Mit der zutreffenden zolltariflichen Einreihung von Laserdiodenmodulen hat sich nun der Bundesfinanzhof beschäftigt.
Die Klägerin meldete 2011 und 2012 Laserdiodenmodule des Typs X (Laserdiodenmodule) und in 2012 und 2014 sog. Laserdioden Y zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr an.
Die Laserdiodenmodule bestehen nach den Feststellungen des Finanzgerichts Düsseldorf aus einer Laserdiode, einer Fotodiode, einem Thermistor und einem thermoelektrischen Kühler (sog. Thermoelectric Cooler), die von einem Gehäuse mit einer optischen Kopplung (sog. Faserpigtail) umschlossen sind, und können nach Zusammenfügen mit weiteren Bauteilen als Pumpquelle dazu genutzt werden, ein anderes Lasermedium zum Strahlen anzuregen1. Die weiteren Komponenten des Laserdiodenmoduls (Fotodiode, Thermistor, der Kühler und das Gehäuse mit „Faserpigtail“) haben die Aufgabe, die Laserdiode in ihrer Funktion zu unterstützen bzw. zu erhalten, ohne sie zu verändern.
Die Laserdioden Y verfügen zumindest über keine darüber hinaus gehenden Bauelemente.
Das beklagte Hauptzollamt hielt die Einreihung der angemeldeten Waren in die Unterpos. 9013 20 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) für zutreffend und erhob mit mehreren Bescheiden Einfuhrabgaben nach dem für Waren dieser Art vorgeschriebenen Zollsatz. Die hiergegen erhobenen Einsprüche wurden zurückgewiesen.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht Düsseldorf urteilte, die streitigen Waren seien in die Unterpos. 8541 40 10 KN einzureihen1. Es handele sich nicht um vollständige Laser, weil die Waren weder ein Stromversorgungs- noch ein Steuergerät aufwiesen.
Die weiteren – zumindest bei den Laserdiodenmodulen – festgestellten Bauteile wie Fotodiode, Thermistor und Kühler stünden der Einreihung in die Unterpos. 8541 40 10 KN nicht entgegen, weil weder dem Wortlaut der Position oder Unterposition noch den Anmerkungen der KN oder den Erläuterungen eine Beschränkung auf diskrete Bauelemente zu entnehmen sei. Auch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1037/2014 (VO Nr. 1037/2014) der Kommission vom 25.09.2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur2 lege die Einreihung in die Pos. 8541 KN nahe.
Mit der Revision macht das Hauptzollamt geltend, die streitbefangenen Waren seien als Laser in die Pos. 9013 KN einzureihen, weil die Pos. 8541 KN nur diskrete Bauelemente erfasse. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der VO Nr. 1037/2014, weil sich die in dieser Verordnung beschriebenen Waren in wesentlichen Merkmalen von den streitgegenständlichen Waren unterschieden. Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union Lemnis Lighting3 bestätige diese Rechtsauffassung, wonach die Pos. 8541 KN nur Laserdioden erfasse, die nicht über weitere elektronische Komponenten verfügten.
Die Klägerin trägt vor, eine Einreihung der streitgegenständlichen Waren in die Pos. 9013 KN komme nicht in Betracht, weil es sich bei den Lasermodulen und den Laserdioden Y nicht um vollständige Laser handele. Die Pos. 8541 KN sei nicht auf diskrete Bauelemente beschränkt.
Der Bundesfinanzhof hat der Revision des Hauptzollamtes stattgegeben, das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Soweit das Finanzgericht Düsseldorf die Einreihung der streitigen Waren in die Pos. 9031 KN mit der Begründung verneint hat, es handele sich nicht um vollständige Laser, fehlt es an der sowohl in tatsächlicher als auch rechtlicher Hinsicht erforderlichen Auseinandersetzung mit der Allgemeinen Vorschrift für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) 2 Buchst. a, der zufolge jede Anführung einer Ware in einer Position auch für die unvollständige oder unfertige Ware gilt, wenn sie im vorliegenden Zustand die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware hat, so der Bundesfinanzhof. Das Finanzgericht Düsseldorf erwähnt die AV 2 Buchst. a nicht, sondern bemerkt lediglich das Fehlen eines Stromversorgungs- und eines Steuergeräts bei den streitigen Waren, ohne zu prüfen, ob mit solchen Teilen „wesentliche Beschaffenheitsmerkmale“ eines Lasers fehlen (was jedenfalls bei der Stromversorgung zweifelhaft sein dürfte). Außerdem meint das Finanzgericht Düsseldorf aus den Erläuterungen zum Harmonisierten System (ErlHS) herauslesen zu können, dass Laser über einen komplexen Aufbau verfügen, obwohl nach den ErlHS 05.1 zur Pos. 9013 auch einfache sog. Laserpointer zu dieser Position gehören, weshalb diesem rechtlichen Ansatz nicht gefolgt werden kann.
Die Prüfung der AV 2 Buchst. a auf der Grundlage einer tatsächlichen Würdigung, was zu den „wesentlichen Beschaffenheitsmerkmalen“ eines Lasers gehört und ob im Streitfall solche Beschaffenheitsmerkmale fehlen, wird im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein.
Nicht ausgeschlossen erscheint außerdem die ebenfalls bisher nicht geprüfte Möglichkeit der Einreihung der streitigen Waren als Teil eines Lasers im Sinne der Unterpos. 9013 90 KN.
Die vorgenannte Prüfung kann nur unterbleiben, wenn die streitigen Waren als Laserdioden (Unterpos. 8541 40 10 KN) anzusehen sind, da diese von der Pos. 9013 KN ausdrücklich ausgenommen werden. Soweit das Finanzgericht Düsseldorf die Waren in die Unterpos. 8541 40 10 KN eingereiht hat, hält dies jedoch nach Auffassung des Bundesfinanzhofs einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
Für die zolltarifliche Einreihung der Waren des Streitfalls ist die VO Nr. 1037/2014 ohne rechtliche Bedeutung, weil sie erst nach der Einfuhr der Waren des Streitfalls in Kraft getreten ist4 und im Übrigen andere Waren betrifft. Anders als das Finanzgericht Düsseldorf meint, kommt der VO Nr. 1037/2014 auch keine Indizwirkung4 für die Tarifentscheidung des Streitfalls zu, weil das ihr zu entnehmende Einreihungskriterium der Verbundenheit der Warenbestandteile „auf praktisch untrennbare Weise“, welches das FG für die Tarifierung der streitgegenständlichen Waren übernommen hat, keine Stütze in den die Pos. 8541 KN betreffenden zolltariflichen Vorschriften findet und die Kommission mit diesem Einreihungskriterium in unzulässiger Weise in die Struktur des Harmonisierten Systems eingreift.
Nach den für die Tarifierung maßgebenden objektiven Beschaffenheitsmerkmalen, wie sie vom FG festgestellt worden sind, handelt es sich bei den streitgegenständlichen Waren nicht um Laserdioden, sondern um Waren, die neben anderen Bestandteilen auch Laserdioden enthalten. Es handelt sich also um aus mehr als einem Bestandteil bestehende zusammengesetzte Waren, für deren Einreihung verschiedene Positionen in Betracht kommen, z.B. die Pos. 8541 KN (u.a. Leuchtdioden, einschließlich Laserdioden, Unterpos. 8541 40 10 KN), die Pos. 8533 KN (elektrische Widerstände, zu denen nach den ErlHS zu Pos. 8541 Rz 25.0 auch Thermistoren zählen) oder die Pos. 8418 KN (Einrichtungen zur Kälteerzeugung mit elektrischer oder anderer Ausrüstung).
Kommen für die Einreihung von Waren zwei oder mehr Positionen in Betracht, ist die Konkurrenz nach den Grundsätzen der AV 3 aufzulösen.
Die vorrangige AV 3 Buchst. a Satz 1 führt im Streitfall zu keinem Ergebnis, weil nach AV 3 Buchst. a Satz 2 die in Betracht kommenden Positionen als gleich genau zu betrachten sind5.
Die Konkurrenz der hinsichtlich der verschiedenen Warenbestandteile in Betracht kommenden Positionen ist somit gemäß der AV 3 Buchst. b aufzulösen, der zufolge Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht werden, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.
Es handelt sich hierbei um eine tatsächliche Würdigung auf der Grundlage der festgestellten objektiven Beschaffenheitsmerkmale der Ware6, die das Finanzgericht Düsseldorf ausgehend von dem unzutreffenden Maßstab der praktischen Untrennbarkeit der Warenbestandteile nicht vorgenommen hat und die im zweiten Rechtsgang nachzuholen sein wird. Dabei wird als ein wichtiges Erkenntnismittel auch die ErlHS zu AV 3 Buchst. b Rz 19.1 zu berücksichtigen sein, der zufolge sich das charakterbestimmende Merkmal einer Ware aus der Art und Beschaffenheit der Bestandteile, aus ihrem Umfang, Menge, Gewicht, dem Wert oder der Bedeutung für die Verwendung der Ware sowie auch aus dem Erscheinungsbild der Ware ergeben kann5.
Das EuGH-Urteil Lemnis Lighting3 steht dem nicht entgegen. Der EuGH hat darin zum einen bestätigt, dass Leuchtdioden, die mit weiteren elektronischen Komponenten zusammengefügt sind, nicht vom Wortlaut der Pos. 8541 KN erfasst werden. Zum anderen schließt das EuGH-Urteil (das die AV unerwähnt lässt) nicht aus, dass mit weiteren elektronischen Komponenten zusammengefügte Leucht- bzw. Laserdioden gleichwohl nach der AV 3 Buchst. b in die Pos. 8541 KN eingereiht werden können.
Soweit der EuGH mit vorgenanntem Urteil ausführt, die dort streitigen LED-Lampen bestünden neben Leuchtdioden auch aus zahlreichen anderen Komponenten, die für ihre Funktion erforderlich seien, oder im Urteil vom 02.10.20087, die Einfügung einer Verstärkerschaltung sei unschädlich, wenn sie die Merkmale und Eigenschaften des Optokopplers nicht wesentlich ändere, besteht kein Anlass anzunehmen, der EuGH habe seine ständige Rechtsprechung ändern wollen, wonach auf den Wortlaut der Positionen und Unterpositionen der KN, die Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und, soweit in den Positionen und Anmerkungen nichts anderes bestimmt ist, die AV abzustellen ist. Gleiches gilt für das EuGH-Urteil Rohm Semiconductor vom 20.11.20148.
Sollte die gebotene Würdigung der objektiven Beschaffenheitsmerkmale der streitigen Waren und ihres charakterbestimmenden Bestandteils gemäß AV 3 Buchst. b ergeben, dass eine Einreihung in die Pos. 8541 KN ausscheidet, wäre zu prüfen, ob die Waren eine eigene Funktion im Sinne der Pos. 8543 KN haben. Die Einreihung in diese Position schlösse nach Anm. 2 Buchst. a zu Kap. 90 KN die Einreihung als Teil eines Lasers der Unterpos. 9013 90 KN aus.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.04.2017 – VII R 8/16
ECLI:DE:BFH:2017:U.250417.VIIR8.16.0
- Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 24.02.2016 – 4 K 1423/14 Z [↩] [↩]
- ABl. der Europäischen Union Nr. L 287/9 [↩]
- EuGH, Urteil vom 08.12.2016 – C-600/15 – Lemnis Lighting, EU:C:2016:937 [↩] [↩]
- BFH, Urteil vom 12.04.2011 – VII R 20/07 [↩] [↩]
- BFH, Urteil vom 19.12.2006 – VII R 8/06 [↩] [↩]
- BFH, Urteil vom 07.08.2013 – VII R 32/12 [↩]
- EuGH, Urteil vom 02.10.2008 – C-411/07, EU:C:2008:535 [↩]
- EuGH, Urteil vom 20.11.2014 – C-666/13, Rohm Semiconductor – EU:C:2014:2388 [↩]