Der Kratzbaum: Für die zollrechtlich richtige Einreihung kommt es darauf an, was der Katze gefällt

Kratzbäume für Katzen können nicht nur Katzenhalter vor Fragen stellen (insbesondere, warum sie sie (die Kratzbäume) gekauft haben, nachdem die Katzen die Verpackungskartons dem Kratzbaum vorgezogen haben), sondern auch die Gerichtsbarkeit.

Das Finanzgericht Hamburg hatte sich nämlich nun mit der Frage zu beschäftigen, wie bei der Einfuhr Katzenkratzbäume zollrechtlich einzureihen sind.

Worum ging es konkret?

Am 02.12.2014 beantragte die Klägerin die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft für einen „Naturkratzbaum“ (im Folgenden: Kratzbaum).

Diese Ware beschrieb die Klägerin im Wesentlichen wie folgt:

„… in einem Pappkarton verpackt; noch nicht zusammengesetzt eingehend, mit Montagematerial, mit einer annähernd quaderförmigen Grundplatte aus Holz …, mit einer darauf befestigten „Säule“ aus Holz …, die zu etwa 3/4 mit Seilen aus … Sisal … umwickelt ist, auf der „Säule“ mit einer kreisrunden Sitzplatte aus Holz …, die mit einem runden „Bezug“ … aus bedruckten Plüschgewirken versehen ist; … durch Zusammenfügen konfektioniert, dient der Beschäftigung von und als Ruheplatz für Katzen.“

Mit verbindlicher Zolltarifauskunft vom 02.12.2014 reihte das beklagte Hauptzollamt den Kratzbaum als

„andere konfektionierte Ware (Kratzbaum), aus Spinnstoffen, aus Gewirken“

in die Unterposition 6307 9010 KN ein. Es führte zur Begründung an, dass insbesondere im Hinblick auf die Verwendung die Seile sowie die Gewirke aus Spinnstoffen gegenüber dem Holz den Charakter der Ware bestimmten; nach dem Umfang seien die Seile und die Gewirke als gleichbedeutend anzusehen, somit verleihe keiner der beiden Stoffe dem Kratzbaum seinen wesentlichen Charakter, er sei daher der von den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen (5609/6307) in der Nomenklatur zuletzt genannten zuzuweisen.

In ihrem gegen diese Zolltarifauskunft gerichteten Einspruch wandte die Klägerin ein, dass der Kratzbaum größtenteils aus Holz und nicht etwa aus Seilen aus Sisal oder aus Gewirken aus Spinnstoff bestehe, weshalb eine Einreihung als „andere Ware aus Holz“ unter die Codenummer 4421 9097 900 vorzunehmen sei. In Anlehnung an die auf den streitgegenständlichen Kratzbaum nicht anwendbare Durchführungsverordnung (EU) Nr. 350/2014 habe die Einreihung von Katzenkratzbäumen grundsätzlich nach dem mengenmäßig vorherrschenden Stoff, was vorliegend Holz sei, zu erfolgen.

Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos, woraufhin die Klägerin Klage zum Finanzgericht Hamburg erhob.

Die Entscheidung:

Das Finanzgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen.

Die angegriffene Zolltarifauskunft ist nach Auffassung des Finanzgerichts Hamburg rechtmäßig.

Die Klägerin hat danach keinen Anspruch auf Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft, mit der der streitgegenständliche Kratzbaum in die KN-Unterposition 4421 9097 900 eingereiht wird (§ 101 Satz 1 FGO).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs1 ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN und in den Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln festgelegt sind, und nach den Allgemeinen Vorschriften (AV) für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur. Nach AV 1 sind für die Einreihung in erster Linie der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln maßgebend. Nur wenn nach diesen Kriterien kein eindeutiges Einreihungsergebnis erzielt werden kann, darf auf die AV 2 bis 5 zurückgegriffen werden.

Daneben gibt es Erläuterungen und Einreihungsavise, die ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Erkenntnismittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind2. Auf den Verwendungszweck einer Ware darf nur abgestellt werden, wenn im Wortlaut der Bestimmungen oder in den Erläuterungen auf dieses Kriterium Bezug genommen wird3. Entscheidend ist dabei, ob sich der Verwendungszweck in den objektiven Eigenschaften und Merkmalen der Ware niedergeschlagen hat4.

In Bezug auf die streitgegenständlichen Kratzbäume ist zunächst festzustellen, dass diese sich nicht eindeutig einer Position der Kombinierten Nomenklatur zuordnen lassen, da diese Waren von keiner der insoweit in Betracht kommenden Positionen – scil. 4421 (andere Waren aus Holz), 5609 (Waren aus Seilen, anderweit weder genannt noch inbegriffen), 6307 (andere konfektionierte Ware aus Gewirken aus Spinnstoffen) – nach deren Wortlaut erfasst werden. Dass die Kratzbäume im Zeitpunkt der Einfuhr noch nicht zusammengesetzt sind, ist für die Einreihung der Ware unerheblich. Denn nach AV 2 lit. a) Satz 2 gilt jede Anführung einer Ware in einer Position auch für Waren, die noch nicht zusammengesetzt gestellt werden.

Da nach AV 1 kein Einreihungsergebnis erzielt werden kann, bedarf es vorliegend des Rückgriffs auf die AV 2 bis 5, wobei eine Einreihung nach AV 3 lit. a) hinsichtlich des Streitfalles ausscheidet, da keine der in Betracht kommenden Positionen – 4421, 5609 bzw. 6307 – die Ware genauer bezeichnet als die anderen. Die streitgegenständlichen Kratzbäume sind vielmehr nach Maßgabe der AV 3 lit. b) einzureihen, und zwar in die Unterposition 6307 9010, so das Finanzgericht Hamburg.

Nach der anzuwendenden AV 3 lit b) sind Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, nach dem Stoff oder Bestandteil einzureihen, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann. Hierzu ist zu prüfen, ob die Ware auch ohne den einen oder den anderen Bestandteil ihre charakteristischen Eigenschaften behalten würde. Nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System zur AV 3 lit. b) (Rn. 19.1) kann sich das Merkmal, das den Charakter der Ware bestimmt, je nach Art der Ware z.B. aus der Art und Beschaffenheit des Stoffes oder der Bestandteile, aus seinem Umfang, seiner Menge, seinem Gewicht, seinem Wert oder aus der Bedeutung des Stoffes in Bezug auf die Verwendung der Ware ergeben5.

Ein Kratzbaum erfüllt mehrere Funktionen. Zum einen – was bereits im Namen anklingt – bietet der Kratzbaum der in einer Wohnung gehaltenen Katze die Möglichkeit, ihren Trieb, die Krallen durch Wetzen kurz zu halten, zu befriedigen. Ist eine Katze etwa an einem Kratzbaum aus Sisal aktiv, pflegt sie dadurch nicht nur ihre Krallen, sondern markiert den Kratzbaum auch direkt als ihr Eigentum. Katzen haben zwischen ihren Zehen Duftdrüsen, die Pheromone produzieren. Beim Kratzen verteilt die Katze ihren individuellen Duftstoff auf dem bekratzten Gegenstand. Katzen fühlen sich dort wohl, sicher und geborgen, wo sie ihren Eigengeruch wiedererkennen. Zum anderen bietet ein Kratzbaum der Katze die Möglichkeit, sich aus dem Alltagsgeschehen zurück zu ziehen. Von der Liegefläche aus kann sie artgerecht ihre Umgebung aus sicherer Entfernung und von oben überschauen6.

Der im Streitfall zu tarifierende Kratzbaum besteht aus einer Grundplatte aus Holz, auf der eine Holzsäule befestigt ist, die etwa zu 3/4 mit Seilen aus Sisal umwickelt ist. Auf der Säule befindet sich eine kreisrunde Holzplatte, die mit einem Bezug aus Plüschgewirken überzogen ist. Die Holzplatte bietet einer Katze genug Platz, um darauf zu liegen und zu schauen.

Das Finanzgericht Hamburg hält dafür, dass in Bezug auf den zu betrachtenden Kratzbaum die Spinnstoffe (Sisalseil und Bezug aus Plüschgewirk) wesentlich sind, um eine bestimmungsgemäße Verwendung der Ware zu ermöglichen, da sie die Ware für Katzen attraktiv machen, nämlich einerseits zum Kratzen und andererseits zum Sitzen und Ruhen. Vor diesem Hintergrund verleiht nicht das Holz (Grundplatte, Säule und Plattform), aus dem die Stützfunktion des Kratzbaumes besteht, der Ware ihren wesentlichen Charakter im Sinne der Allgemeinen Vorschrift AV 3 lit. b), sondern die für die Oberflächenstruktur verwendeten Spinnstoffe. Denn allein die Spinnstoffe sind ausschlaggebend für die Nutzung des Kratzbaumes zum Schärfen der Krallen bzw. als Sitz- und Liegeplatz und als Beobachtungsposten. Allerdings lässt sich mit Blick auf die verwendeten Spinnstoffe nicht feststellen, ob das Sisalseil oder der Plüschbezug für Katzen attraktiver ist. Angesichts des geringeren Umfangs des Sisalseiles von rund 15% gegenüber einem Oberflächenanteil des Plüschgewirkes von 45% bietet Letzteres der Katze eine größere Vielfalt an Attraktivität und verleiht der Ware damit ihren wesentlichen Charakter im Sinne der AV 3 lit. b). Dass die tatsächliche Fläche des jeweils verwendeten Oberflächenmaterials bei der Bestimmung des charakterbestimmenden Stoffes als zulässiges Kriterium verwandt werden darf, ist in der Rechtsprechung anerkannt7. Die streitgegenständlichen Kratzbäume sind daher nach Auffassung des Finanzgerichts Hamburg in den KN-Code 6307 9010 einzureihen.

Zu keinem anderen Ergebnis führte im Übrigen eine Betrachtungsweise, wonach alle drei verwendeten Stoffe – scil. Holz, Sisal und Plüschgewirke – als wesentlich angesehen werden, um eine bestimmungsgemäße Verwendung der Ware zu ermöglichen. Da sich auch insoweit nicht feststellen lässt, ob das Holz, der Sisal oder der Plüschstoff für Katzen attraktiver ist, ist der wesentliche Charakter der Ware über die Fläche der verwendeten Stoffe zu bestimmen, was zur Folge hat, dass der Sisal mit einem Flächenanteil von 15 % als charakterbestimmend ausscheidet. Die beiden verbleibenden Stoffe Holz und Plüschgewirke weisen einen nahezu identischen Flächenanteil von 40 % bzw. 45 % aus. Sofern man nicht der Auffassung zuneigt, dass die Plüschgewirke aufgrund ihres gegenüber dem Holz höheren Anteils als charakterbestimmender Stoff anzusehen sind mit der Konsequenz, dass die Ware gemäß AV 3 lit. b) in den KN-Code 6307 9010 einzureihen wäre, müsste die Konkurrenz bzw. Gleichwertigkeit von Holz- und Plüschanteil über die AV 3 lit. c) aufgelöst werden. In der AV 3 lit. c) ist freilich geregelt, dass, ist die Einreihung nach den AV 3 lit. a) und b) nicht möglich, die Ware der von den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen der zuletzt genannten Position zuzuweisen ist, so das Finanzgericht Hamburg. Die zuletzt genannte Position ist der KN-Code 6307 9010, was zugleich erhellt, dass unabhängig von der zu wählenden Betrachtung im Rahmen der Bestimmung des wesentlichen Charakters des verwendeten Stoffes der streitgegenständliche Kratzbaum in die KN-Position 6307 9010 einzureihen ist.

Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 10.12.2020 – 4 K 26/17

  1. EuGH, Urteile vom 16.02.2017, C-145/16 – Aramex Nederland; vom 08.12.2016, C-600/15 – Lemnis Lighting []
  2. EuGH, Urteil vom 22.03.2017 – C-435/15 und C 666/15 – Grofa u.a. []
  3. EuGH, Urteil vom 16.02.2017 – C-145/16 – Aramex Nederland []
  4. BFH, Urteil vom 31.05.2005 – VII R 49/04, BFH/NV 2005, 2067 []
  5. EuGH, Urteile vom 15.11.2012 – C-558/11 – Kurcums Metal; vom 26.10.2006 – C-250/05 – Turbon International []
  6. www.petplan.de/kratzbaum und https://einfachtierisch.de/katzen/katzenhaltung/kratzbaum-warum-er-fuer-katzen-wichtig-ist.43411 []
  7. BFH, Urteil vom 18.02.2020 – VII R 15/18, BFH/NV 2020, 934 []

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