Im Vorfeld von Mitgliederversammlungen sind verschiedene Dinge vorzubereiten und zu beachten. Hierzu gehört auch die ordnungsgemäße Einberufung einer Mitgliederversammlung.
Das Oberlandesgericht Hamm hatte nun über einen Fall zu entscheiden, in dem die Einladung per E-Mail erfolgte. Das Amtsgericht Essen sah diese Einladung nicht als ordnungsgemäß an und wollte daher auf dieser Mitgliederversammlung beschlossene Satzungsänderungen nicht in das Vereinsregister eintragen.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vereins hatte beim Oberlandesgericht Hamm Erfolg.
Die Einladung von Mitgliedern mittels E-Mail begegnet nach Auffassung des Oberlandesgerichts vorliegend keinen Bedenken. Die Wirksamkeit der in der Mitgliederversammlung gefassten Beschlüsse steht hierdurch nicht in Frage.
Das Oberlandesgericht Hamm nimmt in seiner Entscheidung inhaltlich vollständig auf die nachfolgend zitierten Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamburg im Beschluss vom 06.05.20131 Bezug. Hiernach eröffnet die in einer Satzung vorgesehene „schriftliche“ Einladung zu einer Mitgliederversammlung weitgehend eine Einladung mittels E-Mail im Vereinsrecht. Dort ist ausgeführt:
„….
Der betroffene Verein hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 22.4.2013 angegeben, am 7.11.2012 seien 445 Mitglieder per Email und die übrigen vier Mitglieder, die über keinen Email-Anschluss verfügten, per Telefax eingeladen worden.
Diese – fristgerechte – Einladung per Email bzw. Telefax genügt der in der Satzung bestimmten schriftlichen Einladung.
Im Gegensatz zum Recht der Aktiengesellschaft, der GmbH und der Genossenschaft enthält das Vereinsrecht keine Vorschrift, in welcher Form die Mitgliederversammlung einzuberufen ist. Gemäß § 58 Nr. 4 BGB soll aber die Satzung unter anderem die Bestimmung über die Form der Einberufung zur Mitgliederversammlung enthalten. Dabei muss wegen des Teilnahmerechts jedes Mitgliedes eine Einladungsform so gewählt werden, dass jedes Mitglied auch Kenntnis von der Anberaumung einer Mitgliederversammlung erlangt oder zumindest ohne wesentliche Erschwernisse erlangen kann.
§ 17 der Satzung sieht die Schriftform für die Einberufung zur Mitgliederversammlung vor.
Die in Vereinssatzungen vorgeschriebene Schriftform ist grundsätzlich als gewillkürte Schriftform i.S. des § 127 BGB und nicht wie eine durch das Gesetz – z.B. in § 51 GmbHG – vorgeschriebene Schriftform i.S. des § 126 BGB zu behandeln (vgl. BGH NJW-RR 1996, 866 f, 867).
Gemäß § 127 Abs. 1 BGB gelten die Vorschriften des § 126, des § 126a oder des § 126b im Zweifel auch für die durch Rechtsgeschäft bestimmte Form; gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift genügt zur Wahrung der durch Rechtsgeschäft bestimmten schriftlichen Form, soweit nicht ein anderer Wille anzunehmen ist, die telekommunikative Übermittlung.
Diese Vorschriften gelten, da aus der Satzung des betroffenen Vereins kein abweichender Wille zu entnehmen ist, auch für die in § 17 seiner Satzung festgelegte schriftliche Einberufung zu der jährlichen Mitgliederversammlung.
Mit dem Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr vom 13.7.2001, in Kraft seit dem 1.8.2001 (BGBl. I Seite 1542) wurde auch die bisherige Regelung des § 127 BGB nunmehr in Absatz 1 u.a. auf die elektronische Form erweitert und in Absatz 2 die telekommunikative – und nicht wie bis dahin lediglich die telegrafische – Übermittlung der Erklärung im Zweifel für ausreichend erklärt.
In der Begründung zum Gesetzentwurf (BT-Drucks 14/4987 Seite 20f) ist dazu u.a. ausgeführt:
„Die enge Bindung der Übermittlung an den Telegraphen entspricht nicht mehr dem modernen technischen Standard und der verbreiteten Praxis. Es ist mittlerweile allgemein anerkannt, dass auch mittels Telefax wie auch Fernschreiben oder Teletext schriftliche Erklärungen formgerecht abgegeben werden können (BGH NJW-RR 1986, 866). Es gibt aber keinen Grund, andere Möglichkeiten der Telekommunikation, die inzwischen Telegramm oder Teletext ganz oder teilweise verdrängt haben, zur Übermittlung von Nachrichten und Erklärungen von dieser Formerleichterung des § 127 auszunehmen, insbesondere die E-Mail oder das sog. Computerfax. Es kommen alle Arten der Telekommunikation mittels Telekommunikationsanlagen (vgl. hierzu §3 Nr. 16 und 17 des Telekommunikationsgesetzes vom 25. Juli 1996 [BGBl. I S. 1120]) in Betracht, soweit die Übermittlung nicht in der Form von Sprache erfolgt. Da sich die Formerleichterung des § 127 allein auf das Unterschriftserfordernis bezieht, reicht eine mündliche Übermittlung einer Erklärung in keinem Fall für die Formwahrung aus.
Gemäß § 127 Abs. 1 i.V.m. § 126 Abs. 3 BGB kann daher die in § 17 der Satzung festgelegte Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden, wobei gemäß § 127 Abs. 2 BGB eine Unterschrift nicht erforderlich ist.
Selbst wenn man einer restriktiveren Auslegung des § 127 Abs. 2 BGB folgen wollte, wonach das Unterschriftserfordernis bei Vertragsabschlüssen bei einer telekommunikativen Übermittlung nicht entfallen soll (vgl. Staudinger/Hertel (2012) Rdnr. 32 ff zu § 127 BGB), wäre im vorliegenden Fall, bei dem es um die Auslegung der Schriftformklausel für die Einladung zur Mitgliederversammlung eines Vereins geht, der Zweck zu berücksichtigen, um dessentwillen diese Form in der Satzung bestimmt worden ist (vgl. Staudinger/Hertel a.a.O. Rdnr. 22). Der Formzweck liegt vorliegend darin, die Kenntnis der Mitglieder von der Anberaumung einer Mitgliederversammlung unter Angabe der Tagesordnung zu gewährleisten. Diese Gewährleistung ist aber auch dann gegeben, wenn die einzelnen Mitglieder per Email von der Anberaumung der Mitgliederversammlung unterrichtet werden. Der Formzweck des § 17 der Satzung des betroffenen Vereins erfordert somit keine Unterschrift des Vorstandes unter eine per Email versandte Einladung zur Mitgliederversammlung.
30….“
Die vorstehend dargelegten Grundsätze treffen, so das Oberlandesgericht Hamm, auch auf den vorliegend zur Entscheidung anstehenden Sachverhalt zu.
Zwecke einer Form können nicht losgelöst von den zu schützenden Interessen betrachtet werden2. Genau wie in dem vorstehenden Sachverhalt auch, ist der Formzweck der vorliegenden Satzung – wie regelmäßig in einem derartig gelagerten Sachverhalt – darauf gerichtet, die Kenntnis der Mitglieder von der Anberaumung einer Mitgliederversammlung unter Angabe der Tagesordnung zu gewährleisten.
Nach Sinn und Zweck unterscheidet sich das vereinbarte Schriftformerfordernis damit bei einer Einladung der Vereinsmitglieder zu einer Mitgliederversammlung deutlich von einem vereinbarten Schriftformerfordernissen im Wirtschaftsleben. Im allgemeinen Wirtschaftsleben wird insbesondere wegen der Bedeutung bestimmter Erklärungen, wie bei der Kündigung eines Vertragsverhältnisses, durch das Schriftformerfordernis eine größere Rechtssicherheit angestrebt. Viele der Funktionen der Schriftform3 sind bei der Einladung zu einer Mitgliederversammlung von jedenfalls gänzlich untergeordneter Bedeutung. Dies gilt namentlich für die dort genannte Abschluss-, Identifikations-, Echtheits- oder Warnfunktion.
So hat auch der beteiligte Verein in § 9 der Satzung hinsichtlich der Kündigung der Mitgliedschaft ausdrücklich vorgesehen, dass diese „schriftlich und eingeschrieben“ zu erfolgen hat. Hierdurch wird deutlich, dass der beteiligte Verein gerade auch in dem relevanten Bereich einer Beendigung der Mitgliedschaft auf eine erhöhte Rechtssicherheit, z. B. bezüglich der Rechtzeitigkeit der Kündigung, Wert gelegt hat.
Hierbei stellt sich nicht einmal die Frage, ob das Erstellen einer formgültigen Urkunde oder nur der Zugang einer ansonsten formgültig erstellten Urkunde entbehrlich ist.
Aus den vom beteiligten Verein vorgelegten Urkunden ergibt sich, dass die Einladung nebst Satzung mit dem bisherigen Inhalt und den vorgesehenen Änderungen tatsächlich in Schriftform mit Unterschrift erstellt worden ist. Die Übermittlung ist an die E-Mail-Empfänger im Zuge der Einladung zur der Mitgliederversammlung erfolgt.
Abweichende Ansichten werden – soweit ersichtlich – im Vereinsrecht zu dieser Frage in der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung auch nicht vertreten.
Das Oberlandesgericht Zweibrücken hat mit Beschluss vom 04.03.20134 ausgeführt, dass in aller Regel die Einladung zu einer Mitgliederversammlung mittels E-Mail auch ohne elektronische Signatur ausreichend ist, wenn die Satzung eine schriftliche Einladung vorsieht.
Aus dem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 17.11.20095 ergibt sich keine gegenteilige Auffassung für den vorliegend zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt. Gegenstand der dortigen Entscheidung war die Frage, ob eine Satzung zulässigerweise die Einberufung der Mitgliederversammlung in Textform vorschreiben kann. Dass eine Einladung mittels E-Mail für den Fall der Vereinbarung einer Ladung mittels Textform (jedenfalls) als rechtlich zulässig angesehen wird, stellt keine Auseinandersetzung mit der vorliegenden Problematik dar. Zu dem vorliegend maßgeblichen Sachverhalt hat das OLG Frankfurt insoweit in anderem Zusammenhang lediglich auf die zu dieser Frage verbreitet vertretenden Literaturansichten verwiesen.
Das teilweise in diesem Zusammenhang zitierte6 Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.02.20067 ist für den vorliegenden Sachverhalt nicht einschlägig. Dort war gerade die gesetzlich vorgeschriebene Form des § 51 GmbHG zu beachten. Damit weicht dieser Sachverhalt von der vorliegend zur Entscheidung stehenden Beurteilung einer vereinbarten Formvorschrift im Vereinsrecht entscheidend ab.
Der gewählte Ablauf im Zuge der Einladung ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Vereinsmitglieder vor einer Erschwerung der Kenntniserlangung hinsichtlich der Einberufung der Mitgliederversammlung bedenklich.
Aus der vorgelegten Adressenliste des beteiligten Vereins und den ergänzenden Angaben ergibt sich, dass rund ¾ der Vereinsmitglieder ihre E-Mail-Adresse dem beteiligten Verein zur Verfügung gestellt haben. Nur diese Vereinsmitglieder sind auch mittels E-Mail eingeladen worden. Hinsichtlich der übrigen Mitglieder ist es bei einer (konventionellen) postalischen Einladung geblieben.
Dieses Vorgehen ist unbedenklich, da es kein Mitglied hinsichtlich seiner Rechte beeinträchtigt. Insbesondere ist keinem Vereinsmitglied eine Übermittlung der Ladung „nur“ auf dem Weg mittels E-Mail aufgezwungen worden.
Das Oberlandesgericht Hamm hat die Sache dem Registergericht zur weiteren Entscheidung unter Beachtung der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts nach § 69 Abs.1 S.2 FamFG zurückverwiesen.
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 24.09.2015 – 27 W 104/15
- OLG Hamburg, Beschluss vom 06.05.2013 – 2 W 35/13 [↩]
- BT-Drs. 14/4987, S.19 [↩]
- BT-Drs. 14/4987, Seite 16 [↩]
- OLG Zweibrücken, Beschluss vom 04.03.2013 – 3 W 149/12 [↩]
- OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.11.2009 – 20 W 326/09 [↩]
- Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, 12. Auflage, Rn.1361 [↩]
- BGH, Urteil vom 13.02.2006 – II ZR 200/04 [↩]