Was hat der Zoll mit BSE zu tun?
Nun, der Bundesfinanzhof hatte sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine Ausfuhrerstattung für die Ausfuhr von Rindfleisch auch dann erfolgreich beansprucht werden kann, wenn das Hauptzollamt (HZA) Zweifel daran hegt, ob der erforderliche BSE-Schnelltest ordnungsgemäß durchgeführt wurde.
Konkret lag der Fall so:
Die Klägerin meldete am 2. Juli 2001 eine Sendung gefrorenen Rindfleischs zur Ausfuhr nach Russland an, für welche sie die Zahlung von Ausfuhrerstattung beantragte. Nach dem vorgelegten Veterinärzertifikat vom 28. Juni 2001 stammte das Fleisch (u.a.) aus einem Schlachtbetrieb mit der Zulassungsnummer ES X. Nachdem in der Folgezeit das Bundesministerium der Finanzen (BMF) durch ein Schreiben des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) vom 25. April 2002 darüber unterrichtet worden war, dass (u.a.) dieser Schlachtbetrieb im Zeitraum 27. März bis 28. September 2001 von fehlerhaft durchgeführten BSE-Schnelltests in einem bestimmten zugelassenen Labor betroffen war, setzte das BMF die Zahlung von Ausfuhrerstattungen zunächst aus. Im Oktober 2003 bat der Beklagte (das Hauptzollamt) die Klägerin um Mitteilung der Zeitpunkte der Schlachtungen in dem betroffenen Schlachtbetrieb. Darauf teilte diese im März 2004 mit, ihr lägen hierüber keine Unterlagen vor. In der Folge lehnte das HZA die Gewährung von Ausfuhrerstattung mit der Begründung ab, die ausgeführten Erzeugnisse entsprächen nicht den Bedingungen des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 (VO Nr. 800/1999) der Kommission vom 15. April 1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen1. Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Auf die hiergegen erhobene Klage verpflichtete das Finanzgericht das HZA, die beantragte Erstattung zu gewähren.
Das Hauptzollamt legte hiergegen Revision ein; der Bundesfinanzhof gab ihm recht und hat die Klage abgewiesen.
Hierbei hat sich der Bundesfinanzhof auf folgende Überlegungen gestützt:
Nach Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der im Streitfall anzuwendenden VO Nr. 800/1999 wird Ausfuhrerstattung nicht gewährt, wenn die Erzeugnisse am Tag der Annahme der Ausfuhranmeldung nicht von gesunder und handelsüblicher Qualität sind. Dieser Anforderung entsprechen die Erzeugnisse nur, wenn sie im Gebiet der Union unter normalen Bedingungen und der im Erstattungsantrag aufgeführten Bezeichnung vermarktet werden können und, falls diese Erzeugnisse zur menschlichen Ernährung bestimmt sind, ihre Verwendung zu diesem Zweck aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihres Zustands nicht ausgeschlossen oder wesentlich eingeschränkt ist. Es handelt sich hierbei um eine materielle Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen2. Das im Streitfall ausgeführte Rindfleisch erfüllte diese materielle Voraussetzung nach Auffassung des Bundesfinanzhofes nicht.
Wie der Bundesfinanzhof bereits mit Urteil vom 24.08.20103 entschieden hat, waren Rinder im Alter von über 24 Monaten gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung zur fleischhygienerechtlichen Untersuchung von geschlachteten Rindern auf BSE vom 1. Dezember 20004 im Rahmen der Fleischuntersuchung mit einem unionsrechtlich anerkannten Test (Schnelltest) in einem dafür zugelassenen Labor zu untersuchen.
Die vorgeschriebenen Schnelltests sind „sonstige Untersuchungen“ i.S. des § 5 Abs. 3 Nr. 4 der Fleischhygiene-Verordnung5, deren Durchführung – mit negativem Ergebnis – Voraussetzung für die Beurteilung des Fleischs als tauglich zum Genuss für Menschen ist6, ohne die es nicht in Verkehr gebracht werden darf. Ein nicht durchgeführter oder nicht den Vorschriften entsprechender Schnelltest steht daher der Verkehrsfähigkeit des Fleischs entgegen. In einem solchen Fall ist die materielle Erstattungsvoraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ausfuhrerzeugnisse nicht erfüllt.
Entscheidend ist hierbei folgendes – und darin unterscheidet sich die Auffassung des Bundesfinanzhofs von der des Finanzgerichts: es geht nicht um von der Klägerin zu erbringende Nachweise, dass es sich nicht um Fleisch aus einem mit einem entsprechenden Ausfuhrverbot belegten Mitgliedstaat handelt, es aus BSE-freien Beständen stammt und nach der Schlachtung keine Anzeichen einer BSE-Erkrankung festgestellt worden sind, sondern um den Nachweis eines den maßgebenden Vorschriften entsprechenden Schnelltests, dem das ausgeführte Rindfleisch unterzogen wurde. Diesen ihr obliegenden Nachweis hat die Klägerin nicht erbracht.
Der Nachweis der Erstattungsvoraussetzung der gesunden und handelsüblichen Qualität der Ausfuhrerzeugnisse ist zu verlangen, falls die zuständige Behörde insoweit Zweifel äußert7. Zu der Frage, wann solche Zweifel berechtigt sind und die Nachweispflicht auslösen, hat sich der EuGH in jenem Verfahren, in dem es um Rindfleisch ging, das möglicherweise trotz des bestehenden Ausfuhrverbots aus dem Vereinigten Königreich verbracht worden war, nicht erklärt, sondern hat „gewisse Anhaltspunkte“, das ausgeführte Rindfleisch „könnte“ dem Ausfuhrverbot unterliegen, ausreichen lassen, um dem nationalen Gericht die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen zu überlassen8.
Der Bundesfinanzhof hat in einem Parallelverfahren aus jenem EuGH-Urteil die Auffassung hergeleitet, Anhaltspunkte, die das Verlangen eines Nachweises der gesunden und handelsüblichen Qualität rechtfertigten, könnten sich nicht nur aufgrund der Beschaffenheit und anderer objektiver Merkmale der Ausfuhrware, sondern auch aus sonstigen, diese Ware mittelbar betreffenden Erkenntnissen ergeben, und hat in Anbetracht der Verdachtsmomente gegen den Lieferanten des Ausführers die Schlussfolgerung der Vorinstanz, es bestehe ein erheblicher Verdacht, dass die ausgeführten Erzeugnisse dem Ausfuhrverbot unterlegen hätten, als möglich und rechtlich nicht zu beanstanden angesehen9.
Im Streitfall ergibt sich aus den Feststellungen des Finanzgerichts und den in Bezug genommenen Unterlagen, insbesondere dem Schreiben des BMVEL an das BMF vom 25. April 2002 nebst Anlagen, dass der Schlachthof ES X in dem Zeitraum, in welchen die streitige Ausfuhr der Klägerin fällt, mit einem Labor zusammengearbeitet hat, das während dieser Zeit durch fehlerhaft durchgeführte BSE-Schnelltests aufgefallen war und gegen das daraufhin auch strafrechtliche Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das FlHG geführt wurden. Da Teile der streitigen Ausfuhrsendung der Klägerin von vorgenanntem Schlachthof bezogen worden waren, liegen somit die Ausfuhrerzeugnisse mittelbar betreffende Erkenntnisse vor, wonach diese nicht dem fleischhygienerechtlich vorgeschriebenen BSE-Schnelltest unterzogen worden sein könnten. Hierbei handelt es sich um eine konkret in Betracht zu ziehende Möglichkeit und nicht lediglich um einen vagen Verdacht oder eine ins Blaue hinein geäußerte Vermutung des Hauptzollamtes, weshalb es gerechtfertigt erscheint, den Nachweis zu verlangen, dass die streitige Ausfuhrsendung Fleisch enthielt, welches einen ordnungsgemäß durchgeführten BSE-Schnelltest durchlaufen hatte. Die Schwelle für das Erfordernis eines solchen Nachweises hoch anzusetzen, verbietet sich insbesondere angesichts der vom EuGH hervorgehobenen gesteigerten Prüfungspflicht bei unionsrechtlichen Anforderungen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit vor schweren Krankheiten und Epidemien10.
Der Umstand, dass dieser Nachweis eines ordnungsgemäßen BSE-Schnelltests und damit der gesunden und handelsüblichen Qualität der ausgeführten Erzeugnisse nicht erbracht worden ist, wirkt sich zum Nachteil der Klägerin aus, da sie insoweit die Feststellungslast zu tragen hat11.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 26. Januar 2012 – VII R 24/10
- Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 102/11 [↩]
- Gerichtshofs der Europäischen Union, Urteil vom 01.12.2005 – C-309/04 -Fleisch-Winter-, Slg. 2005, I-10349 [↩]
- Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.08.2010 – VII R 47/09, BFHE 231, 437, Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern -ZfZ- 2010, 334 [↩]
- BGBl. I 2000, 1659, in der Fassung der ersten Änderungsverordnung vom 25. 01.2001, BGBl. I 2001, 164 [↩]
- in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juni 2001, BGBl. I 2001, 1366 [↩]
- § 10 des Fleischhygienegesetzes i.V.m. § 6 Abs. 1 Fleischhygiene-Verordnung [↩]
- vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil in Slg. 2005, I-10349, Rz. 35 [↩]
- Rz 36 des Urteils [↩]
- Bundesfinanzhof, Beschluss vom 08.02.2008 – VII R 21/03, BFH/NV 2008, 1219, Rz 20; Beschluss vom 30.07.2010 – VII B 187/09, BFH/NV 2011, 86, sowie (diesem Beschluss vorangegangen) Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 25.06.2009 – 4 K 85/08, nicht veröffentlicht [↩]
- vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil in Slg. 2005, I-10349, Rz 33 [↩]
- vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urteil in Slg. 2005, I-10349, Rz 35 [↩]