Einer Inanspruchnahme aus Tierhalterhaftung liegt mitnichten immer nur zugrunde, dass ein Hund einen Artgenossen oder einen Menschen beißt, was anschaulich eine aktuelle Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts zeigt:
In dem entschiedenen Fall ging es um Pferdehalterinnen, die beide ihre Pferde in dem Stall A. in H. eingestellt hatten. Das Pferd wies später Verletzungen auf, wofür die Klägerin Schadenersatz von der anderen Pferdehalterin verlangte.
Der entschiedene Fall beruht auf folgendem Vorfall:
Der Stallbetreiber brachte wie an anderen Tagen an diesem Tag insgesamt 14 Pferde, darunter auch die Pferde der Parteien, auf das unbeobachtete Paddock, einen eingezäunten Sand- und Grasplatz, auf dem sich die Pferde üblicherweise bis gegen 17.00 Uhr aufhielten. Um diese Zeit wurden nacheinander jeweils 2 Pferde von Helfern des Stallbetreibers durch das etwa 10 m breite Tor zu den Boxen geführt, Z-Felicitas, die Stute der Klägerin, zum blau markierten Eingang des Boxengebäudes.
Als die Pferde am Abend wie gewöhnlich in den Stall geholt wurden, lahmte Z-Felicitas; die später hinzukommende Klägerin stellte eine etwa 3 cm lange, leicht blutende Wunde fest, die sie versorgte, ohne sich jedoch zunächst weitere Gedanken zu machen. Über Nacht traten starke Schwellungen auf. Eine tierärztliche Untersuchung am 14.04.2013 ergab erhebliche Verletzungen am rechten hinteren Bein der Stute der Klägerin.
Ein Attest der „Tierärztlichen Klinik für Pferde Dr. B.“ vom 17.06.2015 weist aus, dass die Stute der Klägerin dort aufgrund einer Schlagverletzung an der Innenseite des rechten Hinterbeines am 14.04.2013 vorgestellt wurde. Eine röntgenologisch und sonographische Untersuchung habe eine Griffelbeinfraktur des medialen Griffelbeins hinten rechts ergeben. Mit Hilfe der Bildgebung konnten mehrere dislozierte Frakturfragmente sowie eine Längsfissur des proximalen Griffelbeins ohne Dislokation dargestellt werden.
Die Klägerin macht als Schadensersatz im Wesentlichen Kosten in Höhe von 4.118,23 € sowie eine Wertminderung in Höhe von 7.000,00 € geltend.
Die Klägerin hat behauptet, ihre Stute sei am Unfalltag zwischen 16:00 und 18:00 Uhr von einem der 13 anderen Pferde auf der Weide getreten worden. Die Herde sei kurz vor dem Reinholen gegen 17:00 Uhr in Unruhe geraten. Um diese Uhrzeit sei die Fütterung regelmäßig erfolgt, während es in der Außenanlage keine Futtermöglichkeiten gab. Dementsprechend hätten sich die Tiere in einem festen Herdenverband bewegt, so dass theoretisch die Tiergefahr, die von jedem Tier ausging, den Schaden des klägerischen Pferdes hätte verursachen können.
Die Beklagte hat ihren Klagabweisungsantrag damit begründet, dass ihrer Ansicht nach das bloße „Dabeisein“ ihres Pferdes eine mitschuldnerische Haftung aus § 830 BGB nicht begründen könne. Vielmehr müsse das Pferd des haftenden Tierhalters sich im Sinne „eines von mehreren beteiligten Tätern“ verhalten haben. Dazu habe die Klägerin aber nichts vorgetragen.
Das Landgericht Kiel1 hat die Klage vollständig abgewiesen. Es fehle bereits an einem anspruchsbegründenden Verhalten des Pferdes der Beklagten. Dieses komme zwar als potenzieller Schädiger in Betracht. Das reiche für eine Anspruchsbegründung nicht aus, vielmehr sei der Nachweis eines konkreten Verhaltens erforderlich, das zumindest geeignet sein müsse, den geltend gemachten Schaden zu verursachen. Beteiligt im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB seien – unter Menschen – nur Personen, deren Gefährdungshandlungen räumlich und zeitlich mit der Schädigung einen tatsächlich zusammenhängenden einheitlichen Lebensvorgang bildeten. Demgegenüber scheide eine Anwendung dieser Beweiserleichterung aus, wenn zweifelhaft sei, ob der in Anspruch Genommene unerlaubt und mit Verletzungseignung in die Schutzsphäre des Betroffenen eingegriffen habe.
Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Es ist schon nicht gesichert, so das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht, dass die Verletzungen der klägerischen Stute tatsächlich durch einen Pferdetritt verursacht worden sind
Hiervon wie aber auch vom Unfallhergang, der zu einer Verletzung des Pferdes geführt hat, selbst hat sich das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht keine klaren Vorstellungen bilden können, insbesondere nicht mit der notwendigen Sicherheit dahin, dass gerade das Pferd der Beklagten an einer Auseinandersetzung mit anderen Pferden oder bloß einem unfallträchtigen Geschehen beteiligt war. Der demnach verbleibende Umstand der bloßen Anwesenheit unter einer Mehrheit von Pferden, unter denen es zu nicht näher zu beschreibenden Schwierigkeiten gekommen ist, reicht als Anknüpfungspunkt für eine gesamtschuldnerische Haftung aber nicht aus. Insoweit hat sich vielmehr zugleich das Beweisrisiko verwirklicht, dass die Klägerin durch die unbeaufsichtigte gemeinsame Haltung der Tiere eingegangen ist, so dass eine Haftung auch unter dem Gesichtspunkt eines Handelns auf eigene Gefahr ausgeschlossen erscheint.
Es steht bereits nicht fest, ob die Verletzung der klägerischen Stute durch einen Tritt oder sonstige Einwirkungen eines anderen Pferdes verursacht worden sind. Zwar spricht das aus dem in Bezug genommenen Attest ersichtliche Verletzungsbild mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit für einen Tritt. Und auch die Überlegung der Klägerin, dass es sich dabei um ein beschlagenes Pferd hätte handeln können, so dass von den 14 anwesenden Pferden nur ernsthaft zwei in Betracht kämen, entbehrt nicht einer gewissen Logik. Allerdings ist bereits hier festzuhalten, dass – was unmittelbar einleuchtet – je nach Intensität auch der Tritt eines nicht beschlagenen Pferdes die Verletzung hätte verursachen können. Darüber hinaus haben weder die Parteien noch sonstige Zeugen ein schädigendes Verhalten des Pferdes der Klägerin oder eines anderen Pferdes wahrnehmen können, so dass auch die Möglichkeit offen bleibt, dass sich das Pferd der Klägerin selbst verletzt hat. Der Umstand einer etwa 3 cm langen Riss- oder Schnittwunde trägt zu einer näheren Aufklärung nichts bei. Der Senat muss die Frage nach den Ursachen der Verletzung auch allerdings nicht abschließend beantworten, weil schon aus den nachfolgenden Gründen eine Haftung der Beklagten nicht in Betracht kommt.
So kann sich das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht nach dem wechselseitigen Parteivortrag auch kein Vorstellungsbild vom – einer denkbaren Verletzung vorangegangenen – Unfallhergang machen. Die klägerische Darstellung, dass es gegen Ende des Nachmittages und kurz vor dem Zurückbringen in die Boxen und der damit verbundenen Fütterungen zur Unruhe innerhalb der Menge von 14 Pferden gekommen ist, entbehrt zwar wiederum nicht einer gewissen Plausibilität. Wie allerdings diese Unruhe ausgesehen haben mag und vor allem, ob das Pferd der Beklagten sich auch bloß in der Nähe befand oder sich möglicherweise abseits aufhielt, ist weder erkennbar, noch können die Parteien dazu Angaben machen, weil das eigentliche Geschehen nicht beobachtet worden ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Zeugen R. und B. S., ebenfalls Einsteller im Pferdestall, ihr mitgeteilt haben, dass es vor dem Eintreffen der Klägerin Schwierigkeiten unter den Pferden („einen gewissen Trouble“) gegeben habe, infolge dessen auch ein Pony zu Boden gegangen sein soll. Denn auch danach kann die Klägerin nicht behaupten, was sie redlicherweise allerdings auch nicht tut, dass diese Zeugen eine Beteiligung oder auch nur die Nähe des Pferdes der Beklagten zu diesen Schwierigkeiten beobachtet hätten. Demnach bleibt nicht nur die unmittelbare Beteiligung des Pferdes der Beklagten offen, sondern auch bereits, wo sich dieses zum Zeitpunkt einer nicht näher zu beschreibenden Auseinandersetzung zwischen Pferden befunden haben könnte. Nicht ausgeschlossen werden kann damit auch die Möglichkeit, dass sich das klägerische Pferd seine Verletzung durch eine Auseinandersetzung zu einem früheren Zeitpunkt mit einem anderen der auf der Weide befindlichen Pferde oder, wenn auch weniger wahrscheinlich, selbst beigefügt haben könnte.
Bleibt mithin als tatsächlicher Anknüpfungspunkt einer Haftung der Beklagten nur die Anwesenheit ihres Pferdes in einer Menge von insgesamt 14 Pferden bei im Übrigen unklarem Handlungsablauf, reicht dies zur Begründung einer gesamtschuldnerischen Tierhalterhaftung gegen einen der übrigen Tierhalter nach §§ 833, 830 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht aus. Vielmehr muss und mit Blick auf den Wortlaut letztgenannter Norm „einer von mehreren beteiligten Tätern“ bzw. „..wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat“ ein näher zu beschreibendes tatsächliches und gefahrerhöhendes Verhalten verlangt werden.
Der Pferdehalter, ebenso wie der Kraftfahrzeughalter, kann Beteiligter im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB sein2. Ausdrücklich gilt dies auch für die Gefährdungshaftung des Tierhalters gemäß § 833 Satz 1 BGB.
Die Vorschrift dient der Überwindung der Beweisschwierigkeiten des Geschädigten, dessen Ersatzanspruch nicht daran scheitern soll, dass nicht mit voller Sicherheit festgestellt werden kann, wer von mehreren Beteiligten („Täter“), deren Handlung jede für sich geeignet war, den Schaden zu verursachen, der eigentliche Schädiger gewesen ist.
Auch wenn es sich der Sache nach um eine unerlaubte Handlung handeln muss, ist Anknüpfungspunkt nicht unbedingt menschliches Verhalten als solches; vielmehr kann auch das Halten eines Tieres die den Schaden verursachende Handlung sein2. Demnach scheint eine Haftung nicht grundsätzlich ausgeschlossen.
Zu beachten ist aber, dass das „Beteiligtsein“ im Sinne von § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB Mitwirkung bei der Tätigkeit bedeutet, welche zunächst nur eine Gefährdung hervor ruft, aber in ihrer weiteren Entwicklung zu der den Schaden unmittelbar bewirkenden Handlung geführt hat. Es muss eine objektiv gemeinsame Gefährdung vorliegen2. In welcher Weise das Pferd der Beklagten vorliegend – und wenn auch nur im Sinne einer natürlichen, artgemäßen Handlung – mitgewirkt haben soll, bleibt unklar. Auch bleibt offen, in welcher über die bloße Anwesenheit hinausgehenden Weise alle anderen Tiere das Pferd der Klägerin gefährdet haben könnten.
Beteiligt im Sinne des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB sind, bezogen auf menschliches Verhalten, nur Personen, deren Gefährdungshandlungen, sei es auch zeitlich aufeinander folgend, sachlich, räumlich und zeitlich mit der Schädigung einen tatsächlich zusammenhängenden einheitlichen Vorgang bilden, d. h. nach der Anschauung des täglichen Lebens aufgrund der Umstände des konkreten Falles als dessen Teil erscheinen; auch bei großzügiger Betrachtung überbrückt die Norm damit nicht Zweifel, ob der in Anspruch Genommene überhaupt unerlaubt und mit Verletzungsneigung in die Schutzsphäre des Betroffenen eingegriffen hat. Vielmehr muss die Beteiligung des in Anspruch Genommenen feststehen.
An einem derart zu beschreibenden sachlich, räumlich und zeitlich mit der Schädigung zusammenhängenden Vorgang fehlt es hier. Auch wenn man vorliegend als Anknüpfungspunkt das Halten eines Pferdes wählen will, müsste doch dessen natürliches Verhalten in Bezug auf das geschädigte Rechtsgut erkennbar sein. Selbst nach der Schilderung der Klägerin sind aber keine über die bloße Anwesenheit auf dem Paddock hinausgehenden konkreten Anhaltspunkte für ein Verhalten des Pferdes der Beklagten, auch nicht die Beteiligung an der „Unruhesituation“, zu erkennen.
Die bloße Anwesenheit von mehreren Tieren am Ort eines Verletzungsgeschehens allein vermag aber auch nach dem Sinn und Zweck der Haftungsnormen noch keine Haftung zu begründen:
Die Zurechnungsnorm des § 830 Abs. S 2 BGB, über die allein hier eine Haftung der Beklagten zu begründen wäre, will nämlich die Beweislage desjenigen erleichtern, der als Dritter einen Schaden erlitten hat, für den mehrere, im Einzelnen aber nicht feststellbare Schädiger verantwortlich sein können. Hier hingegen stellt sich die Frage der Haftung mehrerer potenzieller Schädiger untereinander, das Pferd der Beklagten war gerade nicht unbeteiligter Dritter. Folgendes Beispiel mag die sich hieraus ergebenden Zweifel illustrieren:
Befänden sich etwa 14 Kraftfahrzeuge auf einem abgeschlossenen Parkplatz und hätte am Ende des Tages ein Fahrzeug Beschädigungen, deren Ursache nicht zu ermitteln ist, wäre selbst unter dem Gesichtspunkt einer Gefährdungshaftung kaum hinnehmbar, dass sich der Kläger den Halter eines „herumstehenden“ Fahrzeuges als Schädiger herausnehmen könnte.
Soweit ersichtlich, liegt dementsprechend auch allen Entscheidungen, in denen die Haftung des Tierhalters eines von mehreren denkbar schädigenden Tieren bejaht wurde, zugrunde, dass der Schaden einem unbeteiligten Dritten zugefügt wurde3. Zwar führt letztgenanntes Urteil aus, § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB sei auch dann anwendbar, wenn sich nur bei einem Tier die Tiergefahr konkret schadensverursachend verwirklicht hat, es sich aber nicht mehr feststellen lässt, bei welchem von mehreren verschiedenen Haltern zuzuordnenden Tieren. Dies gelte jedenfalls dann, wenn dieses Tier zu einer gemeinsamen Herde von Tieren verschiedener Halter gehöre, die sich in einem gemeinsamen Pferch befindet oder anderweitig einer einheitlichen und gemeinsamen Überwachung unterliegt. Diese Überlegungen führen hier aber nicht weiter, denn auch diese Entscheidung geht ausdrücklich davon aus, das anspruchsbegründende Verhalten der Halter bestehe in der Haltung der Schafe in der konkreten Situation, mit der sie Dritte der von einem Tier ausgehenden, nur unzulänglich beherrschbaren Gefahr aussetzten4.
Selbstverständlich ist nach dem Wortlaut der Normen die Haftung eines Tierhalters für die Verletzung eines anderen Tieres nicht ausgeschlossen, sondern kommt vielmehr in der Praxis der Gerichte vielfach zur Anwendung. Voraussetzung ist jedoch immer ein feststellbares tierisches Verhalten im Sinne einer Handlung gegen das geschützte Rechtsgut oder zumindest ein mit dem Schadenseintritt tatsächlich in Zusammenhang stehender Vorgang, an dessen Feststellung es hier, wie dargestellt, fehlt.
Über diese Erwägungen hinaus scheitert eine Haftung der Beklagten aber auch nach den Grundsätzen des „Handelns auf eigene Gefahr“ zu Lasten der Klägerin.
Denn wenn sich, wie hier, aus tatsächlichen Gründen kein schädigendes Verhalten des in Anspruch genommenen Pferdes bzw. seines Halters oder eines anderen Pferdes feststellen lässt, hat sich gerade eines derjenigen Risiken verwirklicht, welches die Klägerin durch die gemeinsame unbeaufsichtigte Unterbringung mit 13 anderen Pferden und die daraus folgende erschwerte Beweislage eingegangen ist.
Das Oberlandesgericht Köln5 hat bei einem vergleichbaren Sachverhalt – das Pferd der Klägerin war in einer Gruppe mit drei anderen Pferden in einem Paddock untergebracht und hatte Verletzungen offenbar durch einen Huftritt erlitten, dessen Verursacher sich nicht feststellen ließ – eine Haftung der Halterin ausgeschlossen und ausgeführt:
„… Denn selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die Verletzung ihres Pferdes auf dem Tritt eines anderen, zur Gruppe gehörenden Tieres zurückgeht, kann die Klage keinen Erfolg haben.
Zwar liegt ein die Haftung ausschließendes Handeln auf eigene Gefahr nicht schon immer dann vor, wenn der Geschädigte seine Rechtsgüter bewusst und freiwillig der gewöhnlichen Tiergefahr ausgesetzt hat. Jedoch scheidet eine Haftung aus, wenn das Verhalten des Geschädigten selbstwidersprüchlich erscheint, weil er dasjenige Risiko übernommen hat, das sich im Schaden verwirklicht hat6.
Eben das ist hier der Fall gewesen. Denn nach dem Vorbringen der Klägerin selbst …. nimmt derjenige Pferdehalter, der sein Pferd gemeinsam mit anderen Pferden in einer räumlich so begrenzten Offenstallanlage unterbringt, wie das hier der Fall gewesen ist, ständige Interaktionen der zur Gruppe gehörende Tiere in Kauf. Dazu gehören auch die in gewissem Umfang unvermeidlichen Auseinandersetzungen um die Rangordnung der Pferde in der Gruppe und die damit verbundenen Drohgebärden, Bisse und Tritte. Wer als Pferdehalter sein Tier in eine Gruppe von offen gehaltenen Pferden gibt, weiß um das gewöhnliche und mit der artgerechten Gruppenhaltung in gewissem Umfang untrennbar verbundene Risiko körperlicher Auseinandersetzungen der Tiere sowie der damit verbundenen, mehr oder weniger gravierenden Verletzungen. Wer sein Pferd dennoch mit Rücksicht etwa auf Fragen artgerechter Haltung so hält, gibt durch sein Verhalten zu verstehen, dass er das entsprechende Risiko im wohlverstandenen Interesse des Tieres zurückstellt. Das gilt insbesondere dann, wenn der für die Haltung zur Verfügung stehende Raum – wie hier – recht begrenzt ist und den Tieren nur wenig Ausweichmöglichkeit bietet (vgl. Lichtbilder und Skizze der Anlage, Bl. 89 f. GA). Klar ist ferner, dass ein räumlich eng begrenzter Paddock (ca. 250 qm) mit einem erhöhten Verletzungsrisiko nicht nur im Zuge von Auseinandersetzungen verbunden ist, sondern auch in Zusammenhang mit dem gewöhnlichen Auslaufverhalten von Pferden. Denn auf eng begrenztem Raum ist es den Tieren nur schwer möglich, bei rascher Bewegung nicht in den Interaktionsbereich eines anderen Pferdes zu gelangen und in jeder Situation mehr oder weniger verletzungsträchtige Körperkontakte zu vermeiden. Eine Inanspruchnahme der Halter der übrigen zur Gruppe gehörenden Pferde wegen einer Verletzung des eigenen Pferdes, die auf kaum vermeidbaren Interaktionen und Auseinandersetzungen der Tiere oder auf einem als artgerecht grundsätzlich gewünschten Auslaufverhalten der Tiere beruht, setzt sich insbesondere dann mit der eigenen Entscheidung für eine Haltung des Pferdes in einer Gruppe von Tieren in Widerspruch, wenn die Haltung – wie hier in einer mit Rücksicht auf die Anzahl der zur Gruppe gehörenden Tiere räumlich eng begrenzten Anlage geschieht.
So steht eine Haftung der Beklagten im Hinblick auf die Umstände des konkreten Falles der unter § 254 BGB zu subsumierende Gesichtspunkt des Handelns auf eigene Gefahr entgegen. … .“
Dem will das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zwar nicht in vollem Umfang folgen, denn mit dieser Argumentation wäre eine Haftung des Pferdehalters selbst dann ausgeschlossen, wenn feststünde, dass sein Pferd den Schaden verursacht hätte. Die Inkaufnahme des Risikos eines derartig haftungsfreien Raumes dürfte aber mit dem Parteiwillen zumeist nicht mehr vereinbar sein.
Näher liegt vielmehr, so das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht, je nach Sachlage, eine Beschränkung der Risikoübernahme auf den Fall, dass alle Versuche erfolglos bleiben, den tatsächlichen Unfallverlauf aufzuklären: das Handeln auf eigenes Risiko, das in der wenigstens zeitweise unbeaufsichtigten gemeinsamen Unterbringung der Pferde besteht, richtet sich dann nicht allein auf das natürliche Verhalten der Tiere als Bezugspunkt. Es umfasst darüber hinaus vielmehr gerade die durch diese Art der Unterbringung naturgemäß entstehenden Beweisschwierigkeiten. Wer aus Gründen der artgerechten Haltung oder aus Kostengründen sein Pferd gemeinsam unterbringt und dabei auf eine dauernde Beaufsichtigung verzichtet, nimmt damit nach Ansicht des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts das Risiko auf sich, eine konkrete Schadensverursachung und -zurechnung nicht nachweisen zu können.
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgerich, Urteil vom 16.12.2016 – 17 U 52/16
- LG Kiel, Urteil vom 13.05.2016 – 11 O 271/15 [↩]
- BGH, Urteil vom 15.12.1970 – VI ZR 121/69 [↩] [↩] [↩]
- BGH, Urteile vom 15.12.1970 – VI ZR 121/69; vom 27.01.2015 – VI ZR 467/13; OLG Koblenz, Urteil vom 10.05.2012 – 2 U 573/09; OLG München, Urteil vom 19.04.2012 – 14 U 268/11 [↩]
- OLG München, Urteil vom 19.04.2012 – 14 U 268/11 [↩]
- OLG Köln, Beschluss vom 10.12.2013 – 18 U 98/13 [↩]
- BGH, Urteil vom 12.01.1982 – VI ZR 188/80 [↩]