Vereine sind aufgrund der damit verbundenen steuerlichen Vorteile logischer Weise gerne gemeinnützig.
Ebenso logisch ist, dass die Finanzämter die entsprechenden Anträge mit Argusaugen überprüfen.
Aktuell hat sich das Finanzgericht Düsseldorf mit einem Fall auseinandergesetzt, in dem die Frage der Gemeinnützigkeit streitig war.
Streitig war, ob das beklagte Finanzamt es zu Recht abgelehnt hat, die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60 Abs. 1 AO durch die Vereinssatzung des Klägers gesondert festzustellen, weil die Satzung nicht die Regelung enthält, dass die Körperschaft selbstlos tätig ist und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt.
Der Kläger ist ein ins Vereinsregister eingetragener Verein.
Aufgrund des Antrags des Klägers auf Anerkennung der Gemeinnützigkeit bat der Beklagte den Kläger den § 2 der Mustersatzung in seine Satzung zu übernehmen. Der § 2 der Mustersatzung für Vereine, Stiftungen, Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, geistlichen Genossenschaften und Kapitalgesellschaften (Anlage 1 zu § 60 AO) lautet:
„Die Körperschaft ist selbstlos tätig; sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke.“
Seitens des Klägers wurde daraufhin mitgeteilt, dass, da die Satzung bereits inhaltlich von den Mitgliedern beschlossen, durch den Notar beim Amtsgericht eingereicht worden und die Satzung im Vereinsregister hinterlegt worden sei, es
„einen unverhältnismäßigen Aufwand und unnötige Kosten verursachen würde, diesen inhaltslosen Satz aufzunehmen.„
Mit Bescheid lehnte der Beklagte den Antrag auf Feststellung der Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO ab. Begründet wurde dies damit, dass die Satzung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 AO sämtliche Bestimmungen der Mustersatzung zu § 60 AO enthalten müsse. Die Satzung enthalte nicht die Regelung, dass die Körperschaft selbstlos tätig sei und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke fördere.
Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte der Kläger Einspruch ein, der als unbegründet zurückgewiesen wurde. Zur Begründung seiner Entscheidung berief der Beklagte sich u. a. darauf, dass eine wichtige Voraussetzung für die Anerkennung als gemeinnütziger Verein die in § 55 AO normierte Selbstlosigkeit sei. Nach § 55 Abs. 1 AO erfolge eine Förderung oder Unterstützung selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke – zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke – verfolgt werden und die weiteren Voraussetzungen der Nrn. 1 bis 5 des § 55 Abs. 1 AO erfüllt seien. Dabei lasse sich die Vorschrift des § 55 AO grob in zwei Bereiche gliedern. Zum einen enthalte § 55 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO eine allgemeine Umschreibung selbstlosen Handelns, indem auf das Fehlen in erster Linie eigenwirtschaftlicher Zwecke verwiesen werde. § 55 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 1 bis 5 AO sowie die Absätze 2 und 3 enthielten hingegen Vorschriften über die gemeinnützige Mittelverwendung. In der Mustersatzung seien die gesetzlichen Regelungen des § 55 Abs. 1 AO in den §§ 2 bis 5 aufgenommen worden. § 2 der Mustersatzung wiederhole hierbei die Ausführungen in § 55 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AO, während die §§ 3 bis 5 der Mustersatzung die gesetzlichen Vorgaben der §§ 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 wiederholten, die kumulativ vorliegen müssten. Daraus ergebe sich, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung der Mustersatzung den § 2 nicht als inhaltslosen Satz erachtet habe, welcher weggelassen werden könne, soweit die weiteren in der Mustersatzung normierten Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit erfüllt bzw. in die Satzung aufgenommen worden seien. Aus der Aufnahme/Erfüllung der weiteren Vorgaben in der Mustersatzung (Zweck, Zweckverfolgung, Mittelverwendung) lasse sich nämlich gerade nicht ableiten, dass damit der Verein zweifelsfrei selbstlos im Sinne des § 55 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO sei. Der Anwendungserlass AO lasse zwar offen, ob eine wörtliche Übernahme der in Anlage 1 zu § 60 Abs. 1 Satz 2 AO enthaltenen Festlegungen der Mustersatzung erforderlich sei. Jedoch enthalte die Regelung im Anwendungserlass den früheren Satz 3 nicht mehr, wonach es ausreichte, wenn sich die satzungsmäßigen Voraussetzungen aufgrund einer Auslegung aller Satzungsbestimmungen ergeben. Außerdem enthalte Nr. 2 die frühere Aussage nicht mehr, dass die Verwendung der Mustersatzung nicht vorgeschrieben sei. Stattdessen formuliere der Anwendungserlass in Nr. 2 beispielshaft zulässige Abweichungen vom Wortlaut der Mustersatzung. Zwar habe das Hessische Finanzgericht1 entschieden, dass Satzungen schon dann den gesetzlichen Neuregelungen genügten, wenn sie unabhängig vom Aufbau und vom Wortlaut der Mustersatzung die bezeichneten Festlegungen, nämlich die Verpflichtung zur ausschließlichen und unmittelbaren Verfolgung förderungswürdiger Zwecke sowie die Verwendung des Begriffs „selbstlos“ enthalte. Der Begriff „selbstlos“ sei jedoch in der Satzung des Klägers nicht zu finden.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage zum Finanzgericht Düsseldorf.
Erfolg hatte er damit nicht.
Der Beklagte hat den Kläger nach Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf auch zu Recht nicht als gemeinnützig anerkannt, da die Satzung keine den Anforderungen der Mustersatzung i. S. des § 60 Abs. 1 Satz 2 AO entsprechende Regelung zur Selbstlosigkeit enthält.
Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG ist eine Körperschaft von der Körperschaftsteuer befreit, wenn sie nach ihrer Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient. Welche Voraussetzungen die Körperschaft hinsichtlich ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung im Einzelnen erfüllen muss, um die Steuerbefreiung zu erlangen, ist in den §§ 52 ff. AO geregelt. Diese Bedingungen müssen während des ganzen Veranlagungszeitraums, für den die Steuerbefreiung beansprucht wird, erfüllt sein (§ 63 Abs. 2 AO i.V.m. § 60 Abs. 2 AO).
Gemäß § 60 Abs. 1 AO müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass auf Grund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für Steuervergünstigungen gegeben sind. Außerdem muss die Satzung gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 AO die in der Anlage 1 bezeichneten Festlegungen enthalten. Gemäß § 2 der Anlage zu § 60 AO muss die Satzung aus steuerlichen Gründen folgende Regelung enthalten: Die Körperschaft ist selbstlos tätig; sie verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Diese Regelung ist in der Satzung des Klägers nicht enthalten.
Die Regelung des § 60 Abs. 1 Satz 2 AO ist ausweislich der Gesetzesbegründung2 eingeführt worden, weil nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs3 die Begriffe „ausschließlich“ und „unmittelbar“ in der Satzung einer steuerbegünstigten Körperschaft – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – nicht genannt werden mussten. Begründet wurde die Neuregelung damit, dass Auslegungsschwierigkeiten zukünftig dadurch vermieden werden sollen, dass die bisher nur im Anwendungserlass zur Abgabenordnung dargestellte Mustersatzung nunmehr in aktualisierter Fassung in der Abgabenordnung selbst und damit gesetzlich festgeschrieben werde4.
Zwar ist die formelle Satzungsmäßigkeit nach Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf nicht bereits deshalb zu versagen, weil die Mustersatzung nicht wörtlich übernommen wurde. Denn gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 AO muss die Satzung nur die in der Anlage 1 bezeichneten Festlegungen enthalten. Es wird nicht gefordert, dass die Satzung einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck bzw. Muster entsprechen muss, was aber erforderlich wäre, wenn der Gesetzgeber tatsächlich eine wortwörtliche Übernahme der Mustersatzung gewollt hätte, wie das Hessisches Finanzgericht im Urteil vom 28.06.20175 zutreffend ausgeführt hat.
Satzungen genügen daher schon dann den Anforderungen des § 60 Abs. 1 Satz 2 AO, wenn sie unabhängig vom Aufbau und vom genauen Wortlaut der Mustersatzung die bezeichneten Festlegungen enthalten. Ob der Begriff „selbstlos“ verwendet werden muss6 oder die genaue Wiedergabe des Inhaltes des Begriffs „selbstlos“ ausreicht, kann der Senat offenlassen. Denn eine Förderung oder Unterstützung geschieht gemäß § 55 AO selbstlos, wenn dadurch in erster Linie nicht eigenwirtschaftliche Zwecke – zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke – verfolgt werden und wenn weitere im Einzelnen beschriebene Voraussetzungen gegeben sind. Im Streitfall findet sich in der Satzung nicht die Regelung, dass nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden. Allein aus der Satzungsregelung, dass der Förderverein ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i. S. des Abschnitts „steuerbegünstigte Zwecke“ der Abgabenordnung verfolgt, ergibt sich nicht, dass nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden. Denn nach der mit Gesetzeskraft ausgestatteten Mustersatzung (Anlage 1 zu § 60 AO) ist zwischen der Regelung zur ausschließlichen und unmittelbaren Verfolgung gemeinnütziger Zwecke in § 1 und der Regelung zur Selbstlosigkeit in § 2 zu unterscheiden7. Auch in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wird zwischen der Regelung zur Selbstlosigkeit in § 55 AO und Regelung zur unmittelbaren Verfolgung gemeinnütziger Zwecke in § 56 AO unterschieden8.
Zu Unrecht beruft sich der Kläger nach Meinung des Finanzgerichts Düsseldorf für seine Rechtsauffassung auf die Regelung im AEAO zu § 60 Nr. 4, in der es heißt, dass eine Satzung nicht allein deswegen geändert zu werden brauche, weil in ihr auf Vorschriften des StAnpG (Steueranpassungsgesetz) oder der GemV (Gemeinnützigkeitsverordnung) verwiesen oder das Wort „selbstlos“ nicht verwandt wird. § 60 Nr. 4 AEAO bezieht sich nur auf die Pflicht zur Änderung von Satzungen, die bereits vor Geltung der AO existierten, wie sich aus der Regelung zur Verweisung auf Vorschriften des Steueranpassungsgesetz und der Gemeinnützigkeitsverordnung und aus der Tatsache ergibt, dass die Regelung schon seit Jahrzehnten existiert9.
Durch die steuerlichen Regelungen zur Gemeinnützigkeit wird – so das Finanzgericht Düsseldorf weiter – entgegen der Ansicht des Klägers nicht in den Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit eingegriffen. Die Vereinsmitglieder haben das Recht, ihren Verein im Rahmen der Satzungsautonomie frei zu gestalten. Sie können aber nicht verlangen, dass die Allgemeinheit ihr Tun durch von der Steuer abziehbare Spenden nachhaltig unterstützt10.
Soweit der Kläger vorträgt, dass etwa 93 % aller bei dem Beklagten befreiten Fördervereine gleiche oder ähnliche Satzungswortlaute verwenden, ist zum einen unklar, woher der Kläger diese Information hat. Zum anderen gilt § 60 Abs. 1 Satz 2 AO nicht für Vereine, die vor dem 31.12.2008 gegründet wurden. Außerdem besteht eine sogenannte Gleichheit im Unrecht wegen des Vorrangs des Gesetzes nicht. Es gibt keinen Anspruch auf Fehlerwiederholung bei der Rechtsanwendung11.
Die Revision hat das Finanzgericht Düsseldorf gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, da die Rechtsfrage, ob und inwieweit Formulierungen der Mustersatzung sich in Satzungen wiederfinden müssen, um die Anerkennung als gemeinnützig zu erreichen, angesichts der Vielzahl von gemeinnützigen Körperschaften von grundsätzlicher Bedeutung ist.
- Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 28.06.2017 – 4 K 917/16, ECLI:DE:FGHE:2017:0628.4K917.16.00 [↩]
- BT-Drs. 16/11108 S. 46 [↩]
- BFH, Urteil vom 14.07.2004 – I R 94/02, BStBl. II 2005, 721 [↩]
- Jachmann/Unger in: Gosch, AO/FGO, § 60 Rz. 23 f. [↩]
- Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 28.06.2017 – 4 K 917/16 [↩]
- Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 28.06.2017 – 4 K 917/16; Leisner-Egensperger in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 60 AO Rz. 8; Gersch, AO-StB 2010, 213; wohl auch Köster, DStZ 2010, 166 [↩]
- BFH, Beschluss vom 07.02.2018 – V B 119/17, BFH/NV 2018, 544 [↩]
- BFH, Urteil vom 04.04.2007 – I R 76/05, BStBl. II 2007, 631; Märtens, 100 Jahre Steuerrechtsprechung in Deutschland 1918-2018 (Festschrift für den Bundesfinanzhof) 2018, S. 1477, 1479 [↩]
- vgl. BMF-Schreiben zu § 60 IV A 5-S 0062-38/87 vom 24.9.1987 [↩]
- BFH, Urteil vom 17.05.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, 218; BFH, Beschluss vom 07.02.2018 – V B 119/17, BFH/NV 2018, 544 [↩]
- BFH, Urteil vom 17.05.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, 218 [↩]