-Drs. 14/4553; BGH, Urteil vom 13.07.2010 – VIII ZR 129/09 [↩]
- BT-Drs. 14/4553 [↩]
- BGH, Urteile vom 15.04.1959 – V ZR 21/58; vom 05.12.1963 – II ZR 219/62; vom 07.10.1965 – II ZR 120/63; vom 21.01.1969 – IV ZR 545/68; vom 20.11.1970 – IV ZR 58/69; vom 11.02.1998 – VIII ZR 287/97; vom 07.12.2004 – XI ZR 366/03 [↩]
- etwa LG Freiburg, Urteil vom 28.04.2015 – 9 S 109/14; LG Lüneburg, Urteil vom 09.04.2014 – 6 S 10/14; LG Wuppertal, Beschluss vom 20.06.2011 – 9 S 149/08; Herresthal, NZM 2011, 833, 838; Staudinger/Weitemeyer, BGB, Neubearb. 2014, § 556b Rn. 14; Palandt/Weidenkaff, BGB, 75. Aufl., § 556b Rn. 4 [↩]
- MünchKommBGB/Häublein, § 535 Rn. 155; MünchKommBGB/Artz, § 556b Rn. 6 [↩]
- EuGH, Urteil vom 03.04.2008 – C-306/06, Slg. 2008, I-1923 Rn. 28 – 01051 Telecom GmbH/Deutsche Telekom AG [↩]
- EuGH, Urteil vom 03.04.2008 – C-306/06 [↩]
- BGH, Urteile vom 28.10.2015 – VIII ZR 158/11; vom 28.10.2015 – VIII ZR 13/12; vom 17.10.2012 – VIII ZR 226/11; vom 26.11.2008 – VIII ZR 200/05 [↩]
- BGBl. I S. 3138 [↩]
- BT-Drs. 14/6040, S. 81 [↩]
- BT-Drucks, 14/6040, S. 82 [↩]
- kritisch zu der dort vorgesehenen Verlage-rung des Verzögerungsrisikos auf den Schuldner: Ernst, ZIP 2012, 751, unter Hinweis auf die Folgen für Verbraucher, insbesondere Wohnungsmieter [↩]
- vgl. BR-Drs. 306/12 vom 25.05.2012; BT-Drucks. 17/10491 vom 15.08.2012 [↩]
- BT-Drs. 18/1309, S. 9 f. [↩]
- BGH, Urteile vom 29.04.2015 – VIII ZR 104/14; vom 15.12.2015 – VIII ZR 349/14; vom 18.02.2016 – III ZR 126/15 [↩]
- BGH, Urteile vom 09.04.2014 – VIII ZR 404/12; vom 29.06.2016 – VIII ZR 191/15 [↩]
- BGH, Uteile vom 09.04.2014 – VIII ZR 404/12; vom 20.01.2016 – VIII ZR 152/15 [↩]
- BGH Urteile vom 17.04.2013 – VIII ZR 225/12; vom 20.01.2016 – VIII ZR 152/15 [↩]
- Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl., § 556b BGB Rn. 20; Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl., Rn. II 214; Bub in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 4. Aufl., Kap. II Rn. 1128 f.; BeckOGK-BGB/Drager, Stand: Juli 2016, § 556b Rn. 22 f.; Schmidt-Futterer/Langenberg, Mietrecht, 12. Aufl., § 556b BGB Rn. 11, unter Hinweis auf § 3 Abs. 2 Satz 2 des vom Bundesministerium der Justiz herausgegebenen Mustermietvertrags 1976, Fassung I [Beila-ge zum Bundesanzeiger Nr. 22/76] [↩]
- BGH, Urteil vom 24.06.1998 – XII ZR 195/96 [↩]
- BGH Urteil vom 04.11.2015 – VIII ZR 217/14 [↩]
- siehe dazu BT-Drs. 16/11643, S. 116 ff.; Mayen in
Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 49 Rn. 45 ff. [↩]