Das Oberlandesgericht hat einen Verein (anders als in der Vorinstanz das Landgericht München I1) dazu verurteilt, einem Vereinsmitglied eine aktuelle Liste der Namen und Anschriften der aktuellen Mitglieder des Vereins auszuhändigen.
Das Landgericht München I hatte die Klage auf Überlassung einer vollständigen Mitgliederliste abgewiesen, da eine solche bei dem Beklagten nicht geführt werde und das Einsichtsrecht des Klägers die Erstellung notwendiger Informationen nicht umfasse.
Dies sah nun das Oberlandesgericht München anders.
Ein Vereinsmitglied hat kraft seines Mitgliedschaftsrechts einen Anspruch auf Offenbarung der Namen und Anschriften der Mitglieder des Vereins, wenn es ein berechtigtes Interesse darlegen kann, dem kein überwiegendes Interesse des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen. Ein berechtigtes Interesse eines Vereinsmitglieds, Kenntnis von Namen und Anschriften der übrigen Mitglieder zu erhalten, kann auch außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs des § 37 BGB bestehen, wenn das Mitglied nach den Umständen des konkreten Falls die in der Mitgliederliste enthaltenen Informationen ausnahmsweise benötigt, um die sich aus seiner Mitgliedschaft ergebenden Rechte auf Mitwirkung an der Willensbildung im Verein wirkungsvoll ausüben zu können2. Sind die Informationen, die sich das Mitglied durch Einsicht in die Unterlagen des Vereins beschaffen kann, in einer Datenverarbeitungsanlage gespeichert, kann das Mitglied zum Zweck der Unterrichtung einen Ausdruck der geforderten Informationen oder auch deren Übermittlung in Form verlangen3.
Ein berechtigtes Interesse des Klägers lag in dem entschiedenen Fall vor:
Der Kläger will alle Mitglieder des Vereins über das seiner Ansicht nach satzungs- und gesetzeswidrige Verhalten der Bundesversammlung und des Bundesvorstands aufklären. Des Weiteren möchte der Kläger eine informelle Versammlung aller Mitglieder einberufen, um diese zu informieren und eine Beschlussfassung über Maßnahmen und eine Vorentscheidung über die Abberufung des Bundesvorstands und die Entlassung des Geschäftsführers zu erreichen.
Dies genügt als berechtigtes Interesse für die begehrte Auskunft. Das Oberlandesgericht München verkennt dabei nicht, dass vorliegend die Rechte der Mitgliederversammlung von der Bundesversammlung wahrgenommen werden und der Kläger nicht nach § 37 Abs. 1 BGB zusammen mit 10% der Mitglieder die Einberufung der Bundesversammlung fordern kann. Außerdem wählt nach der Satzung des betreffenden Vereins die Bundesversammlung den Vorstand, der sich wiederum zur Geschäftsführung der Bundesgeschäftsstelle bedient. Eine Abberufung des Bundesvorstands kann der Kläger daher unmittelbar nicht erreichen. Jedoch kann eine Information aller Mitglieder deren künftige Wahlentscheidung für die Wahlen der Delegierten zur Bundesversammlung und damit die Zusammensetzung und das künftige Agieren der Bundesversammlung beeinflussen. Darüber hinaus kann durch eine Beschlussfassung in der informellen Mitgliederversammlung faktisch auf die Meinungsbildung der aktuellen Mitglieder der Bundesversammlung selbst Einfluss genommen werden. Zu berücksichtigen ist zudem, dass jedenfalls nach Ansicht des Klägers die von der Bundesversammlung beschlossene Satzungsänderung sogar eine Änderung des Vereinszwecks darstellt. Ein Austausch über eine als derartig grundlegend empfundene Satzungsänderung mit den anderen Vereinsmitgliedern stellt schon per se ein nachvollziehbares und berechtigtes Interesse dar, zumal eine Änderung des Vereinszwecks nach § 33 Abs. 1 Satz 2 BGB einer Zustimmung aller Vereinsmitglieder bedürfte. Dabei kommt es vorliegend nicht darauf an, ob die Änderung des Vereinszwecks tatsächlich als Änderung des Vereinszwecks zu qualifizieren ist.
Entgegen der Ansicht des Beklagten entfällt das berechtigte Auskunftsinteresse des Klägers nicht dadurch, dass er seine Meinung und den Inhalt des vorbezeichneten Urteils bereits über Internet und Facebook kundgetan hat. Zum einen ersetzt diese Kundgabe nicht die persönliche Diskussion mit den anderen Mitgliedern. Zum anderen ist nicht gewährleistet, dass der Kläger über Internet und Facebook tatsächlich sämtliche anderen Mitglieder erreicht.
Ein überwiegendes Interesse des Beklagten oder der anderen Vereinsmitglieder, das der Herausgabe der Daten entgegenstünde, konnte das Oberlandesgericht München ebenfalls nicht zu erkennen.
Ein pauschales Recht auf Geheimhaltung der Mitgliedschaft in einem Verein auch im Verhältnis zu den anderen Vereinsmitgliedern besteht nicht. Soweit die Vereinsmitglieder davor geschützt sein wollen, von anderen Vereinsmitgliedern angeschrieben zu werden, begründet dies allein ebenfalls kein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse. Insoweit steht es jedem Mitglied frei, Informations- oder Einladungsschreiben ungelesen wegzuwerfen.
Soweit der Beklagte in dem entschiedenen Fall erstmals in zweiter Instanz behauptet, der Kläger wolle den Beklagten spalten und schädigen, wie das von ihm gegründete „Bündnis zur Wahrung sudetendeutscher Interessen“ zeige, vermag dies den Auskunftsanspruch nach Auffassung des Oberlandesgerichts München ebenfalls nicht auszuschließen. Denn der Beklagte trägt gleichzeitig vor, eine Parallelmitgliedschaft werde zugelassen. Dass der Kläger bereits konkret Mitglieder zum Austritt aus dem Beklagten veranlasst hätte, behauptet auch der Beklagte nicht. Die bloße abstrakte Missbrauchsgefahr genügt aber nicht, die Auskunft zu verweigern.
Datenschutzrechtliche Bedenken stehen der Auskunft bzw. Herausgabe ebenfalls nicht entgegen. Die Datenübermittlung ist nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG gestattet, wenn sie für die Durchführung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnisses mit dem Betroffenen erforderlich ist. Dabei ist der Grundsatz der Erforderlichkeit nicht im Sinne einer absolut zwingenden Notwendigkeit zu verstehen; vielmehr geht es um ein bei vernünftiger Betrachtung Angewiesensein auf das in Frage stehende Mittel. Die Übermittlung von Namen und Anschriften der anderen Vereinsmitglieder dient dazu, dem Kläger zu ermöglichen, das sich aus seiner Mitgliedschaft ergebende Recht auf Mitwirkung an der Willensbildung im Verein wirkungsvoll ausüben zu können. Damit ist die Datenübermittlung nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG zulässig, ohne dass es auf eine Einverständniserklärung der Mitglieder ankommt3. Ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der anderen Vereinsmitglieder liegt darin ebenfalls nicht. Auch insoweit begründet die bloße abstrakte Missbrauchsmöglichkeit noch keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange der anderen Vereinsmitglieder4.
Oberlandesgericht München, Urteil vom 24.03.2016 – 23 U 3886/15
- LG München I, Urteil vom 25.09.2015 – 10 O 4472/15 [↩]
- BGH, Beschluss vom 21.06.2010 – II ZR 219/09; BGH, Urteil vom 23.04.2013 – II ZR 161/11 [↩]
- BGH, Beschluss vom 21.06.2010 – II ZR 219/09 [↩] [↩]
- BVerfG, Beschluss vom 18.02.1991 – 1 BvR 185/91 [↩]